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Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten

Ich bin dann mal weg

Freiräume für Familieneinsätze, längere Reisen und andere Herzensprojekte – damit können Sie als Arbeitgeber bei Ihren Mitarbeitern punkten. Wie das geht, erfahren Sie hier.

Zeit ist nicht nur Geld, sondern auch Lebensqualität. Zeit für die Kinder, für pflegebedürftige Eltern, fürs Reisen oder einfach nur zur Erholung, weil der Körper eine Pause braucht. Pauline Norrenbrock hat gemeinsam mit ihrem Ehemann zwei Betriebe aufgebaut, eine Zimmerei und ein Abbund-Center in Vrees im Emsland. Als Unternehmerin, vierfache Mutter und Großmutter kennt sie die Sehnsucht nach einer Auszeit. Und sie weiß, was für einen „Knochenjob“ ihre Mitarbeiter da ableisten. „Es ist schwer, im Zimmereiberuf mit 60 noch voll einsatzfähig zu sein“, sagt die 54-Jährige. Damit sie auch langfristig mit ihren Kräften haushalten können, hat sie etwas Neues eingeführt: Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten.

Was genau sind Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten?
Die Mitarbeiter können auf diesen Konten über einen längeren Zeitraum hinweg Guthaben in Form von Lohn- und Gehaltsbestandteilen ansparen. Langzeitkonten sollen die Arbeitszeit während des gesamten Erwerbslebens flexibilisieren. Die Inhaber können ihre Guthaben nutzen, um sich zum Beispiel für die Pflege von Angehörigen, für ein Sabbatical oder eine längere Fortbildung freistellen zu lassen. Lebensarbeitszeitkonten beziehen sich dagegen auf die Verkürzung der Arbeitszeit in der Phase unmittelbar vor dem Ruhestand.

Wie genau das mit dem Sparen funktioniert, erfahren Sie auf Seite 2.

Wie können die Mitarbeiter Guthaben ansparen?

Uwe Werther ist Unternehmensberater und Geschäftsführer der Projektplan Venture Consult GmbH in Osnabrück. Er hat sich auf die Einführung von Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten spezialisiert. Als „Einzahlung“ kommen ihm zufolge unter anderem Mehrarbeit und Überstunden, Sonderzahlungen wie Prämien, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Zuschläge und nicht genommene Urlaubstage in Frage. „Die Arbeitgeber können auch Freistellungen auf Kredit gewähren, zum Beispiel für Pflegezeiten“, erklärt der Experte. Das Geld wird dann angelegt und verzinst, die Anlageprodukte müssen gegen Insolvenz gesichert sein. Werther weist auf den „Brutto-Netto-Effekt“ hin: Auf dem Konto wird jedes Mal der Arbeitgeberbruttobetrag angelegt und als solcher verzinst. Pauline Norrenbrock erwähnt noch einen weiteren Vorteil: „Solange das Geld auf dem Konto ist, werden keine Sozialversicherungsbeiträge fällig – mit Ausnahme der SOKA-Beiträge.“

Welche Schritte sind notwendig, um die Konten einzuführen?
Die Einzelheiten müssen in einer Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich festgelegt sein. Darin steht dann unter anderem, was für Lohn- und Gehaltsbestandteile die Mitarbeiter in Guthaben umwandeln können und welche Geldanlage dafür zur Verfügung steht. Gesetzliche Grundlage ist das „Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“ („Flexi II“-Gesetz). Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, hat Pauline Norrenbrock ein Beratungsunternehmen namens DBZWK in Schwäbisch Gmünd engagiert, das die Konten eingerichtet hat und laufend pflegt. Die „Sparer“ müssen einen Mindestbeitrag von 25 Euro im Monat einzahlen. Die Firma hat auch Informationsveranstaltungen für sämtliche Mitarbeiter und ihre Ehepartner sowie Einzelgespräche organisiert, um das Modell vorzustellen.

Lesen Sie auf Seite 3, was Sie für die Zeit der Freistellung unbedingt regeln sollten.

Was ist für die Zeit der Freistellung zu regeln?

Bei Freistellungen während des Berufslebens muss Uwe Werther zufolge in der Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich geregelt sein, dass sie bei einer schweren Erkrankung sofort beendet werden. Sonst sind die Mitarbeiter nicht mehr sozialversichert und haben keinen Anspruch auf Krankengeld und Lohnfortzahlung. „Das heißt, sie müssen ihre Krankheit komplett aus ihren selbstangesparten Wertguthaben entnehmen, und wenn sie das aufgebraucht haben, sind sie im Ernstfall Harz IV-Empfänger“, sagt der Unternehmensberater. Zu regeln sei außerdem, wie die Wiedereingliederung nach der Auszeit aussehen soll: Kommen die Mitarbeiter auf ihren alten Arbeitsplatz zurück? Wie und wann müssen sie die Freistellungsphase anmelden? Wer entscheidet, wenn es Konflikte gibt?

Bei Norrenbrock können die Beschäftigen seit Juni 2014 für eine Auszeit sparen. Rund die Hälfte habe bislang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, erzählt Pauline Norrenbrock. Ihr Unternehmen wurde von der Emsländischen Stiftung Beruf und Familie mit dem Gütesiegel "Familienfreundlich zertifiziert" ausgezeichnet. Um die Arbeitzeiten zu flexibilisieren und an den jahreszeitlichen Bedarf anzupassen, hat sie schon vor Längerem Jahresarbeitszeitkonten eingeführt. "Unser Kapital sind unsere Arbeitnehmer", sagt die Unternehmerin. Deshalb wolle sie ihnen auch eine Menge bieten.

(afu)

Link: www.norrenbrock-abbund.de

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