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Panorama

Großes Theater: Freiheitsberaubung aus Zeitmangel

Ein Handwerkerduo in Eile, ein hartnäckiger Arbeitskontrolleur und ein Bauzaun. Fertig ist der Stoff für eine unvergessliche Gerichtsverhandlung.

Auf einen Blick:

  • Weil es zwei Handwerker sehr eilig hatten, fand sich ein Arbeitsschutz-Kontrolleur in Sachsen plötzlich eingesperrt auf einer Baustelle wieder.
  • Ist das schon Freiheitsberaubung? Diese Frage musste nun das Gericht klären. Dabei förderte es überraschende Wendungen zutage. Genug Stoff für ein Theaterstück.

Manche Geschichten kann nur das Leben schreiben. Aber im Theater würden sie sich auch gut machen. So wie der Baustellen-Streit zwischen einem Brunnenbau-Duo und einem Arbeitsschutz-Kontrolleur im sächsischen Heinzdorfergrund. Die Freie Presse berichtet vom Verlauf des Falls vor dem Auerbacher Amtsgericht. Bester Stoff für eine Theater-Adaption.

Willkommen im Stück „Kein Knast hinterm Bauzaun“

1. Akt: Die Anklage

Sie sind Vater und Sohn, zwei Mitarbeiter einer Brunnenbaufirma und nun angeklagt wegen Freiheitsberaubung. Grund: Im Februar bekamen sie auf einer Baustelle Besuch von einem Arbeitsschutz-Kontrolleur. Weil der beharrlich war und nicht unverrichteter Dinge wieder gehen wollte, sperrten sie ihn hinter dem Bauzaun ein und verließen den Ort.

2. Akt: Der Teufel im Detail

Die beiden Handwerker widersprechen der Schilderung nicht. Doch erst ihre Details geben der nüchternen Zusammenfassung die nötige Farbe. Der Kontrolleur sei nachmittags überraschend auf der Baustelle aufgekreuzt, unfreundlich gewesen und hätte sich nicht korrekt ausgewiesen. Grund der Baustellenkontrolle war ein nicht ordnungsgemäß angemeldeter Kran. Doch als Brunnenbauer hatten die Handwerker mit dem gar nichts zu tun.

Sie hatten nur eines: Termindruck. Sie waren die letzten Arbeiter vor Ort und mussten dringend zu einem weiteren Kunden. Sie hätten den Kontrolleur mehrfach auf ihre Eile hingewiesen – offenbar erfolglos. Da die Handwerker die Baustelle nicht unverschlossen verlassen konnten, hatten sie sie abgeschlossen und sich auf den Weg gemacht. Hier widerspricht der Kontrolleur: Der plötzlich verschlossene Bauzaun hätte ihn völlig überrascht.

Es verliert, wer sich selbst zitiert

3. Akt: Ein Kontrolleur mit Erinnerungslücken

Es steht Aussage gegen Aussage. Der Richter ist gefragt, Licht ins Dunkel zu bringen. Seine folgenschwere Frage: Wer hatte die Baustelle eigentlich genau abgeschlossen – Vater oder Sohn? Da plagen den Kontrolleur plötzlich Erinnerungslücken. Er weiß es nicht mehr. Und dann folgt ein überraschendes Eingeständnis des Kontrolleurs: Bei seinen Aussagen habe er die ganze Zeit aus dem Protokoll seiner früheren Vernehmung zitiert. Der Richter reagiert entsprechend verärgert. Wozu soll man jemanden persönlich anhören, wenn der nur längst bekannte Protokolle zitiert?

4. Akt: Düstere Aussichten

An der Schwere der Tat ändert das aber noch nichts. Ein Mensch darf einen anderen Menschen nicht einsperren. Insofern sieht die Sache für die Brunnenbauer nicht gut aus. Bei einer Verurteilung wegen Freiheitsberaubung kann laut Paragraph 239 Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen.

5. Akt: Kein Knast hinterm Bauzaun

Aber ist der Vorwurf der Freiheitsberaubung überhaupt haltbar? Eine halbe Stunde, das habe der Kontrolleur gegenüber der Polizei ausgesagt, hätte es gedauert, sich aus der Baustelle zu befreien. Vor Gericht klingt das plötzlich ganz anders. Der Kontrolleur sei eher fünf bis zehn Minuten eingeschlossen gewesen, bevor er den Bauzaun „ohne große Mühen“ öffnen konnte. Den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllen die Fakten für den Richter so nicht. Er sieht darin eher eine Nötigung. So endet das Verfahren mit einer vergleichsweise milden Strafe für den Chef der Brunnenbaufirma: Der muss 510 Euro zahlen.

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