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Computer im Knie

Orthopädie: Computer im Knie

Inline skaten und Rad fahren können auch Beinamputierte: mit einer mikroprozessor-gesteuerten Prothese. Das so genannte C-Leg ist die erste Prothese der Welt, die sowohl in der Stand- als auch in der Schwungphase per Computer gesteuert wird. Konstruiert wurde sie von dem Duderstädter Unternehmen Otto Bock.

Treppen sind für Meike Brouwer kein Hindernis. Sie steigt sie hinab wie jede Gesunde. Auch abschüssige Strecken meistert die Beinamputierte ohne Probleme seitdem sie ein C-Leg trägt. Es ist die erste Prothese der Welt, die sowohl in der Stand- als auch in der Schwungphase per Computer gesteuert wird. Ich muss beim Gehen nicht mehr über das Gehen nachdenken, bringt die 35-Jährige den Vorzug des C-Legs auf den Punkt. Die Innovation ersetzt sowohl Kniegelenk als auch Muskulatur von Fuß und Unterschenkel.

Mit der mechanischen Prothese musste sich die junge Frau bei jedem Schritt genau auf den Boden konzentrieren. Bereits eine Teppichkante hätte einen Sturz verursachen können. Heute sorgt der Computer im Knie dafür, dass ihr künstliches Bein nicht einfach unter ihr wegknickt. Sensoren messen 50 Mal in der Sekunde den aktuellen Bewegungszustand der Prothese. Anhand dieser Daten steuern Mikroprozessoren den gesamten Zyklus des Gehens.

Der Akku wird nachts aufgeladen

Die Feinsteuerung stimmt der Orthopädietechniker im Vorfeld individuell mit Hilfe eines Laptops auf jeden Patienten, seinen natürlichen Gang und sein Sicherheitsbedürfnis ab. Ein Lithium-Akku versorgt das C-Leg mit Strom. Die Kapazität reicht für mehr als 30 Stunden. Über Nacht wird die Prothese zum Aufladen an eine Steckdose angeschlossen. Brouwer ist so überzeugt von dieser Innovation, dass sie heute als Produktmanagerin auf der Gehaltsliste des Herstellers steht, der südniedersächsischen Otto Bock HealthCare GmbH. Diese ist Weltmarktführer in der technischen Orthopädie und hat das C-Leg entwickelt.

Mehr als 1500 Menschen in Europa, Kanada, USA, Brasilien, Argentinien, Australien, Japan und Südafrika tragen nach Angaben des Duderstädter Unternehmens inzwischen eine mikroprozessorgesteuerte Beinprothese. Den Bedarf schätzt Dr. Helmut Pfuhl von Otto Bock HealthCare auf weltweit 20.000 C-Legs. Das seien sieben bis acht Prozent der gesamten Versorgung Beinamputierter.

Bessere Lebensqualität für aktive Menschen

Profitieren von der computergesteuerten Prothese könnten aktive Menschen, die einen Anspruch an Lebensqualität und damit an Mobilität und Integration stellen. Von der neuen Technik müssen nicht nur der Patient sowie Arzt oder Therapeut überzeugt werden, sondern auch der Kostenträger. Denn die komplette Versorgung mit der computergesteuerten Prothese kostet bis zu 23.000 Euro. Diese Aufgabe müssen die Orthopädietechnikermeister vor Ort in den Werkstätten erfüllen, weiß Bernd Siggelow, Geschäftsführer der C. Nicolai Sanitätshäuser und Werkstätten GmbH in Langenhagen. Sie überzeugen aber nur, wenn sie über das Know-how der neuen Technologie verfügen und kompetent beraten können, betont der Handwerksunternehmer. Er hat jeweils einen Meister aus seinen fünf regionalen Zentralwerkstätten schulen lassen. Bisher haben wir 22 C-Legs verkauft. Ich hoffe, dass wir pro Jahr zehn bis 15 weitere Kunden mit einer computergesteuerten Beinprothese versorgen können, erklärt der Orthopädiemechanikermeister und studierte Betriebswirt, der bundesweit 450 Mitarbeiter beschäftigt.

Mit dem C-Leg sieht Siggelow für seine Branche eine große Marketing-Chance: Als traditionelles Handwerk demonstrieren wir, dass wir durchaus Spitzentechnologie umsetzen können. Damit kommen wir weg von unserem Bastelstuben-Image und präsentieren uns als innovativer Dienstleister.

