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Regionale Kundenbindung in der Praxis

Nur aus feinsten Zutaten

Fruchtsäfte, Obstbrände, Weine und Whisky: In der Altmark hat sich ein Familienbetrieb zu einer echten Größe entwickelt. Wie? Mit Durchhaltevermögen, guten Ideen und treuen Kunden.

Durch die Toreinfahrt fahren an diesem Tag im Juli viele Autos mit dem Altmärker-Nummernschild. Sie bringen frisches Obst aus ihren Gärten in die Diesdorfer Süßmost-, Weinkelterei und Edeldestille. Die saisonalen Früchte – Johannisbeeren, Süßkirschen, Aprikosen oder Heidelbeeren – werden zunächst gewogen. Den Wert notiert ein Mitarbeiter der Mosterei auf einem Zettel. Meist machen die privaten Obstlieferanten noch Halt an der so genannten Rampe. Dort laden sie Getränkekisten mit Saft oder Wein wieder ein, lassen ihren Zettel bei der Bezahlung im Hofladen verrechnen und verabschieden sich.

Lohnmosterei heißt dieses Geschäft, womit Familie Schulz schon 1935 begonnen hat. „Mein Urgroßvater Paul hatte diese Idee“, sagt Matthias Schulz. Das bedeutet: Wer Früchte zur Mosterei bringt, kann abgefüllte Ware zu einem vergünstigten Preis kaufen. Zu DDR-Zeiten hatten viele einen Kleingarten und brachten große Mengen Obst her. Nach der Wende änderte sich das. Auch die Konkurrenz durch große Abfüllbetriebe im angrenzenden Niedersachsen machte dem Betrieb zu schaffen. Einige Jahre dauerte es, neue Geschäftsfelder zu erschließen, um bis heute überleben zu können.

Heute führt der 30-jährige Ingenieur für Lebensmitteltechnologie das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater Stefan. 2010 ist er als Gesellschafter mit eingestiegen. Matthias Schulz ist derzeit noch hauptberuflich an der Technischen Universität Berlin beschäftigt – als Doktorand. Mit seiner Frau und seiner knapp drei Monate alten Tochter wohnt er in Berlin. An den Wochenenden widmet er sich dem Betrieb in seiner Heimat. Wenn er den Doktortitel in der Tasche hat, will Schulz wieder ganz in die Altmark ziehen. In seine Heimat und zu den Menschen und dem Betrieb, an dem er hängt.


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Der Familienbetrieb lebt von seinen treuen Kunden

Seit sieben Uhr heute Morgen läuft die Rhabarberverarbeitung. Riesige Holzkisten sind vor der Verarbeitungshalle übereinandergestapelt. Per Gabelstapler holen Mitarbeiter die Kisten ran und heben das Obst von Hand in den riesigen Entsafter. Rhabarbergeruch füllt den Raum. Der Saft wird vorerst in einem Tank gespeichert, bis die Abfüllanlage wieder „frei“ ist. Im Nachbarraum riecht es gerade verlockend nach Erdbeeren. Es dampft und zischt, leere Flaschen laufen über das Band. Heißer Saft wird eingefüllt. Die Deckel werden draufgeschraubt, Etiketten raufgeklebt. Dann landen je sechs volle Flaschen in einer Kiste. Das alles machen heute Maschinen. Zwei Mitarbeiterinnen kontrollieren die Abläufe, machen zwischendurch Qualitätskontrolle und fahren die vollen Kästen in das Lager neben der Rampe.

12 Uhr, Mittagspause. Für eine Stunde kehrt Ruhe in den wuseligen Arbeitsalltag ein. Die Tore sind geschlossen, alle zehn Mitarbeiter sitzen zusammen. Neben dem Hofladen, im Pausenraum, ist der Tisch gedeckt. Matthias Schulz' Mutter Tatiana füllt Suppe aus einem großen Topf auf die Teller. Sie ist in dem Betrieb für das Büro, die Führungen über den Hof und die Verkostungen zuständig.

Frisches Brot vom Handwerksbäcker steht bereit, ebenso wie leckere selbstgemachte Marillenmarmelade. Familiäre Stimmung macht sich breit. Erst recht, als Baby Johanna von Arm zu Arm gereicht wird. Private und dienstliche Absprachen mischen sich. Der Plan für den Nachmittag wird fixiert. Kurz vor 13 Uhr sind alle wieder an ihren Arbeitsplätzen.

Das Rezept für international preisgekrönte Edelbrände verrät Matthias Schulz auf der nächsten Seite.

"Qualitätsgarantie durch ausgewählte Zutaten"

Matthias Schulz zieht sich zurück und konzentriert sich auf die Gin-Produktion. „Old Paul“ heißt er – benannt nach seinem Urgroßvater. Seit 2008 stellt der Betrieb Obstbrände und Destillate her. Früher wurde das in kleiner Form schon einmal gemacht. Die Technik war vorhanden, lag aber über lange Zeit brach. Für die Produktion wird nur qualitativ hochwertiges Obst verwendet. „Das war früher anders, da hat man den Obst-Abfall verwendet“, erklärt er. „Aber wer gute Endprodukte haben will, braucht erstklassige Zutaten“, betont er.

Etwa 20 Brände hat der Betrieb mittlerweile im Angebot – von Apfel und Birne über Marille und Pfirsich bis hin zu Sauerkirsche. Matthias Schulz destilliert sie von Hand und etikettiert die Flaschen. Einige haben renommierte Preise gewonnen: In diesem Jahr holte der Mirabellenbrand die Goldmedaille beim „Destillata“-Wettbewerb – eine europaweite Prämierung.

Auch dem Oldmark Single Malt Whisky – benannt nach der Region Altmark – hat die Destillata-Jury schon im vergangen Jahr auf internationaler Ebene die Silbermedaille verliehen. „Das macht uns stolz und motiviert, unseren Weg so weiterzugehen“, sagt Matthias Schulz. Er hat nach der Anschaffung des Brennapparats einen Brennerkurs in Süddeutschland besucht. Den Gärungsprozess kennt er aus der Verarbeitung des Obstes zu Wein. Außerdem brauchten die Diesdorfer ein Brennrecht, das Hauptzollamt musste dem Betrieb zustimmen. Das dauerte zwei Jahre. „Der Bürokratie sind hier fast keine Grenzen gesetzt“, sagt Schulz.

Eigens für die Verkostung von Obstbränden, Whisky und Gin wurde ein Verkostungsraum eingerichtet: Dunkle Tische und Holzstühle, bezogen mit braunem Leder verleihen dem Raum Gemütlichkeit. Das Konzept geht auf: Regelmäßig kommen Besuchergruppen nach Diesdorf und testen die Brände. Aber nicht heute. Heute wird Most abgefüllt. Jetzt ist auch die Anlage für den Rhabarber frei. Die Saison neigt sich ohnehin dem Ende entgegen. Kein Problem: Als nächstes rollt schon die Apfelernte an.



(ja)

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