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Digitalisierung + IT

Software-Desaster kostet Handwerker 20.000 Euro

Vollständige Digitalisierung aller Prozesse im Betrieb durch Branchensoftware? Weil Matthias Fenske auf die Versprechen eines Anbieters vertraute, wurde es richtig teuer für ihn!

Auf einen Blick:

  • Matthias Fenske ist wütend: Die neue Software hat seinen 10-Mann-Betrieb 20.000 Euro gekostet. Doch von den vielen Versprechungen hat der Software-Anbieter nur eine erfüllt.
  • Das Software-Problem: Durchgängig digital vernetzt sei keines der von ihm schon genutzten Software-Pakete.
  • Das Hersteller-Problem: Die Versprechen der Anbieter klängen ganz anders. Doch darauf dürfe man sich selbst dann nicht verlassen, wenn man ganz genau weiß, was man will und braucht, sagt Fenske. Nur wer vor Gericht beweisen kann, dass der Anbieter bestimmte Leistungen zugesagt hat, habe eine Chance.

Mit Software kennt sich Matthias Fenske aus: Der Chef der VisuExpert Automatisierungstechnik im niedersächsischen Emstek verdient sein Geld mit Steuerungstechnik für die chemische und die Lebensmittelindustrie, „komplett mit Planung und Programmierung“. Entsprechend sah der Chef eines 10-Mann-Betriebs auch „keinen Beratungsbedarf“, als er 20.000 Euro in eine Branchensoftware investierte, die alle seine Anforderungen auf einmal erfüllen sollte. „Wir kennen uns sehr gut aus und wissen, was wir wollen.“

Das war 2016. Heute, zweieinhalb Jahre und einen Rechtstreit später, ist der Unternehmer deutlich ernüchtert: „Bei solchen Projekten müsste man eigentlich einen Rechtsanwalt vorschalten und die Aussagen dokumentieren.“ Fenske hatte beides nicht und sich auf die Versprechungen des Verkäufers verlassen, wie er heute selbstkritisch einräumt. Vor Gericht habe er so keine Chance gehabt, als er sein Geld zurückwollte.

Zwei Software-Schmieden können seine Wünsche nicht erfüllen

Wie konnte es dazu kommen? Fenske ist seit 2012 selbstständig. Seitdem hat er die Software von drei Anbietern genutzt. Am Anfang war es Firma A, ein bekannter Hersteller einer Büro-Software, für einzelne Standardaufgaben „gut geeignet“. Aber der Handwerker wollte mehr: „Zum Beispiel fehlte es an der Möglichkeit, Rohstoffe wie Kupfer vernünftig einzubeziehen.“ Dafür hat der Profi sogar Verständnis: „Für meine Branche ist diese Software ja nicht geschrieben worden.“

Also wechselte er Anfang 2015 zur Branchensoftware von Anbieter B. Der lockte mit Zusatzmodulen wie Lagerverwaltung, Bestellwesen und Schnittstellenpaketen. Doch auch diese Lösung genügte Fenske bald nicht mehr. „Dabei würde ich meine Ansprüche an eine solche Software im heutigen digitalen Zeitalter nicht gerade als hoch bezeichnen.“ Seine „bescheidene“ Wunschliste sieht so aus:

  1. Vollständige Lagerverwaltung mit Scanner-Anbindung
  2. Mobile Stundenzettel über Laptop oder Tablet
  3. Nachkalkulation der Projekte mit den Daten aus den Stundenzetteln und dem Materialverbrauch
  4. Anbindung an Großhändler mit Schnittstellen, die das automatische Einlesen der Lieferscheine ermöglichen
  5. Auswertung der Projektstände
  6. Erleichterung der Erstellung von Angeboten mit Vorlagen, Leistungspositionen etc.

Große Versprechen, große Erwartungen – für 20.000 Euro

Schließlich stieß der Handwerker auf Software von Anbieter C. Ein Kollege hatte sie Fenske empfohlen. Ein Fehler, wie er später erfuhr: Der Kollege hatte vergessen, seine Mitarbeiter zu fragen, was die von der Software hielten. Sonst hätte er Fenske wohl abgeraten. Stattdessen ließ sich der Handwerker die Software vom Anbieter präsentieren. „Eine Stunde lange zeigte er uns alles Mögliche, vor allem die Erstellung von Angeboten, die wunderbar funktionierte.“ Außerdem habe ihm der Verkäufer „sehr glaubhaft alles versprochen, was wir an Wünschen an die neue Software hatten“.

