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Unternehmensbewertung

Was ist Ihr Betrieb wert?

Nachfolge. Scheidung. Erbschaftsstreit – drei Anlässe, eine Frage: Was ist mein Betrieb eigentlich wert? Handfeste Zahlen müssen her: objektiv und verhandelbar.

Manfred Hein bewertet Handwerksbetriebe. Am Anfang stellt er jedem Inhaber eine Frage: „Wie sind Ihre eigenen Preisvorstellungen?“ Kaum einer habe darauf eine Antwort. Hein wundert das nicht „Das fällt nicht so leicht“, sagt der Betriebsberater der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim.

„Oft geht es um das Lebenswerk, da ist viel Herzblut im Spiel.“ Zumal die Inhaber nicht nur die Stärken der Firma kennen, sondern auch deren versteckte Schwächen. Was soll man dafür ansetzen? Denn im Spiel ist auch eine Sorge: „Verlange ich zu viel, finde ich keinen Käufer. Verlange ich zu wenig, verkaufe ich unter Wert.“

Kein Bewertungsbonus von der Kammer
Also muss eine objektive Bewertung her. Hier kommen Manfred Hein und seine Kollegen in den Kammern ins Spiel. „Als Betriebsberater bewerten wir absolut neutral“, sagt der Berater. Also kein kleiner Bewertungsbonus von der Handwerkskammer für ihre Mitglieder? „Das machen wir nicht und davon hätte auch niemand etwas“, erklärt Hein.

Denn zum einem werden die Käufer als Betriebsnachfolger selbst zu Kammermitgliedern und müssten sich ebenso auf die Beratung verlassen können wie die Altinhaber. Zum anderen sind die Bewertungen der Kammern für ihre Neutralität und Transparenz bekannt. So bieten sie eine gute Verhandlungsgrundlage, ohne das teure und zeitaufwendige Spiel mit Gutachten und Gegengutachten.

Ein anerkanntes Verfahren
Das liegt auch am Bewertungsverfahren: Es heißt „AWH-Standard“ und wurde gemeinsam von der „Arbeitsgemeinschaft der Wertermittelnden Betriebsberater im Handwerk“ und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks entwickelt. Es berücksichtigt die Besonderheiten kleiner und mittlerer Handwerksbetriebe und wird auch von Banken respektiert.

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Welche Faktoren entscheiden über den Unternehmenswert?

„Das Verfahren zielt vor allem auf die Ertragskraft ab, also die zu erwartenden künftigen Erträge des Unternehmens“, erklärt Hein. Das sei die heute gängige Methode, um den Unternehmenswert zu bestimmen. Und so wird im AWH-Standard gerechnet:

Schritt 1 – der zu erwartende Gewinn:
Anhand der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) der letzten Jahre ermittelt Hein zunächst eine Erfolgsprognose, genauer: ein zu erwartendes durchschnittliches Betriebsergebnis für die Zukunft. Abzüglich kalkulatorischer Kosten etwa für Unternehmerlohn, Zinsen, Mieten und Abschreibungen kann er so den voraussichtlichen betriebswirtschaftlichen Gewinn ermitteln.

Schritt 2 – die Zuschläge für Risikofaktoren:
Allerdings gibt es Aspekte, die der erwartete Gewinn nicht abbildet, die Risikofaktoren. Wie stark ist der Betrieb zum Beispiel vom derzeitigen Inhaber abhängig? „Wenn Akquise und Kundenbeziehungen komplett vom Inhaber abhängen, dann kann der Nachfolger nicht erwarten, dass alles völlig reibungslos wie bisher weitergeht“, erklärt Hein. Die Folge: Ist die Abhängigkeit hoch, dann muss der Gewinn mit einem Risikoaufschlag nach unten korrigiert werden. Gleiches gilt auch für andere Faktoren, zum Beispiel den Zustand der Betriebsausstattung, die Abhängigkeit von wenigen Kunden und die zu erwartende Branchenentwicklung. All diese Risikofaktoren fließen in einen Kapitalisierungszinssatz ein.

