"Damit verdienen wir kein Geld!"
Meike Morschöck und Ingrid Schneider
Gebühren an die GEMA – muss das wirklich sein? Eine Frage, die sich viele Handwerker stellen, zum Beispiel Meike Morschöck und Ingrid Schneider. Ihren Salon „Schnittstelle“ in Oldenburg haben die beiden 2013 eröffnet. Die GEMA war für sie kein Thema – bis vor drei Monaten. Da stand plötzlich ein GEMA-Mitarbeiter im Salon, sah sich um, stellte ein paar Fragen und verschwand wieder. Kurz danach bekamen sie Post: Weil in ihrem Salon ein Radio läuft, sollen die Handwerkerinnen nun an die GEMA zahlen.
Das wollen die beiden nicht so einfach hinnehmen. „Das ist reine Hintergrundmusik, meistens können die Kunden das nicht einmal hören, wenn hier unsere Geräte laufen“, sagt Morschöck. „Die Kunden kommen doch nicht zum Radiohören zu uns. Damit verdienen wir kein Geld“, ergänzt Schneider. Die Argumente der Friseurinnen sind nicht wirklich neu. Schon viele Handwerker wollten auf diesem Weg der GEMA-Pflicht entkommen – bisher erfolglos.
Zwei Entscheidungen ändern die Lage
Hoffnung macht den beiden Friseurinnen nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hat entschieden, dass ein Zahnarzt keine GEMA-Gebühren zahlen muss, wenn in seinem Wartezimmer das Radio läuft (Urteil vom 18. Juni 2015, Az. I ZR 14/14).
Der BGH hat sich dabei an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Az. C-135/10) orientiert. Der hatte 2012 in einem ähnlichen Fall definiert, wann es sich um eine vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe handelt. Das sei nur der Fall, wenn sie „Erwerbszwecken“ dient und die Öffentlichkeit aus einer „unbestimmten Zahl“ potenzieller Zuhörer besteht, die nicht „bloß zufällig“ zuhören. Beim Zahnarzt hingegen sei der Kundenkreis überschaubar, namentlich bekannt und die Kunden kämen nicht wegen der Musik.
Morschöck und Schneider sehen viele Parallelen zu ihrer Situation. Das haben sie auch der GEMA geschrieben. Doch die blieb hart: Das BGH-Urteil gelte nur für Zahnärzte und sei nicht übertragbar.
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GEMA-Gebühren – was sagen Juristen zum neuen Urteil?
Die Meinungen unter Juristen sind geteilt. Einige sind skeptisch, ob der BGH im Falle eines Friseurs oder eines Kfz-Betriebs ähnlich entscheiden würde.
Andere sehen das differenzierter. „Nach einer ersten Einschätzung ist dieses Urteil auch auf Handwerksbetriebe, wie beispielsweise Friseursalons, zu übertragen“, sagt zum Beispiel Rechtsanwalt Christian Solmecke, Experte für Urheberrecht aus Köln. „Anders wäre der Fall allerdings, wenn es sich um einen hippen Friseurladen handelt, bei dem die Musik zum Gesamtkonzept gehört.“ Oder um Betriebe mit einer unüberschaubaren Zahl anonymer Kunden.
Auch Hennig Hillers, Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht aus Oldenburg, sieht Chancen für Handwerker. Entscheidend dürfte nach seiner Einschätzung sein, inwieweit die Kunden mit dem Unternehmer in einer persönlichen Beziehung stehen. „Nach der EuGH-Rechtsprechung kann diese persönliche Beziehung auch in einem Kundenverhältnis bestehen. Unklar ist allerdings, wie eng dieses Kundenverhältnis sein muss.“ Hillers rechnet damit, dass die GEMA in Musterprozessen in verschiedenen Branchen klären lässt, wann es sich um eine „öffentliche“ Wiedergabe handelt.
So ein Musterprozess bedeutet allerdings ein Risiko: Ein Rechtsstreit mit der Gema, durch mehrere Instanzen, über mehrere Jahre – welcher Handwerker kann sich das leisten? Doch für dieses Problem hätten Meike Morschöck und Ingrid Schneider eine Lösung: „Wenn sich möglichst viele Gema-pflichtige Friseure zusammentun, könnten wir den Prozess gemeinsam finanzieren“, sagt Schneider. Und Morschöck ergänzt: „Es kann doch nicht sein, dass wir Kleinen immer nur zur Kasse gebeten werden, ohne uns zu wehren.“
Kontakt: Interessierte Friseure erreichen Meike Morschöck und Ingrid Schneider per E-Mail unter schnittstelle.ofenerdiek@ewe.net
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(jw)