Dumm gelaufen
Ideenklau
Uwe Jeckstadt lädt das Foto einer Häuserfassade in seinen Rechner. Er gestaltet mit einem speziellen Farbbearbeitungsprogamm jedes Bauteil, jedes Fenster, jede Tür. Er setzt ein Ornament in eine Fläche, den Eingangsbereich hebt er farblich hervor. Was für ein Spaß, die Zeit vergeht wie im Flug. Nach zweieinhalb Stunden verschickt der Malermeister seinen Entwurf per E-Mail. Jetzt kann sich der Kunde im Nachbarort ein reales Bild davon machen, wie schmuck sein Altbau aussehen könnte. Stopp! Die Beschreibung liest sich gut, aber Jeckstadt ist nicht naiv. Er ist nicht mehr naiv. Denn er weiß aus leidvoller Erfahrung, was mit detaillierten Entwürfen passieren kann.
Möglichkeit 1: Der Kunde schmeißt die Skizze in den Papierkorb und meldet sich nie wieder. Auch bei Möglichkeit 2 meldet sich der Kunde nie wieder, reicht die Skizze aber an einen Kollegen weiter. Das erste Szenario ist immer mal wieder vorgekommen, das zweite ist Jeckstadt exakt einmal passiert: „Ich bin einige Wochen, nachdem ich die E-Mail mit dem Entwurf verschickt hatte, an dem Haus im Nachbarort vorbeigefahren – und ich dachte, ich spinne. Unglaublich, da hatte einer meine Farbgestaltung detailgetreu übernommen, jede Nuance.“
Warum lässt er sich die Arbeit für die Angebote nicht bezahlen? „Handwerker haben noch nicht die Lobby, um im Vorfeld Geld zu verlangen – zumindest bei uns in der Region.“ Jeckstadt ist Malermeister in Lamspringe, einem Ort im südlichen Niedersachsen, er arbeitet zu 95 Prozent für Privatkunden: „Wenn ich vorschlage, dass ein Entwurf soundsoviel kostet und bei der Auftragsvergabe verrechnet werden kann, stutzen viele. Es wäre schön, wenn sich das eines Tages durchsetzen würde, zurzeit ist es nicht drin.“
Jeckstadt hat eigene Abläufe entwickelt.
Variante 1: Referenzbilder verschicken
Diese Variante kostet kein Geld und kaum Zeit. Jeckstadt verschickt einfach Bilder von Referenzobjekten früherer Arbeiten per E-Mail. Die Bilder zeigen: „Das können wir.“ Wer dann Interesse signalisiert, ist reif für Variante 2.
Variante 2: Die Vorplanung abspecken
Jeckstadt zeigt dem Kunden das Foto seiner Immobilie in einem „absolut unmöglichen Farbton“. Dunkellila beispielsweise. Je nach Objekt eine Farbe, bei der jeder sage: „Das geht ja gar nicht.“ Darunter schreibt er einen netten Satz: „Damit solche Fehler bei der Farbauswahl nicht passieren, werden wir Ihr Haus bei Auftragsvergabe mit einem Farbbearbeitungsprogramm gestalten und Ihnen schöne Vorschläge unterbreiten.“ Fand schon mal jemand den unmöglichen Farbton gut? „Nein“, lacht Jeckstadt, „das ist immer so schräg, das kommt nie vor.“ Der Vorteil: Der Kunde registriert, wie naturgetreu die Gestaltung per Foto aussieht, er kriegt Lust darauf – und ist womöglich ein Fall für die dritte Variante.
Variante 3: Auf den Bauch hören
Jeder zehnte Kunde erhält von Jeckstadt einen detaillierten Entwurf: „Das Risiko gehe ich ein, das ist letztlich Abwägungssache.“ Ganz aktuell hat der Malermeister eine aufwendige Skizze entworfen und zu seiner Mitarbeiterin im Büro gesagt: „Ich glaube, der Kunde hat echtes Interesse, wir schicken das Original mit.“
Gibt es eigentlich einen typischen Kunden, der zum Ideenklau neigt? „Nein“, antwortet Jeckstadt. Das Problem komme auch bei Leuten vor, die eigentlich nicht auf den Euro achten müssten. Eine gewisse Haltung sei da eher ein Hinweis: „Es gibt Kunden, die auf eine bestimmte Art handeln, bei denen es das billigste Geld sein muss – das ist ein Indiz.“
Das Problem des Ideenklaus sei übrigens verbreitet, das wisse er aus Gesprächen mit Kollegen. Jeckstadt geht von einer hohen Dunkelziffer aus: „Den Außenbereich kann ich überprüfen. Im Innenbereich sehen wir die Wohnung oder das Büro des Kunden nie wieder, wenn ein Auftrag nicht zustande kommt.“