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Strategie

Kampf im Kopf: Ehrlichkeit oder schnelles Geld?

Eigentlich sind Sie ehrlich – und verkaufen Kunden dennoch manchmal Dinge, die sie nicht benötigen? Dann sind Sie in eine Denkfalle getappt – aus der es einen Ausweg gibt!

Auf einen Blick:

  • Ehrlichkeit oder schnelles Geld beim ahnungslosen Kunden: Bei inneren Konflikten versucht das Gehirn, diese schnell aufzulösen.
  • Sie denken plötzlich nur noch in eine Richtung und machen Fehler.
  • Aus dieser Falle entkommen Sie nur durch Nachdenken.
  • Überprüfen Sie immer wieder Ihren „Werte-Kompass“.

Natürlich ist es gefährlich für den Ruf, Kunden falsch zu beraten. Das weiß jeder Handwerker. Doch auch dem Ehrlichsten passiert es gelegentlich, dass er Kunden wider besseres Wissen Leistungen von zweifelhaftem Nutzen anbietet. Welche Denkfehler führen zu solchen rufschädigenden Manövern und wie vermeiden Sie sie?

Achtung, ein innerer Kampf führt stets zu Spannung

Die Psychologie-Professorin Eva Lermer von der FOM Hochschule für Oekononomie & Management erläutert, was im Gehirn passiert, wenn verschiedene Gedanken einander widersprechen. „Wir erleben einen unangenehmen inneren Spannungszustand, zum Beispiel, wenn wir gleichzeitig gewissenhaft handeln und möglichst viel an einem Auftrag verdienen wollen. „In dieser Situation versucht man, den empfundene Druck schnellstmöglich abzubauen.“ Das geschehe fast automatisch.

Unser Gehirn sei dann besonders offen für Informationen, die eine bestimmte Entscheidung bestärkten. „Einem Heizungsbauer kommen plötzlich lauter Argumente in den Sinn, die für eine neue Anlage und gegen eine Reparatur sprechen.“ Hinzu gesellen sich Zweifel am langfristigen Nutzen der Reparatur, die Vorteile der Garantie auf die neue Heizung und weitere Argumente in diese Richtung.

Ein anderer ebenfalls häufig ablaufender Prozess besteht in der „Abwertung“ einer der beiden Alternativen. Lermer: „Der Handwerker erinnert sich an ein Gespräch mit einem Kollegen über die Erfahrung, dass Kunden technische Fehler ohnehin nicht beurteilen könnten.“ Durch diesen Gedanken erscheine dem Handwerker das Risiko der eigenen Rufschädigung plötzlich als gering. „Mit dieser trügerischen Gewissheit geht er dann den falschen Weg.“

Tipp # 1: Selbsterkenntnis durch Perspektivwechsel

Wichtig ist es nach Ansicht der Psychologin, „schon einmal für sich selbst zu erkennen, dass man auch mal die Tendenz zu ungünstigen Entscheidungen haben kann.“ Dieses Wissen könne sogar aus ganz anderen Situationen stammen. Ein weiterer Weg aus der Denkfalle führe über das innere Vertreten einer Meinung, die stark von der eigenen abweiche: „Finden Sie möglichst viele Argumente, die gegen Ihre aktuelle Meinung sprechen. Stellen Sie sich die Welt so vor, als hätten Sie Unrecht.“

Lermer beschreibt die Wirkung des Gedanken-Experiments: „Ihre Wahrnehmung wird dadurch breiter und Sie gehen realistischer durchs Leben. Das bewahrt Sie möglicherweise vor Fehltritten.“ Abgesehen davon, verbesserten sich dadurch auch rhetorische Fähigkeiten und das Verständnis für Andersdenkende.

Tipp # 2: Prüfen Sie, ob Sie ein Opfer auf Vergeltungsfeldzug sind

Persönlichkeitscoach Jörg Janßen hat eine weitere Erklärung dafür, warum Menschen in diese Denkfalle geraten und dann Kunden „über den Tisch ziehen“. Der Experte für Persönlichkeitsentwicklung sagt: „Wer selbst schon einmal schlecht beraten wurde und ein überteuertes Angebot angenommen hat, ärgert sich darüber.“ Anschließend nehme das ehemalige Opfer die Täterrolle ein und rechtfertige diese mit Argumenten wie „Fressen oder gefressen werden – so sind die Regeln“.

Obwohl der echte Kunde nichts mit dem Vorfall aus der Vergangenheit zu tun habe, zahle es ihm der Handwerker heim. Janßen: „Wenn Sie öfter Zorn und Rachegefühle gegen die Welt haben, kann Sie das zu falschen Entscheidungen führen.“ Es sei besser, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu unterscheiden und im Kundengespräch eher nach vorne zu schauen.

Er gibt zu bedenken: „Wenn Sie dem Kunden neutral und ehrlich die Auftrags-Alternativen erläutern, nimmt er vielleicht aus freiem Willen die aufwendigere. Und er freut sich gleichzeitig über Ihre ehrliche Beratung.“ Er fügt hinzu: „So gewinnen Sie das Vertrauen Ihres Kunden. Er wird gern auch längerfristig mit Ihnen arbeiten, wenn Sie offen und ehrlich zu ihm sind.“

Tipp #3: Prüfen Sie Ihre Wertvorstellungen

Janßen betrachtet auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen als Ursache für rücksichtsloses Verhalten. „Die Ellenbogen-Strategie gilt inzwischen als salonfähig. So fühlt sich dann auch mancher Handwerker dazu verleitet, seine Kunden unehrlich zu behandeln.“ Dahinter könne ein wahrgenommenes Machtgefälle zwischen ihm und seinem Kunden stecken. „Der Handwerker weiß, dass der andere auf seinen Rat angewiesen ist. Insgeheim genießt er diesen Vorteil und nutzt seine Position aus.“

Ein falsches Verständnis von Unternehmertum könne ebenfalls hinter unfairem Verhalten gegenüber Kunden stecken, sagt Janßen. „Der Handwerker betrachtet sich als besonders erfolgreich und leistungsstark, wenn er dem Kunden bei jedem Auftrag so viel Geld wie möglich aus der Tasche zieht.“ Dabei zeige sich langfristiger Erfolg in vertrauensvollen Beziehungen zu Kunden und in einem guten Ruf.

Janßen: „Gehen Sie mal in sich. Was ist Ihnen als Unternehmer wichtig? Wie sehen Sie die Beziehung zu Ihren Kunden? Geht es Ihnen noch um zufriedene Kunden und Empfehlungen oder nur noch um Ihren eigenen Vorteil?“ Beim Nachdenken über diese Fragen sei ein ungeschönter Blick in den inneren Spiegel nötig. „Machen Sie sich schon selbst etwas vor und rechtfertigen Ihr Verhalten, dann wird es schwierig mit der Ehrlichkeit gegenüber Kunden.“

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Foto: Jan Greune Porträt von Prof. Eva-Lermer
Foto: privat

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