Schritt 3 – der Ertragswert:
Gerechnet wird jetzt Unternehmenswert = (prognostizierter Gewinn/Kapitalisierungszinssatz) * 100. Damit entspricht der Unternehmenswert jener Summe, die der Nachfolger erzielen würde, wenn er den Kaufpreis nicht in den Betrieb investieren, sondern auf ein Bankguthaben einzahlen würde und dort die gleiche Verzinsung bekäme wie beim Kauf.

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Gute Gewinne sind kein Garant für einen hohen Wert

Die große Bedeutung der Ertragslage bereitet manchen Unternehmern unangenehme Überraschungen bei der Bewertung: „Gerade bei Einzelunternehmern steht vielleicht ein ganz guter Gewinn in der GuV“, berichtet Hein. „Aber nach Abzug der kalkulatorischen Kosten kann so ein Ergebnis schmelzen wie Butter in der Sonne.“ Kommen dann noch weitere Risikofaktoren hinzu, bleibe am Ende vielleicht nichts übrig.

Mindestwert: die Substanz
Und was ist mit der Unternehmenssubstanz? Also mit den Aktiva wie Maschinen, Fahrzeug und Material? Wichtig wird der Substanzwert im AWH-Verfahren nur bei einem sehr geringen Ertragswert. „Ist der Ertragswert kleiner als der Substanzwert, dann entspricht der Unternehmenswert dem Substanzwert.“

Umso wichtiger sei es, die Unternehmensbewertung nicht erst auf den letzten Drücker vorzunehmen. „Ideal ist ein Zeitpunkt drei bis fünf Jahre vor dem angestrebten Verkaufszeitpunkt“, sagt Hein. So bleibe noch Zeit, „die Braut hübsch zu machen“ – sprich: die Ertragslage zu verbessern.

Am Ende ist alles Verhandlungssache
Und wie dicht liegt der ermittelte Unternehmenswert in der Praxis am Verkaufspreis dran? „Nach unserer Erfahrung ist der von uns ermittelte Unternehmenswert in vielen Fällen für den Übergeber beziehungsweise den Übernehmer eine hilfreiche Orientierungsgröße“, sagt Hein. „Letztendlich ist es aber Verhandlungssache zwischen Käufer und Verkäufer.“

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Gute Erfahrungen mit dem AWH-Verfahren

Sehr gute Erfahrungen mit der Unternehmensbewertung nach dem AWH-Verfahren hat Jasper Böhm von der Tischlerei Freistil in Osnabrück gemacht. Der Tischlermeister und Holztechniker hat Anfang 2015 die Anteile von Mitinhaber Ernst-Otto Kroh übernommen. Seitdem lenkt er die Geschicke des 15-Mann-Betriebs gemeinsam mit dem zweiten Inhaber, Reinhard Kinstler.

Über den Kaufpreis haben Böhm und Kroh anhand der Unternehmensbewertung von Manfred Hein verhandelt. „Das Bewertungsergebnis hatte ein sehr großes Gewicht“, berichtet Böhm. „Wir hatten schon vor der Übernahme ein freundschaftliches Verhältnis. Da können Verhandlungen schwierig werden, weil man dann leicht in einen Interessenkonflikt gerät, wenn es um Geld geht.“ Nicht in diesem Fall:  Die neutrale Bewertung  habe „die Richtung der Preisverhandlungen“ vorgegeben. „Das war wirklich sehr hilfreich“, fasst der 36-Jährige zusammen.

Hilfreich sei die Unternehmensbewertung auch bei der Finanzierung der Übernahme gewesen, berichtet der Betriebswirt des Handwerks. Sowohl seine Hausbank wie auch die Förderbanken hätten sich auf die Bewertung verlassen. „Erst hieß es bei meiner Hausbank, dass sich jemand von der Förderbank vor einer Entscheidung wahrscheinlich den Betrieb ansehen werde.“ Dann legte Böhm die Bewertung der Kammer vor. „Zur Besichtigung ist dann keiner mehr gekommen.“


(jw)








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