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Fälschungen und Plagiate

Ideendiebe am Pranger

Billigkonkurrenz lebt von Ideenklau und Anonymität. Ein Negativ-Preis namens „Plagiarius“ soll Ideendiebe öffentlich bloßstellen. Doch ist das der richtige Weg?

Sie machen als Handwerker das Aufmaß, planen und entwerfen – doch ein anderer bekommt den Auftrag nach Ihren Entwürfen? Ganz normaler Alltag in Deutschland. Je größer das Projekt, desto ärgerlicher ist der Ideenklau, denn davon kann eine Menge Umsatz abhängen.

„Plagiarius“ bringt Ideendiebe an die Öffentlichkeit
Dass Ideendiebe nicht ungeschoren davonkommen und still und leise abkassieren, ist das Ziel der Aktion Plagiarius. Der Verein „Aktion Plagiarius e.V.“ verleiht jedes Jahr einen Negativpreis, eine Art Anti-Oskar, an die „besten“ Nachahmer und Produktkopierer in der Industrie. Ziel sei es, „die unlauteren Geschäftspraktiken sowohl von Markenfälschern als auch von Plagiatoren, die geistiges Eigentum anderer klauen und als eigene kreative Leistung ausgeben, ins öffentliche Licht zu rücken“. So steht es auf der Plagiarius-Homepage.

Seit 1977 vergibt der Verein einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase „an Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen“. Der Preis sei ein „Symbol für die immensen Profite, die die Produktpiraten sprichwörtlich auf Kosten kreativer Designer und innovativer Markenhersteller erwirtschaften“.

"Fälscher entlarven" als Wettbewerb
Wer sich betroffen fühlt, kann sein Original zusammen mit dem vermeintlichen Plagiat einreichen. Welche Fälscher und Plagiatoren am Ende aufs Treppchen kommen, entscheidet eine Jury.

Auf dem Treppchen landete diesmal auch ein Zulieferer des Handwerks: Platz 2 für den Beschlaghersteller Wagner System.

Kopiert, erwischt, bloßgestellt. Damit könnte die Geschichte auch schon zu Ende sein. Ist sie aber nicht, denn nicht alles ist Ideenklau und noch schwerer ist dessen Nachweis.

Interessante Frage: Wer hat hier eigentlich recht?

Wer hat die Bodenrolle erfunden?

Wagner System fühlte sich nicht als Plagiator. Im Gegenteil: Das deutsche Unternehmen, bekannter Hersteller von Möbelrollen und -zubehör, versteht sich selbst als Trendsetter und Innovator in der Branche. Etliche Produkte wurden mit Designpreisen ausgezeichnet. So auch Wagners Möbelrolle „RO 37“, die unter anderem den „German Design Award“ und den „Interior Innovation Award“ erhielt. Und nun eben den Plagiarius. Diese „Auszeichnung“ begeistert Wagner allerdings weniger. Das Unternehmen weist die Plagiats-Vorwürfe zurück, fühlt sich zu Unrecht der Kopie beschuldigt und behält sich rechtliche Schritte gegenüber dem Verein vor.

„Nahezu identische Kopie“? 
Plagiarius hingegen betrachtet die RO 37 als Plagiat einer Rolle der Firma Gross und Froelich, die ihre Rolle „movetto 8“ nennt und damit seit 2009 am Markt ist. Das deutsche Unternehmen bezeichnet sich selbst ebenfalls als „innovatives Unternehmen für Stuhl- und Möbelrollen“, Designpreise für verschiedene Rollen inbegriffen. Jedenfalls habe Gross und Froelich Plagiarius gegenüber bestätigt, dass die Wagner-Rolle eine „nahezu identische Kopie“ sei, berichtet der Verein. Das gelte zum Beispiel für die Abmessungen, die abgeflachten Halsrundungen, den geschlossenen Gehäuseboden, die 12-fach-Verzahnung und den Innenabstützring. Zudem habe Gross und Froelich im Januar 2015 eine einstweilige Verfügung gegen die Bewerbung der „RO 37“ mit „Design: Roland Wagner“ und „Design: Wagner System GmbH“ erwirkt.

Oder „gänzlich andere technische Werte“?
Wagner hält dagegen. Man fertige die RO 37 in Deutschland, kennzeichne sie deutlich sichtbar mit dem Firmennamen. Zudem besitze die Möbelrolle gänzlich andere technische Werte, etwa den Radradius, den Radabstand oder die technische Gehäusekonstruktion. Doch Plagiarius habe diese Erläuterungen weder zur Kenntnis genommen, noch die Bewerbung kritisch hinterfragt.

Wer ist im Recht – und wer kann das entscheiden?
Wer in diesem Fall im Recht ist, lässt sich ohne juristisches und technisches Expertenwissen kaum entscheiden. Fakt ist: Ideenklau ist ein Milliardengeschäft zu Lasten innovativer Unternehmen. Die Täter gehören vor Gericht – und nach einem rechtskräftigen Urteil auch an den Pranger. Umgekehrt, also erst an den Pranger und dann vor Gericht, das ist problematisch.

Wer die Öffentlichkeit sensibilisieren will, braucht wasserdichte Fakten. Der braucht ein klares „so ist es“, kein vages „der eine sagt so, der andere sagt so“. Diese Fakten kann nur ein Gericht liefern und dann kann immer noch eine Jury entscheiden, welche entschiedenen Fälle am dreistesten waren. Sonst bleibt am Ende nur Verwirrung – statt Sensibilität für den Ideenklau.

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(jw)

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