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02 Jul 2011, Sweden --- SONY DSC --- Image by © Bjˆrn AndrÈn/Matton Collection/Corbis

Inhaltsverzeichnis

Politik und Gesellschaft

Eines steht fest: Die Zukunft wird toll

Einem Zukunftsforscher eine konkrete Aussage zur Zukunft des Handwerks zu entlocken, ist keine einfache Aufgabe. Wir haben es trotzdem versucht – und seitdem bessere Laune.

Auf einen Blick:

  • Trendforscher Mark Morrison glaubt nicht an den Untergang des „menschlich geprägten Handwerks“

  • Die positiven Folgen der Automatisierung laut Morrison: Mehr Zeit für neue Bereiche und Dienstleistungen

  • Sein Ausblick: „Einzigartigkeit, regionale Werkstoffe und hohe Qualität“ werden sich gegenüber dem „IKEA-Allerlei“ behaupten

  • Die Voraussetzung: Neue Kompetenzen müssen das ursprüngliche Wesen des Handwerks weiter verändern

Das Zukunftsinstitut beschreibt sich selbst "als einen der einflussreichsten Think Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung". Der Medien- und Sozialwissenschaftler Mark Morrison ist Berater und Trendforscher in der Denkfabrik.

Wie bleibt ein Handwerker zukunftsfähig?

Herr Morrison, wie sehen Sie und Ihre Kollegen eigentlich in die Zukunft? Drehen Sie Trends ins Extreme?

Morrison: Nein, Extreme sind keine guten Begleiter. Am Zukunftsinstitut arbeiten wir mit einem System von 12 Megatrends, die miteinander für gesellschaftlichen Wandel zuständig sind. Und da gibt es große Entwicklungskonstanten, die sich über mehrere Jahrzehnte entfalten. Wir nennen Sie „Lawinen in Zeitlupe“.

Das klingt jetzt nicht so, als wenn man Ihnen sonderlich konkrete Fragen stellen könnte. Hier kommt trotzdem eine: Welche Handwerksberufe wird es in 20 Jahren nicht mehr geben?

Morrison: Zukunft ist immer ein Gestaltungsraum, der sich zumindest skizzieren lässt. Ein Beispiel: Wenn ich das aktuelle Bedürfnis nach Vernetzung mit dem Gedanken kombiniere, dass ich ein Produkt nicht unbedingt besitzen muss, sondern teilen kann, bin ich schnell bei einem großen Markt: dem Sharing. Wenn ich dann den Megatrend Mobilität hinzuziehe, lande ich beim Car-Sharing. Dann füge ich den Megatrend der Urbanisierung hinzu, denke über die Stauproblematik in den Städten nach …

… und schließe daraus, dass die Kfz-Branche zu den aussterbenden Arten gehören wird?

Morrison: Nein, es ist kaum beantwortbar, welche Handwerksberufe es nicht mehr geben wird. Aber Sie könnten Ihre Frage umformulieren und dadurch einen Perspektivwechsel vornehmen: Sie könnten fragen, was für einen Handwerker nötig sein wird, damit er zukunftsfähig bleibt.

Ein Schlüsselbegriff: Kompetenzerweiterung

Was wird denn nötig sein?

Morrison: Kompetenzerweiterung. Das ursprüngliche Wesen eines Handwerkers wird sich weiter verändern, davon gehe ich aus. Nehmen wir das Beispiel eines Schreiners, der schon heute nicht nur Schrankwände auf Maß produziert und das fachliche Know-how hat, sondern auch als Berater und Raumplaner agiert, ein stimmiges Raumkonzept als eine Art „Wohnraum-Kurator“ umsetzen kann und auf die individuellen Bedürfnisse von Kunden eingeht. Damit hat er seine Ursprungsfähigkeiten erweitert.

Bei der zunehmenden Automatisierung ließe sich allerdings prognostizieren, dass – bleiben wir beim Beispiel des Tischlers – weniger Fähigkeiten nötig sein werden.

Morrison: Inwiefern?

Weil ihm die Automatisierung Arbeiten abnimmt.

