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Teilzeitausbildung

Wenn der Azubi mittags geht

Ausbildung ist auch in Teilzeit möglich. Das bietet Chancen für Handwerksbetriebe und Auszubildende.

von Katharina Wolf

Fachkräftemangel ist in vielen Branchen ein Thema, auch beim Handwerk. Betriebe bilden deshalb aus und sorgen so für Nachwuchskräfte. Doch auch mancher Ausbildungsplatz ist schwer zu besetzen. Arbeitgeber müssen mehr auf Jugendliche zugehen und Neues probieren. Eine Möglichkeit ist die Teilzeitausbildung. „Wir hätten ohne diese Möglichkeit unsere Stellen nicht alle besetzt“, sagt Gesa Lüken-Hoppmann, Personalverantwortliche der Bäckerei Hoppmann in Ostfriesland. Der traditionsreiche Familienbetrieb bildet aus, und das seit Jahren auch in Teilzeit. Von den derzeit 33 Azubis sind sieben teilzeitbeschäftigt.

Wie funktioniert Teilzeitausbildung?
Laut § 8 Berufsbildungsgesetz kann bei „berechtigtem Interesse“ die wöchentliche Arbeitszeit von Auszubildenden gekürzt werden. Ein berechtigtes Interesse hat jeder, der ein Kind zu versorgen oder einen Angehörigen zu pflegen hat. Ein entsprechender Antrag muss vom Ausbilder zusammen mit dem Ausbildungsvertrag und dem Nachweis des Interesses (etwa der Geburtsurkunde des Kindes) bei der Handwerkskammer eingereicht werden.

So weit, so einfach. Doch in der Praxis gibt es einige Klippen zu umschiffen. Die wöchentliche Arbeitszeit der Lehrlinge darf zwischen 20 und 30 Stunden pro Woche liegen. Unterschreitet sie 25 Wochenstunden, verlängert sich die Lehrzeit um ein Jahr. „Das kann ich nicht empfehlen“, sagt Marlies Malec, Gleichstellungsbeauftragte der Agentur für Arbeit in Leer. „Die Berufsschulpläne sind darauf nicht ausgerichtet.“ Günstig sei eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 25 und 28 Stunden. „Die Auszubildende arbeitet dann zum Beispiel von 8 bis 13 Uhr, es muss also keine Mittagspause berücksichtigt werden.“

Die Azubis: motiviert und lernwillig!
Auch in der Bäckerei Hoppmann arbeiten die Teilzeit-Azubis 25 Stunden in der Woche, im Verkauf und in der Systemgastronomie. „Wir würden auch in anderen Berufen in Teilzeit ausbilden“, sagt Gesa Lüken-Hoppmann. Bislang gab es aber keine Nachfrage. Sie hat grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Acht junge Mütter - um sie handelt es sich fast immer bei einer Teilzeitausbildung - haben ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, keine hat abgebrochen. „Sicher verbringen die Teilzeit-Azubis weniger Zeit im Betrieb, aber sie bringen eine Menge mit“, sagt Lüken-Hoppmann.

Probleme mit hohen Fehlzeiten wegen kranker Kinder gebe es nicht. Die jungen Frauen seien sehr motiviert und hätten einen hohen Lernwillen. „Sie müssen sich ja nicht ausbilden lassen, sondern könnten auch als Ungelernte arbeiten und damit zunächst mehr verdienen“. Denn das Lehrgeld, ohnehin nicht hoch, wird aufgrund der niedrigen Arbeitszeit anteilig gekürzt. Es gibt aber verschiedene Töpfe für finanzielle Unterstützung: von der Ausbildungsbeihilfe bis zu der Möglichkeit, bei Bedürftigkeit zusätzlich Arbeitslosengeld 2 zu beantragen. Hier kann die zuständige Agentur für Arbeit helfen.

Die Herausforderung: Kinderbetreuung
Ein größeres Problem sieht Gesa Lüken-Hoppmann in der Kinderbetreuung. „Die Arbeitszeiten stimmen meist nicht mit den möglichen Betreuungszeiten überein. Die sind gerade hier im ländlichen Raum noch sehr unflexibel.“ Aber auch ihre Azubis im Verkauf müssten alles lernen und deshalb auch mal früh das Geschäft öffnen oder abends die Abrechnung machen. „Bislang haben wir das aber immer hinbekommen.“

Dieses Problem sieht auch Dieter Friedrichs, Ausbildungsberater der Handwerkskammer für Ostfriesland. „Die Betriebe und die Azubis müssen von vornherein klar festlegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten gearbeitet werden muss und kann. Auch die Arbeitsabläufe im Betrieb und die Ausbildungsinhalte müssen passen.“ Wichtig sei auch, die Kollegen zu informieren, damit die Auszubildende nicht auf Unverständnis oder Ablehnung stoße. Grundsätzlich aber sei jeder Ausbildungsberuf geeignet. „Es konzentriert sich aber auf gewisse Bereiche: Friseure, Lebensmittelfachverkäuferinnen, Augenoptiker.“ Aber auch im Metall- oder Anlagenbau gebe es Teilzeit-Azubis, derzeit insgesamt 29 im Bereich der Kammer.

Beratung und Einstiegsqualifizierung nutzen
Noch halten sich die Betriebe zurück, zumal im Handwerk. „Wir stellen immer wieder fest, dass Betriebe schlecht oder falsch informiert sind“, klagt Marlies Malec. Die Berufsschule werde beispielsweise nicht mit acht Stunden von der wöchentlichen Arbeitszeit abgezogen, sondern mit der täglich vereinbarten Zeit. Azubis, die nicht an fünf Tagen arbeiteten, haben entsprechend weniger Urlaubstage.

Handwerkskammern und die Arbeitsagenturen beraten Betriebe bei Fragen und zeigen neue Wege auf. So gibt es für Unternehmen, die noch unsicher seien, und für sehr junge Mütter seit August 2016 die Möglichkeit, eine Einstiegsqualifizierung in Teilzeit zu nutzen. Eine potenzielle Auszubildende steigt mit einem einjährigen Praktikum ein, das bei Vollzeit pauschal mit 350 Euro vergütet wird. Teilzeit wird anteilig bezahlt, wobei die Arbeitsagentur das Geld zu 100 Prozent erstattet. Die Praktikantin besucht die Berufsschule. Wenn es gut läuft und in einem Ausbildungsvertrag mündet, können bis zu sechs Monate auf die Ausbildungszeit angerechnet werden.

Keine Nachteile
Teilzeitausbildung sei für den Betrieb ein gewisser Aufwand, räumt Dieter Friedrichs ein. „Es lohnt sich aber, sie in Betracht zu ziehen“, betont er. Wenn eine Auszubildende zum Beispiel während der Lehrzeit schwanger wird, kann die Ausbildung nach der Elternzeit in Teilzeit fortgesetzt werden. „Der Betrieb bekommt hoch motivierte, sozial kompetente Auszubildende. Nachteile gibt es eigentlich keine.“

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