Steuerbescheid ohne Prüfungsvorbehalt? Tauchen neue Tatsachen auf, kann das Finanzamt den Bescheid ändern.
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Steuern

Gespräch mit Finanzamt ersetzt nicht den Steuerberater

Teurer Plausch: Diese Unternehmerin hat die Änderung ihrer Steuerbescheide kalt erwischt – weil sie vermeintlich alles mit dem Fiskus besprochen hatte.

  • Es gibt viele Gründe, aus denen das Finanzamt nachträglich den Steuerbescheid ändern kann.
  • Passieren kann das sogar dann, wenn ein Unternehmer vor der Abgabe seine Steuererklärung mit Finanzbeamten bespricht und der Bescheid ohne Prüfungsvorbehalt erlassen wird.
  • In einem aktuellen Fall hatte eine Unternehmerin ein solches Gespräch, wähnte sich auf der sicheren Seite und war von der späteren Betriebsprüfung überrascht: Sie hatte Entnahmen für die private Nutzung von Firmenwagen und Telefon in der Steuererklärung vergessen.
  • Das Gericht entschied eindeutig: Es war nicht Sache der Finanzbeamten, solche Fragen im Gespräch mit der Frau zu prüfen oder sie darauf hinzuweisen.
  • Der Fall: Unternehmerin spricht mit dem Fiskus

    Das Finanzamt führte bei einer Unternehmerin eine Betriebsprüfung durch. Dabei fielen den Prüfern unter anderem Privatentnahmen auf, welche die Frau in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für mehrere Jahre nicht angegeben hatte: Sie hatte den privaten Nutzungsanteil der Telefon- und Internetverbindung nicht berücksichtigt und die private Nutzung des Firmenwagens nicht nach der 1-Prozent-Methode versteuert.

    Für die Unternehmerin kamen die Steuernachforderungen jedoch überraschend: Sie hatte ihre Unterlagen persönlich beim Finanzamt abgegeben und dort mit zwei Sachbearbeiterinnen gesprochen. Nach diesen Gesprächen hatte das Finanzamt die Steuerbescheide für die beiden Jahre ohne einen Vorbehalt der Nachprüfung erlassen.

    Daher sei das Finanzamt selbst für die steuerrechtlichen Fehler verantwortlich, meinte die Unternehmerin: Denn in den Gesprächen mit den Sachbearbeiterinnen habe sie auch die Anschaffung eines Firmenwagens thematisiert und ebenso die Tatsache, dass sie ihren Betrieb von zuhause führt und von dort telefoniert. Dass sich daraus steuerrechtliche Folgen ergeben, sei ihr nicht bewusst gewesen und sie sei auch nicht darauf hingewiesen worden.

    Folglich hätten die Betriebsprüfer nach Einschätzung der Unternehmerin keine neuen Tatsachen ermittelt, die eine Änderung der Bescheide erlauben. Stattdessen hätten sie nur die bekannten Tatsachen steuerrechtlich neu bewertet. Das sei jedoch unzulässig, meinte sie.

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    Das Urteil: Finanzamt muss keine Aufklärungsarbeit leisten

    Das Finanzgericht Münster sah das anders: Das Finanzamt sei in diesem Fall zu Recht von neuen, steuererhöhenden Tatsachen ausgegangen, die den Beamten beim Erstellen des Steuerbescheids nicht bekannt waren. Folglich sei die Änderung der Steuerbescheide zulässig.

    In seiner Begründung machte das Gericht deutlich, warum sich Steuerzahler nicht einfach auf ein Gespräch mit dem Fiskus und einen Steuerbescheid ohne Prüfungsvorbehalt verlassen dürfen:

  • Eindeutigen Steuererklärungen müsse das Finanzamt nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen. Vielmehr dürfe es in der Regel von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Zu Ermittlungen sei das Finanzamt nur verpflichtet, „wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen“.
  • Aus den abgegebenen Einnahmen-Überschussrechnungen und Steuererklärungen sei nicht erkennbar, ob die Unternehmerin die private Pkw- und Telefonnutzung als Privatentnahmen berücksichtigt hat.
  • Das Finanzamt habe jedoch darauf vertrauen dürfen, dass sich die Unternehmerin steuerehrlich verhält und alle Betriebseinnahmen und Privatentnahmen vollständig erfasst. Auch einem steuerlichen Laien sei bewusst, dass er nicht alle tatsächlichen Kosten für einen Firmenwagen oder betriebliches Telefon vollständig steuermindernd geltend machen kann, wenn er beides auch privat benutzt. Daher habe das Finanzamt die Unternehmerin in dem Gespräch auch nicht über die steuerlichen Folgen der Privatnutzung aufklären müssen. (Urteil vom 23. August 2021, Az. 9 K 1968/20 E)
  • Hintergrund: Gründe für eine Änderung des Steuerbescheids

    Einen bestandskräftigen Steuerbescheid kann das Finanzamt nicht so einfach ändern. Bestandskräftig ist ein Steuerbescheid sofort, sofern der Steuerzahler nicht innerhalb eines Monats Einspruch einlegt.

    Änderungen sind danach nur aus den folgenden Gründen möglich:

  • Offensichtliche Unrichtigkeiten wie Schreib- der Rechenfehler zum Nachteil des Steuerzahlers (§ 129 Abgabenordnung).
  • Neue Tatsachen: Wenn dem Finanzamt nachträglich neue Tatsachen bekannt werden, ist eine Änderung ebenfalls möglich. (§ 173 Abgabenordnung). Als „neu“ gelten jedoch nur Tatsachen, die der Fiskus bei ordnungsgemäßer Ermittlung nicht hätte entdecken können (§ 88 Abgabenordnung).
  • Vorbehalt der Nachprüfung: Steht ein Steuerbescheid unter diesem Vorbehalt, kann das Finanzamt ihn bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ohne besondere Gründe ändern (§ 164 Abgabenordnung). Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, und bis zu zehn Jahre bei Steuerhinterziehung und beginnt mit Ablauf jenes Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde.
  • Vorläufigkeitsvermerk: Hat das Finanzamt eine Steuer vorläufig festgesetzt, ist eine Änderung ebenfalls möglich. Das ist zum Beispiel möglich, wenn es zu dem Thema ein laufendes Verfahren vor dem Bundesfinanzhof gibt. (§ 165 Abgabenordnung)
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