Morrison: Das ist ein Gedanke, der in seiner extremen Ausprägung auf technologischen Hollywood-Phantasien basiert: die selbstlebende Schreinerwerkstatt. Da negieren Sie jede Kreativität oder die Beratungsleistung. Möglicherweise wird anders herum ein Schuh daraus: Die Automatisierung wird mehr Zeit für neue Bereiche und Dienstleistungen zulassen. Ich kann intelligentere Maschinen einsetzen, Zeit für Kreativität gewinnen und in eine intelligentere Dimension eintreten. Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet ein Werk mit Händen zu erschaffen. Hier beobachten wir vor allem in Großstädten, dass dem Handwerk im klassischen Sinne von Kunden ein immer höherer Wert beigemessen wird. Zugespitzt: Einzigartigkeit, regionale Werkstoffe und hohe Qualität schlagen das IKEA-Allerlei.

Mehr Freiraum durch Automatisierung

Denken Sie immer so positiv?

Morrison: Kritisch-optimistisch ist unsere Perspektive am Zukunftsinstitut. Wir haben nicht die rosarote Brille auf. Wir sehen natürlich die technologischen Veränderungen, aber der Gedanke, dass Automatisierung sofort dazu führt, dass Berufe und Branchen wegfallen werden, ist auch nur eine übersteigerte Mär, die gerne erzählt wird.

Für das Haus, das aus dem 3D-Drucker flutscht, benötige ich einen kreativen Geist, der den 3D-Drucker bedient?

Morrison: Ja, wenn man sich da die ersten Prototypen ansieht, darin möchte man nicht wohnen. Und warum sollten wir das zutiefst Menschliche negieren, die Empathiefähigkeit, die Kreativität? Noch einmal: Ein Handwerker könnte durch Automatisierungsprozesse mehr Freiraum gewinnen. Und viele Fähigkeiten, die rein wiederholend sind oder eine extrem hohe Präzision verlangen, können einfach besser durch Maschinen durchgeführt werden. Einen modernen Computerchip kann kein Mensch zusammenbauen, da sind Maschinen uns einfach überlegen.

„Die Menschen wollen wieder echte Berührung“

Gut, aber da stellt sich die Frage, wie ein Arbeitsplatz aussehen muss, damit sich der Fachkräftemangel im Handwerk nicht weiter verschärft.

Morrison: Das ist ein großes Generationenthema. Die Ansprüche vieler junger Menschen an ihre beruflichen Tätigkeiten enthalten Werte, die Berufe derzeit kaum bieten. Wer sich von Themen wie Digitalisierung oder auch Nachhaltigkeit abkapseln wird, bleibt da außen vor. Denn diese Themen berühren die junge Generation – und somit auch die Zukunft des Handwerks.

Aber ist die Digitalisierung nicht auch eine Gefahr, die in einer Abhängigkeit münden kann? Nur mal angenommen, ein Auftragsportal wäre ähnlich erfolgreich wie Facebook, und Kunden gäbe es nur noch über dieses eine Angebot im Netz.

Morrison: Wir beobachten, dass Menschen wieder vermehrt echte Resonanz und echte Berührung wollen. Es gibt diese Sehnsucht. Die Distanz und Entfremdung und die reine Fokussierung auf den günstigsten Preis, die von den Internetplattformen getrieben wird, ist nicht festgeschrieben. Viele Arbeiten kann man nicht über eine einzige Plattform abbilden, ein vielschichtiges individuelles Wohnkonzept ist dafür viel zu komplex. Und natürlich kann Virtual Reality auf der Homepage eines Tischlers als eine sinnvolle Ergänzung funktionieren, doch nur als Ergänzung.

„Untergang des Handwerks nicht meine Vision“

Es geht um das „sowohl-als-auch“?

Morrison: Ja, es geht darum, sowohl das Reale, als auch das Digitale intelligent miteinander zu kombinieren. Wir stecken im gesamten Konstrukt der Digitalisierung in den Kinderschuhen, wir testen uns gerade so durch den Spielwarenladen. Das kennen Sie bestimmt auch im Journalismus. Stichwort: automatisiert erstellte Pressemeldungen.

Es gibt beispielsweise das google-basierte Schreiben, das Verlage fordern, weil Suchmaschinen bestimmte Überschriften besser bewerten als andere. Mittlerweile werden Journalisten danach geschult.

Morrison: Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Abhängigkeiten der Weisheit letzter Schluss sind. Die Gesellschaft entwickelt sich immer zu einer höheren Komplexität. Und die können sie nicht umgehen, indem sie alles vereinfachen und Abhängigkeiten konstruieren. Die Sprache ist da ähnlich seelenhaft wie handwerkliche Produkte es sind. Der Mythos vom Untergang des menschlich geprägten Handwerks, in welcher Branche auch immer, ist jedenfalls keine Vision, die wir am Zukunftsinstitut teilen.

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