Ein Anruf von der Hotline. Ein freundlicher junger Mann erklärt Michael Fritz Hartmann, dass er seinen ISDN-Anschluss auf IP-Telefonie umstellen sollte (Anm. der Redaktion: darunter versteht man das Telefonieren über das Internet mit dem normalen Festnetztelefon). "Der Mann sagte mir, dass ich das bis nächstes Jahr sowieso tun müsste und dass mir keine zusätzlichen Kosten entstehen würden", erinnert sich der geprüfte Bestatter vom Handwerk und sagte zu. Als Geschäftskunde forderte er gleich auch einen Techniker an, der ihm bei der Umstellung zur Hand gehen sollte. "Schließlich habe ich da einmal im Jahr Anspruch drauf", sagt der Unternehmer.
Dann kam der Tag der Umstellung und damit auch die ersten Probleme. Denn der Techniker kam nicht. Und die Umstellung gelang nur, “weil unser EDV-Fachmann mich bei der Umstellung unterstützt hat”. Seitdem erlebt der Unternehmer immer wieder, dass die IP-Telefonie gestört ist. Kunden wie Privatleute mit einem Sterbefall in der Familie oder auch die Polizei - Hartmann kümmert sich in Oldenburg auch viel um Todesfälle in Folge von Verkehrsunfällen - bekommen dann von einer freundlichen Amtsstimme zu hören: “Diese Rufnummer ist nicht mehr vergeben.”
“Das ist für uns absolut geschäftsschädigend”, ärgert sich der Unternehmer und ergänzt: “Glauben Sie etwa, dass Menschen, die bei uns anrufen, die Zeit und die Muße haben, darauf zu warten, dass unser Telefon wieder funktioniert - noch dazu bei der Ansage? Die sind weg, bei einem Kollegen. Und ich kann ihnen das noch nicht mal verdenken!”
Wie groß der Geschäftsausfall ist? “Das kann ich natürlich nicht konkret benennen, weil ich ja nicht genau wissen kann, wie viele Menschen in der Zeit der Ausfälle bei uns angerufen haben”, sagt Hartmann. Er ist sich aber, genauso wie sein Mitarbeiter Christopher Minke, sicher, “dass wir in den zurückliegenden vier Wochen deutlich weniger Beerdigungen hatten als sonst.”
Vergebliche Anrufe bei der Hotline und eine Zeitungsanzeige. Wie der Bestatter sich vorerst geholfen hat, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Stunden in der Warteschleife - vergebens
“Im Moment sind alle unsere Kundenberater im Gespräch. Bitte warten Sie …” Diesen Ausspruch, der Wartende in der Service-Hotline der Telekom bei der Stange halten soll, können Hartmann und Minke nicht mehr hören. Beide haben fünf oder sechs Mal versucht, über diesen Weg Hilfe anzufordern. Vergebens. “Wir sind immer wieder nach einer halben Stunde aus der Leitung geschmissen worden”, ärgert sich Hartmann. Als die Bestatter dann doch einmal Erfolg hatten, wurde ihnen versprochen, dass sich jemand um den Fall kümmert. "Sogar ein Techniker sollte vorbeikommen”, sagt Mitarbeiter Minke. Doch nichts passierte.
Nachdem sich Kunden, die bei dem Bestatter durchkamen, zum Teil massiv über die schlechte Erreichbarkeit beschwert hatten, handelte der Handwerksunternehmer: “Wir haben einen auf Kommunikationstechnik spezialisierten Handwerksbetrieb hier vor Ort beauftragt, den Anschluss wieder zu einem ISDN-Anschluss zurückzubauen. Parallel haben wir eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Darin haben wir darauf hingewiesen, dass unser Telefon gestört ist und dass wir derzeit nur übers Mobiltelefon zu erreichen sind.”
Riesige Resonanz
Womit Hartmann nicht gerechnet hatte: “Am nächsten Tag stand unser Telefon nicht mehr still. Viele Kunden und auch ganz Fremde haben uns von genau den gleichen Problemen mit ihren eigenen IP-Anschlüssen erzählt. Darunter auch ein Tierarzt und ein Rechtsanwalt, also auch Telekom-Kunden bei denen es ums Geschäft geht.”
Warum der Unternehmer der Telekom jetzt auch noch eine Rechnung bezahlen soll, lesen Sie auf Seite 3.
69,95 Euro für die Rückumstellung
“Nachdem der von uns beauftragte Dienstleister inzwischen unseren Anschluss wieder auf ISDN umgestellt hat, haben wir von der Telekom eine Rechnung bekommen: 69,95 Euro sollen wir für die Rückumstellung zahlen”, erzählt Hartmann weiter.