So kaufte der Handwerker das Gesamtpaket für rund 20.000 Euro, für ihn eine „gewaltige Investition“. Gelohnt habe es sich nicht, „zufriedenstellend“ sei Software nur in einem Punkt: bei der Erstellung von Angeboten. „Alles andere war ein reines Desaster.“ Erst habe er gedacht, er hätte Fehler bei der Installation oder der Nutzung gemacht. Doch schließlich wurde ihm klar: „Die Software war für diese Aufgaben einfach nicht gemacht.“

Rechtstreit ohne Beweise und ohne Erfolg

Nach einem Monat voller ungelöster Probleme zog Fenske „die Reißleine“ und wechselte zurück zur Software von Anbieter B, um überhaupt arbeiten zu können. Dann versuchte er, seine 20.000 Euro von Anbieter C zurückzubekommen. „Da dachte ich, ich komme aus dem Vertrag noch heraus.“

Der Anbieter lehnte ab. „Er wollte mir von Anfang an nicht entgegenkommen, trotz Nullleistung.“ Heute glaubt der Handwerker zu wissen, woran das liegt: Er hatte sich die Versprechen des Herstellers nicht schriftlich geben lassen. „Die wussten, dass ich nichts beweisen kann.“

Weil ihm das anfangs nicht klar war, zog er vor Gericht. Schluss war für ihn dort, nachdem der Streit 10.000 Euro verschlungen hatte. Mehr wollte seine Rechtsschutzversicherung nicht bezahlen. „Wir mussten klein beigeben, sonst hätte uns dieser Rechtstreit am Ende noch mal 20.000 gekostet.“

Zurück zur Branchensoftware von Anbieter B

Heute arbeitet Fenske weiter mit der Software von Anbieter B. Die ist bei weitem nicht so vernetzt, wie er sich das wünscht: ein Programm für Angebote und Rechnungen, eines für die Buchhaltung – und „beide kommunizieren nur bedingt gut miteinander“. Die webbasierte Artikeldatenbank mit Scanner-Anbindung hat er selbst programmiert, mit einer Schnittstelle zur Software von B. Für die Warenwirtschaft und die BWA nutzt er Excel. Zeiterfassung und Projektmanagement laufen komplett in jeweils eigener Software.

5 Tipps und ein Fazit

Was rät Fenske Kollegen aus dem Handwerk nach seinen Erfahrungen?

  • Hersteller-Aussagen prüfen: „Egal wie klar die Anforderungen sind, man darf sich nicht einfach auf die Angaben der Hersteller verlassen“, sagt Fenske.
  • Produktpräsentationen misstrauen: „Was kann man in drei Stunden schon feststellen? Die zeigen nur, was funktioniert.“
  • Auf Testphase bestehen: „Wenn alleine schon die Einarbeitung einen Monat dauert, müsste man so eine Software mindestens drei Monate testen. Gibt es keine Testphase, sollte man besonders skeptisch sein.“
  • Eigentumsrechte hinterfragen: „Wir haben zwar 20.000 Euro bezahlt, dürfen die Software aber nicht an jemanden verkaufen, dem sie vielleicht mehr nutzt. Das ist besonders bitter.“
  • Rechtsanwalt einschalten: „Bei großen Investitionen sollte man von Anfang an einen Anwalt dabeihaben, der alles dokumentiert und dafür sorgt, dass man gerichtsfeste Beweise in der Hand hat.“

Sein Fazit: Die Digitalisierung der Betriebsabläufe sieht Fenske heute verhalten. Betriebe, "die einfache Anforderungen haben und kein Projektgeschäft machen", kämen mit der gängigen Branchensoftware "gut klar". Die Angebotserstellung funktioniere sehr" gut, denn darauf sind alle Anbieter spezialisiert“. Je mehr ein Betrieb jedoch in Projekten arbeite und je stärker er die Prozesse durchgängig digitalisieren will, desto schwerer sei es, eine geeignete Software zu finden. „Da sind die Softwarehersteller der Engpass, der uns daran hindert, die Digitalisierung im Handwerk voranzutreiben.“

Wie sind Ihre Erfahrungen? Haben Sie auch Probleme mit Branchensoftware, mit nicht erfüllten Erwartungen und gebrochenen Versprechen? Dann schreiben Sie uns an redaktion@handwerk.com!

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Foto: privat Matthias Fenske
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