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Foto: handwerk.com

Sechsstelliger Schaden

Das Phantom der Abzocke

Der Schaden: sechsstellig. Der Methode: durchdacht und professionell. Ein kleiner Handwerksunternehmer ist auf eine Abzocke mit internationalem Ausmaß hereingefallen. Ein Phantombild zeigt einen der Täter.

Der kleine Ort Laer sei normalerweise „keine Brutstätte des Verbrechens“, sagt Rudi Cerne. Nach Darstellung des ZDF-Moderators haben sich „hochprofessionelle Gangster“ ausgerechnet „diesen Flecken“ im Münsterland (Westfalen) für eine „abgezockte Sache“ ausgesucht. Es geht um Betrug, Unternehmen in ganz Europa sind betroffen.

Im Mittelpunkt des Beitrags, der jetzt von Aktenzeichen XY ausgestrahlt worden ist, steht der Trockenbauunternehmer Klaus H. Er sitzt in seinem Wohnzimmer, offenbar ist er krank, er inhaliert, im Hintergrund läuft Musik von Heino. Es kommt noch schlimmer.

Als es an der Haustür klingelt, öffnet der Handwerker einem aufgebrachten Geschäftsmann.
Der Besucher sagt: „Guten Tag, unsere Firma hat Ihnen 20.000 Edelstahlbleche geliefert.“
Klaus H: „Ich habe gar nichts bestellt.“
Besucher: „Hier die ist Rechnung, die war fällig am 10. des Monats.“
Klaus H. (sieht auf die Rechnung): „60.000 Euro? Sie spinnen wohl!“

Der Mann spinnt nicht. Die Bleche wurden tatsächlich in H.‘s Namen bestellt und ordnungsgemäß angeliefert – ohne das Wissen des Handwerksunternehmers. Insgesamt geht es um einen Schaden von mehr als 600.000 Euro.

Nächste Seite: Diese Abzocke ist extrem durchdacht.

Kontakt über seriöse Unternehmensbörse

In der nächsten XY-Szene sitzt H. sitzt auf dem Polizeirevier, gegen ihn wurde Strafanzeige gestellt. Er sagt: „Ich bin kein Betrüger, ich bin ein ehrlicher Handwerker.“

Um den Schlamassel zu verstehen, ist ein kurzer Sprung in das Jahr 2012 notwendig. H. will seine Firma verkaufen, seine „Gesundheit macht nicht mehr mit“. Im Internet inseriert er in der Unternehmensbörse next change. Das Portal ist seriös. Betreiber ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die großen Wirtschaftsverbände und das Bundeswirtschaftsministerium unterstützen das Projekt.

H. erhält eine E-Mail von einem Interessenten, der sich Dirk Bender nennt. Er „ruft den Typen“ an. Der Mann hinterlässt bei H. einen guten Eindruck – und einige Vorschläge zur Abwicklung des Firmenverkaufs. H. soll den Firmenzweck mit Satzungsänderung im Handelsregister erweitern: „Metallkonstruktion für Solarsysteme“ und „Handel mit Metall und Baustoffen“. Zudem soll der Trockenbauer für Bender ein Büro anmieten. H. ist damit einverstanden, weil der der künftige Chef die Firma ja „schlecht von meinem Wohnzimmer aus" leiten kann.

Der Kripobeamte, der H. befragt, stellt ihm eine gute Frage: „Und Sie wurden nicht misstrauisch?“

Der neue Chef übernimmt „großzügig“ alle Kosten – lesen Sie die nächste Seite.

Betrüger fährt in S-Klasse vor

Die Anmietung des neuen Büros wickelt eine Maklerin für H. ab. Zum Besichtigungstermin schickt Dirk Bender seinen angeblichen Bruder Alexander. Begründung: „Ich bin Dialyse-Patient und sitze im Rollstuhl.“

Der „Bruder“ fährt in einer schicken S-Klasse vor. Die Büros gefallen ihm, zumal auf dem Gelände des Gebäudes reichlich Platz ist. Er handele mit Rohstoffen, die Lieferanten müssen „das Zeug ja irgendwo abliefern können“.