Die sei zwar inzwischen schon wieder storniert worden, doch dem Bestatter ist der Kragen schon vorher geplatzt. “Ich habe die ganze Geschichte unserem Anwalt übergeben”, sagt der Handwerksunternehmer. Ihm geht es um die Erstattung der Unkosten bei der Telekom - und vor allem darum, dass “unsere Kunden uns endlich wieder zuverlässig erreichen können".
Kein Einzelfall
Mit seinem gestörten IP-Telefon ist Hartmann kein Einzelfall. So berichtet zum Beispiel das IT-Fachportal heise.de über anhaltende und massive Störungen bei der IP-Telefonie im gesamten Bundesgebiet. Immer wieder treten dem Nachrichtendienst zufolge großflächige Störungen auf, bei denen die Kunden “stundenlang im Festnetz nicht erreichbar” seien.
Auch der NDR hat das Thema aufgegriffen. Unter der Schlagzeile Kein Telefon, kein Internet - kein Notruf berichtet der Sender, dass allein im Landkreis Göttingen die Netze im August an elf Tagen in hunderten Haushalten ausfielen.
Und was sagt die Telekom? Das lesen Sie auf der letzten Seite.
Die gute Nachricht zum Schluss
Natürlich haben wir auch die Telekom zum Thema befragt. Unsere Presseanfrage erreichte den Telekommunikationskonzern sowohl per Mail als auch über eine eigens für konkrete Anschlussstörungen eingerichtete Presseseite im Internet. Über die können Journalisten Fragen zu konkreten Fällen wie die von Bestatter Hartmann stellen.
Reagiert hat die Telekom unmittelbar vor der Veröffentlichung dieses Textes: Nach Angaben von Dr. Markus Jodl, Leiter Kommunikation Infrastrukturausbau bei der Deutschen Telekom, funktionieren sowohl der Anschluss von Bestatter Hartmann als auch die IP-Telefonie wieder problemlos. "Wir bedauern die Unannehmlichkeiten für den Kunden", schreibt Jodl und ergänzt: "Natürlich kann Herr Hartmann entstandenen Schaden melden. Wir prüfen dann den Fall."
Weiter räumt Jodl ein, dass es "Ende August phasenweise Beeinträchtigungen bei einem Teil unserer Festnetz-IP-Telefonie-Kunden" gekommen ist. "Internet und Fernsehen liefen immer stabil und belegen, dass wir kein grundsätzliches IP-Problem haben."
Mittlerweile habe die Telekom zusammen mit ihrem Systemanbieter Ericsson auch die "Fehlerquelle auf der VoIP-Plattform erkannt" (VoIP steht für Voice over IP, zu deutsch: Sprache über Internet-Protokoll). "Kommunikationsprobleme zwischen einzelnen Komponenten unseres VoIP-System" hätten dazu geführt, dass bei Kunden die Router nicht mehr richtig erkannt wurden. "Dadurch konnte der Kunde in diesem Moment nicht mehr telefonieren", erklärt der Kommunikationsspezialist. Neue Software hat nach Jodls Worten nun für Abhilfe gesorgt.
Parallel dazu läuft nach Angaben der Telekom weiter eine umfassender Fehleranalyse mit den Herstellern. Ziel sei es, "weitere Optimierungspotenziale zu erkennen und ins System einzubringen".
Sollten einzelne Anschlüsse immer noch gestört sein, so könnte es sich nach Jodls Worten um eine Folge der Beeinträchtigung des VoIP-Service handeln. Als sehr erfolgreich habe sich hier in der Vergangenheit die Maßnahme gezeigt, den Router für zwei Minuten vom Strom zu trennen. Sollte dies nicht helfen, so bittet Jodl Kunden, sich "bei unserem Service zu melden. Wir helfen dann im Einzelfall sehr gerne weiter." (Kundenservice 0800 330 1000, Stichwort "IP Störung" oder hilfe.telekom.de)
Keine Alternative
Dass es zur IP-Technologie keine Alternative gibt, stellt Jodl ebenfalls klar: "Wir brauchen den Umstieg auf IP. Die bisher eingesetzte Technik und die Vielzahl von Plattformen, die historisch gewachsen sind, werden den Ansprüchen einer digitalen Gesellschaft in zunehmendem Maße nicht mehr gerecht. Es wäre fahrlässig, davor die Augen zu verschließen. Das wird die Telekom nicht tun. Deshalb bauen wir ein neues, ein IP-basiertes Netz", schreibt Jodl.
Und ist bei Ihnen alles im Lot?
Wie sind Ihre Erfahrungen? Wurde Ihr Anschluss bereits auf IP-Technologie umgestellt oder haben Sie die Umstellung bisher abgelehnt? Wir sind auf Ihre Erfahrungen gespannt und wollen das Thema weiter verfolgen. Wenn Sie immer noch von Problemen betroffen sind, schreiben Sie mir. Sie erreichen mich in der Redaktion in Hannover per Mail an hamacher@handwerk.com.
(ha)
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