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Recht

Betriebliche Übung: Wenn nette Gesten zur Pflicht werden

Wer seinen Mitarbeitern Gutes tun will, sollte wissen, ab wann der Arbeitnehmer die Vergünstigung einfordern kann. Das Wichtigste zur Betrieblichen Übung.

Auf einen Blick:

  • Vergünstigungen, die Sie Ihren Mitarbeitern gewähren, können für Sie zur Pflicht werden.
  • Voraussetzung ist, dass der Vorteil, etwa Weihnachtsgeld oder eine Prämie, drei Mal gewährt werden. So entsteht die sogenannte Betriebliche Übung und Ihre Mitarbeiter haben künftig einen Rechtsanspruch auf die Leistung.
  • Vermeiden können Sie die Betriebliche Übung nur durch rechtzeitige Unterbrechung oder den ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit.
  • Eine Betriebliche Übung wieder abzuschaffen ist schwer. Entweder Ihre Mitarbeiter verzichten freiwillig oder Sie stellen jedem eine Änderungskündigung aus.

Sie wollen Ihren Mitarbeitern etwas Gutes tun und geben Heiligabend und Silvester ohne Urlaubsantrag frei? In diesem Jahr sind die Geschäfte gut gelaufen und Sie können eine Prämie auszahlen? Dann sollten Sie wissen: Diese und andere Vergünstigungen können zur Pflicht werden. Das Phänomen nennt sich Betriebliche Übung.

Betriebliche Übung – Was ist das?

„Die Betriebliche Übung ist aus der Rechtsprechung entstanden“, erklärt Rechtsanwalt Henrik Thiel. „Ein Gesetz gibt es dazu nicht.“ Dahinter verbirgt sich eine Art Gewohnheitsrecht: Wenn der Arbeitgeber Vergünstigungen, die nicht im Arbeitsvertrag stehen, regelmäßig wiederholt, werden sie Teil des Arbeitsvertrages, ohne schriftlich fixiert werden zu müssen. „In der Regel gilt eine dreimalige Wiederholung als ausreichend“, so Thiel

Ein Beispiel: Ihre Geschäfte sind 2017 und 2018 überdurchschnittlich gut gelaufen, Ihre Mitarbeiter haben alles gegeben, um die Arbeit zu bewältigen. Sie haben sich Ihrer Meinung nach eine Prämie verdient. Auch 2019 war ein erfolgreiches Jahr. Wenn Sie jetzt erneut eine Prämie auszahlen, müssen Sie dies weiterhin tun, ganz egal, ob die Geschäfte gut oder schlecht laufen.

„Die Betriebliche Übung kann jeden Bereich betreffen, in dem der Arbeitgeber Vergünstigungen gewährt“, so Thiel. „In der Regel geht es aber meist um Gratifikationen, Prämien, Zulagen und Zuschüsse, deren Auszahlung nicht im Arbeitsvertrag festgelegt ist.“ Denkbar sind aber auch Regelungen wie die Gewährung freier Tage an Heiligabend oder Silvester, ohne dass dafür Urlaub eigereicht werden muss.

Wie kann ich der Falle Betriebliche Übung entgehen?

Eigentlich ist es ganz einfach, die Betriebliche Übung zu umschiffen: „Der Arbeitgeber muss deutlich erklären, dass es sich bei der Vergünstigung um eine freiwillige Leistung handelt, aus der kein Rechtsanspruch in der Zukunft entsteht“, sagt Thiel. Da Sie im Zweifel beweisen müssen, dass auch jeder Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt wurde, geht das am besten schriftlich – beispielsweise mit der entsprechenden Lohnabrechnung.

Die andere Möglichkeit ist, eine Vergünstigung nicht regelmäßig zu gewähren. Sie zahlen also 2017 und 2018 eine Jahresprämie, 2019 aber nicht. „Da ist allerdings die Frage, wie sich das auf den Betriebsfrieden auswirkt“, meint Rechtsanwalt Thiel.

Achtung: Früher war es möglich, die Betriebliche Übung abzuwenden, indem zum Beispiel Weihnachtsgeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt wurde. „Das ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nicht mehr so“, warnt Thiel.

Wie kann ich eine Betriebliche Übung beenden?

Wenn Sie erstmal die Verpflichtung einer Betrieblichen Übung am Hals haben, wird es schwierig. Weder ein Widerruf noch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat ändern die Situation. Es gebe lediglich zwei Möglichkeiten, die in der Praxis aber nur schwer umsetzbar seien, so Arbeitsrechtler Thiel.

  1. Der Arbeitnehmer verzichtet freiwillig auf die Vergünstigung.
  2. Sie sprechen jedem Mitarbeiter eine Änderungskündigung aus.

„Das Schwierige an der Situation ist, dass die Betriebliche Übung zwar dem gesamten Team gewährt wird, die Verpflichtung aber gegenüber jedem Einzelnen besteht und Teil des Arbeitsvertrages wird“, erklärt Henrik Thiel. Sie muss dabei nicht schriftlich festgehalten werden, selbst wenn im Arbeitsvertrag eine Klausel fordert, dass jede Änderung der Schriftform bedarf. Angesichts des Fachkräftemangels im Handwerk seien beide Möglichkeiten ohnehin nur schwer zu realisieren, gibt Thiel zu bedenken.

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