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Doch keine Stütze vom Staat?

In einer Nacht- und Nebelaktion hat der Bundestag die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige gekappt. Lesen Sie, wer dennoch auf Versicherungsschutz hoffen darf.

von Jörg Wiebking

Das Ende kam schnell, leise und überraschend. Genau vier Monate lang konnten sich Selbstständige freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern. Nun hat die Regierungskoalition den Geldhahn zugedreht binnen zwei Tagen und ohne jede Vorwarnung: Betroffen sind alle, die schon länger selbstständig sind. Bisher sah das Gesetz vor, dass neue Existenzgründer den Antrag spätestens einen Monat nach der Gründung einreichen müssen. Wer hingegen schon vor dem 1. Februar selbstständig war, sollte dafür bis Ende 2006 Zeit haben. Doch diese Regelung hat der Bundestag nun auf jene begrenzt, die sich nach dem 31. Dezember 2003 selbstständig gemacht haben. Benachteiligt werden davon alle, die sich mit dem Antrag noch Zeit lassen wollten.

Arbeitsagentur hat keinen Plan

Zu den Leidtragenden zählt Manfred Deeth (51) aus Vogelsang. Wer sich erst gründlicher informieren wollte, wird jetzt bestraft, klagt der Ingenieur, der sich auf Elektroinstallationen und Sicherheitstechnik spezialisiert hat. Deeth war zwar schon Mitte Mai bei der Arbeitsagentur, um sich zu informieren. Aber da wusste keiner richtig Bescheid. Eigentlich wollte der Unternehmer nur wissen, was für Auflagen er zu erfüllen hätte, falls er sich einmal arbeitslos melden würde. Mir ging es um die Frage, ob ich dann mein Gewerbe abmelden müsste. Das wäre ein riesiger Aufwand: erst abmelden und dann vielleicht wieder anmelden, falls sich die Auftragslage bessert. Das konnte ihm niemand beantworten. Also zog Deeth wieder ab um sich anderweitig zu informieren. Dass der Zug für ihn nun abgefahren sein soll, ärgert den Ingenieur. Die haben wohl gemerkt haben, wie gut Selbstständige bei dem Angebot abschneiden und wollten das abstellen.

Wer sich jetzt noch versichern kann

Aktuelle Zahlen, wie stark die Nachfrage bisher tatsächlich war, liegen bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg nicht vor. Wir haben bisher nur die Zahlen für Februar und März. In dieser Zeit wurden 12159 Anträge bewilligt, sagt ein Sprecher. Davon seien rund 80 Prozent Alt-Selbstständige. Deren Versicherungsschutz bleibe auch nach der Gesetzesänderung bestehen.

Keine Probleme dürften auch jene Alt-Selbstständigen haben, die den Antrag bis zum 31. Mai gestellt hatten, dem Tag vor der Gesetzesänderung. Wenn die Voraussetzungen für die Versicherung erfüllt sind, beginnt der Schutz mit dem Tag des Antrags, erläutert Bettina Schmidt, Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht aus Bonn. Auch wer trotz der abgelaufenen Frist in die Versicherung will, könne sein Glück noch versuchen: Man könnte einen Antrag stellen und sich auf Vertrauensschutz berufen, weil man davon ausgehen musste, dass man den Antrag bis Ende 2006 stellen darf. Lehnt die Arbeitsagentur ab, dann sollte man gemeinsam mit einem Fachanwalt für Sozialrecht prüfen, ob sich der Antrag gerichtlich durchsetzen lässt.

Abzuwarten bliebe zudem, ob ein Betroffener vor das Bundesverfassungsgericht zieht, da es sich um eine rückwirkende Gesetzesänderung handelt. Aber das kann Jahre dauern, ohne das sich sicher sagen ließe, ob etwas dabei heraus kommt, warnt die Rechtsanwältin. Manfred Deehn überlegt noch, ob er einen Antrag stellen soll oder nicht. Vielleicht ist es ja auch gut so, wie es gelaufen ist. Wenigstens habe ich nicht die Katze im Sack gekauft.

Infos über Kosten und Leistungen der Arbeitslosenversicherung finden Sie hier.

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