Dreh- und Greifbewegungen mit der Handprothese

Impulse für die Branche hatte Otto Bock schon mit der Entwicklung der myoelektrischen Handprothese gegeben. Bis zu 6000 produziert das niedersächsische Unternehmen pro Jahr. Im Klartext: Bereits jeder zweite handamputierte Patient, der in die von Otto Bock belieferten Orthopädie-Werkstätten kommt, wird mit dieser Innovation versorgt. Die myoelektrische Prothese macht Dreh- und Greifbewegungen möglich, erläutert Elektromeister und Abteilungsleiter Kersten Drummer die Innovation. Bei jeder Muskelkontraktion entstehe ein Impuls für den Elektromotor, der die Bewegungen steuere.

Wichtig auch bei dieser perfekten Technologie: Der Handamputierte muss sie beherrschen. Und die Prothese muss auf den Muskel des Patienten abgestimmt sein. Da sind die Orthopädiewerkstätten gefragt. Während wir die Hand mit Kosmetik und vorgefertigtem Schaft liefern, muss der Orthopädietechniker das Innenleben des Schaftes vor Ort individuell anpassen, betont Drummer. Er ist übrigens einer von 20 Handwerksmeistern bei der Duderstädter Otto Bock HealthCare. Das Unternehmen setzt auf diese Fach- und Führungskräfte: Fast alle Handwerkslehrlinge werden als junge Gesellen übernommen, die Meisterausbildung gefördert. Das kommt nicht von ungefähr: Otto Bock sieht seinen Unternehmenserfolg in der Synthese aus handwerklichem Können und innovativer Technologie. Und das gelte besonders für die Entwicklung der ersten computergesteuerten Beinprothese der Welt.

Über das Unternehmen Otto Bock

Die Otto Bock HealthCare ist mit ihren Sparten Orthopädie und Rehabilitation traditionsreichster und zugleich größter Unternehmensbereich der Duderstädter Otto Bock Firmengruppe.

Unter dem Dach des mittelständischen Konzerns gibt es zwei weitere Kernbereiche: Kunststoff sowie Informations- und Kommunikationstechnologie. Industrielle Serienfertigung von Passteilen für Prothesen, lautete die Idee des Firmengründers vor über 80 Jahren. Die Prothesen wurden nicht mehr individuell von Hand gefertigt, sondern in Teilen systematisiert. Otto Bock teilte die Oberschenkelprothese ein in die drei Bauabschnitte Fuß mit Knöchelteil, Knie-Wadenpassteil und Obertrichter. Mit der Entwicklung justierbarer Verbindungselemente und neuer Kunststoffe wuchs aus der Passteil-Idee die Modular-Idee: Die Prothese erfüllt die reine Funktion, die Schaumstoff-Formteile übernehmen die Aufgabe der Kosmetik.

Heute ist Otto Bock Weltmarktführer in der Prothetik als Systemanbieter von Produkten und Dienstleistungen. Das Leistungsspektrum umfasst neben Prothesen auch Orthesen, Epithesen und Produkte für die Orthopädie-Schuhtechnik. Consulting-Leistungen wie die Planung und Einrichtung von orthopädischen Werkstätten zählen ebenfalls zur Angebotspalette. Mit der myoelektrischen Handprothese und dem ersten mikroprozessorgesteuerten Prothese-Kniegelenk hat Otto Bock in den vergangenen Jahren technologische Maßstäbe gesetzt.

Weltweit hat die Firmengruppe über 50 operative Vertriebs- und Produktionsstandorte. Als Global Player exportiert die Otto Bock HealthCare ihre Produkte in 140 Länder. Otto Bock beschäftigt weltweit knapp 35 000 Mitarbeiter. Darunter sind über 80 Auszubildende, davon 50 Lehrlinge in handwerklichen Berufen. Der Umsatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Von 2000 auf 2001 hat er sich um 12,5 Prozent auf 94 Millionen Euro gesteigert. Davon entfallen 320 Millionen Euro auf den Geschäftsbereich Gesundheit. Ebenfalls ein zweistelliges Umsatzwachstum plant die niedersächsische Firmengruppe für 2002.

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