Eon und die Stromzähler: Die irre Rechnung, die Bäckermeister Richard Hann bezahlen soll (wir berichteten), bewegt das Handwerk. Fakt ist: Hann ist nicht der erste Chef, der sich über eine Phantomrechnung von Eon aufregt.
Auch Jürgen Schmidt (Name geändert) erhielt eine mysteriöse Verbrauchsaufstellung von Eon Mitte. "Ein doppelt so hoher Wert wie im Jahr davor", berichtet der niedersächsische Handwerksunternehmer. Die Forderung des Stromriesen: 29.000 Euro. "So etwas ist existenzbedrohend", ärgert sich Schmidt. Wie Hann habe auch er im Betrieb nichts verändert, wie Hann hält auch er den Stromzähler für die Fehlerquelle.
Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt – das zeigt die nächste Seite.
Nachsetzen, dranbleiben, nicht locker lassen!
Noch extremer war die Forderung, die Susanne Dettmer von Eon Mitte erhielt. Der Fall sorgte für Schlagzeilen. Dettmer sollte für ein Café in Göttingen 38.000 Euro Stromkosten nachzahlen. Und das für einen Abrechnungszeitraum von sechs Monaten. In der Zeit davor lag die monatliche Abschlagsforderung von Eon unter 150 Euro.
Dettmer glaubte an ein Versehen, einen technischen Fehler. Sie wehrte sich. Doch Eon schaltete erst einmal auf stur. Der Stromlieferant hielt den rund 30-fach höheren Verbrauch für "nicht unrealistisch" und bot Dettmer Ratenzahlungen an. Erst nach einigem Hin und Her – und noch mehr Schlagzeilen – lenkte Eon ein.
Auch in Jürgen Schmidts Fall rückte Eon Mitte wieder ab: "Ich habe nicht locker gelassen, habe die Kreishandwerkerschaft eingeschaltet, bin mit der Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen." Eon ließ den Stromzähler vom Eichamt prüfen. Ergebnis. "Der war in Ordnung", wurde uns gesagt. Zur Sicherheit hat Schmidt in seinem Betrieb jetzt einen zweiten Stromzähler eingebaut. Beide liest er jeden Monat ab.
Experte: Der Anteil defekter Stromzähler ist extrem – lesen Sie Seite 3.
Sagenhafte Fehlerquote von 40-50 Prozent!
Wie oft kommt es vor, dass Zähler falsche Verbrauche vorspiegeln? "In der Regel sind die Geräte in Ordnung", betont Michael Ruminski. Der Öffentlichkeitsbeauftragte der Mess- und Eichbehörde in Niedersachsen sagt, es sei selten, dass sich Endverbraucher beschwerten und Zählerprüfungen veranlassten. Meist stelle sich dann heraus, dass der höhere Stromverbrauch auf ein verändertes Nutzungsverhaltens zurückgeht. Vielen Verbrauchern sei nicht bewusst, wie viel Strom sie wofür verbrauchen.
Was jeder Verbraucher akzeptieren muss, sind technisch zulässige Zählerabweichungen Die Verkehrsfehlergrenze, so der Fachterminus, betrage zehn Prozent, erklärt Ruminski.
Zehn Prozent. Dass es dabei nicht bleibt, berichten auch Verbraucherschützer. "Wir raten Stromkunden, die sich ihre Rechnung nicht erklären können, den Zähler prüfen zu lassen", heißt es aus der Verbraucherzentrale Berlin. Es stelle sich "immer wieder heraus, dass Werte nicht stimmen". Der Anteil defekter Zähler liege bei sieben Prozent.
Den Anteil defekter Stromzähler beziffert der gerichtlich zugelassene Gutachter Günter Wünsch aus Leichlingen auf "40 bis 50 Prozent". Im Auftrag eines Fernsehsenders untersuchte er vor einigen Jahren Zähler von Privathaushalten. Kurios: So ungenau viele Geräte waren, der Ausschlag ging fast immer in dieselbe Richtung: "Im Regelfall zum Nachteil des Kunden.“
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