Dirk Bender bezahlt die Maklergebühr, die Mieten, die Mietkaution und alle Auslagen. H. erhält via Überweisung einen größeren Geldbetrag. Der Kripobeamte öffnet dem Handwerker allerdings die Augen: „Dieses Geld wurde in Köln bar eingezahlt.“ Was H. für Benders Kontonummer hielt, war ein Verrechnungskonto der Bank. Rückschlüsse auf den Einzahler? Nicht möglich!

Weil H. noch Eigentümer der Firma ist, unterschreibt er den Mietvertrag. Die Maklergebühr erhält die Maklerin nicht per Überweisung, Alexander Bender hinterlegt das Geld in der Tankstelle neben dem Büro.

Auch schön: H. hat eine Internetseite, von der er nichts weiß – lesen Sie die nächste Seite.

Ahnunglose LKW-Fahrer liefern an

Noch ein launiger Dialog:

Der Kripobeamte: „Haben Sie eigentlich eine Internetseite?“
Klaus H.: „Nein, nie gehabt.“
Der Kripobeamte: „Doch, doch, sehen sie mal.“

Der Polizist zeigt H. zu dessen völligen Erstaunen den Internetauftritt seines Unternehmens. Über die Seite haben die Gebrüder Bender im In- und Ausland Material bestellt, unter anderem in Schweden, Belgien, Ungarn, Slowenien und Spanien.

Speditionsfahrer haben munter angeliefert. Und eine ahnungslose Mitarbeiterin der benachbarten Tankstelle hat die Gebrüder Bender freundlicherweise angerufen, wenn mal wieder ein LKW auf dem Hof stand. Dann kam jeweils ein zweiter LKW, die Bleche wurden umgeladen. Der Gabelstapler dafür war geliehen und ist nie bezahlt worden. Dirk und Alexander Bender ließen sich laut Kriminalpolizei Steinfurt von 7 metallverarbeitenden Firmen LKW-Ladungen mit „Edelstahlblechen und Aluminiumbutzen“ schicken.

Nächste Seite: Wer zahlt die Rechnungen? Es geht um mehr als 600.000 Euro.

Phantombild: "Unterstützen Sie uns bei der Fahndung"

Die Polizei fahndet bereits seit November 2012 nach den Gangstern. Durch den Aktenzeichen-Beitrag ist der Fall jetzt wieder ins Rollen gekommen. „Nach der XY-Sendung sind hier insgesamt 46 Hinweise eingegangen“, sagt der Pressesprecher der Polizei in Steinfurt, Reiner Schöttler. Konkrete Fahndungsergebnisse kann er nicht vorweisen, die Ermittlungen dauern an.

H. sagt im XY-Beitrag: „Und ich sitze jetzt auf den Rechnungen.“ Der Mann lässt sich anwaltlich beraten, was auf ihn zukommt, ist noch unklar. Dass auch international agierende Stahlproduzenten auf die Brüder Bender hereingefallen sind, zeigt den Ermittlern, wie professionell die Stahlräuber vorgegangen sind.

Die Zutaten für das Betrugsrezept: Positive Bonitätsauskünfte, eine seriös wirkende Internetseite, unverdächtige Einträge im Handelsregister, Korrespondenz im besten Wirtschaftsenglisch. Zudem hat ein Callcenter alle Anrufe entgegengenommen, die Geschäftspartner dachten, sie würden mit Mitarbeitern einer real existierenden Firma reden. Aktenzeichen XY-Moderator Rudi Cerne spricht von einem „außerordentlichen Fall von Wirtschaftskriminalität“.

In einer E-Mail an handwerk.com schreibt Polizeisprecher Schöttler: „Ich hoffe, Sie können uns bei der Fahndung nach den Tätern unterstützen.“ Ein Phantombild zeigt den Mann, der sich Alexander Bender nennt. Zu diesem Bild fragt die Polizei: „Wer kennt die darauf abgebildete Person?“ Und: „Wer kann Angaben zu ähnlichen Taten machen?“ Die Telefonnummer der Kreispolizeibehörde Steinfurt lautet 02571/928-4455.

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(sfk)

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