Wie kann überprüft werden, ob Betriebe die Wegezeitentschädigung zahlen? „Das kann nur der Zoll“, sagt ein Rechtsanwalt.
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Wie kann überprüft werden, ob Betriebe die Wegezeitentschädigung zahlen? „Das kann nur der Zoll“, sagt ein Rechtsanwalt.

Inhaltsverzeichnis

Politik und Gesellschaft

Wegezeitentschädigung: Antworten auf 8 Leser-Fragen

Wer kontrolliert die Wegezeitentschädigung? Müssen Arbeitsverträge jetzt geändert werden? Und wann wird der Verpflegungszuschuss fällig? Hier sind Antworten.

Auf einen Blick:

  • Verpflegungszuschuss – so heißt die Wegezeitentschädigung, die der Tarifvertrag (BRTV) für Baustellen mit täglicher Heimfahrt vorsieht.
  • Ob Betriebe den Zuschuss zahlen müssen, hängt immer vom Einzelfall ab. Im Beitrag finden Sie 3 typische Anwendungsfälle.
  • Je nach Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle kann die Wegezeitentschädigung aktuell bei 6, 7 oder 8 Euro liegen. 2024 werden die Beträge angehoben.

Die Wegezeitentschädigung gibt es im Baugewerbe zwar schon seit Jahresanfang. Trotzdem herrscht bei der Umsetzung der Regeln noch immer große Unsicherheit – obwohl der Tarifvertrag (BRTV)  für Baubetriebe inzwischen allgemeinverbindlich ist. Viele Handwerksunternehmer beschäftigt vor allem eine Frage: Muss ich meinen Mitarbeitenden das Wegegeld jetzt zahlen? Das Problem an dieser Frage: Eine pauschale Antwort gibt es nicht. „Es kommt immer auf den konkreten Einzelfall an“, sagt Rechtsanwalt Achim Lange vom Baugewerbe-Verband Niedersachsen (BVN).

#1: Was gilt, wenn die Mitarbeitenden vom Betrieb aus zur Baustelle fahren?

In manchen Betrieben ist es zum Beispiel üblich, dass sich die Mitarbeitenden morgens zu Arbeitsbeginn im Betrieb treffen und dann gemeinsam mit dem Firmenwagen zur Baustelle fahren. Abends kehren sie dorthin wieder zurück, parken den Bulli auf dem Betriebsgelände und der Feierabend beginnt. Die Wegezeitentschädigung müssen Betriebe laut Lange nur zahlen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Voraussetzung 1: Der Mitarbeitende muss auf wechselnden Baustellen eingesetzt sein. Das bedeutet: Er darf nicht stationär – also zum Beispiel auf einem Bauhof oder einer Werkstatt – sein.
  • Voraussetzung 2: Die Wegezeit darf keine tarifliche Arbeitszeit sein und auch nicht tariflich vergütet werden.
  • Voraussetzung 3: Der Mitarbeitende muss berufsbedingt mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung abwesend sein.

„Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Mitarbeitende Anspruch auf die Wegezeitentschädigung in Form eines Verpflegungszuschusses“, erläutert der Jurist.

Wie hoch der Zuschuss im Einzelfall ist, hänge von der Entfernung zwischen Betrieb und Baustelle ab: Bei Strecken von bis zu 50 Kilometern zwischen Betrieb und Baustelle sieht der Tarifvertrag einen Verpflegungszuschuss von 6 Euro pro Tag vor. Bei Strecken zwischen 50 und 75 Kilometern sind es aktuell 7 Euro pro Tag, bei mehr als 75 Kilometern werden 8 Euro fällig. Anfang 2024 steigt der Verpflegungszuschuss laut Tarifvertrag dann jeweils um 1 Euro.

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#2: Was gilt, wenn Mitarbeitende von zu Hause mit ihrem Pkw zur Baustelle fahren?

Auch wenn Mitarbeitende morgens direkt von zu Hause aus zur Baustelle und abends wieder dorthin zurückfahren, kann die Wegezeitentschädigung fällig werden „Das ist allerdings nur der Fall, wenn die drei Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind“, sagt Lange. Betriebe müssen den Verpflegungszuschuss also nur zahlen, wenn

  • die Mitarbeitenden auf wechselnden Baustellen eingesetzt sind,
  • die Wegezeit keine tarifliche Arbeitszeit ist und
  • die Mitarbeitenden länger als 8 Stunden von zu Hause abwesend sind.

„Sofern die Baustelle mindestens 10 km von der Wohnung des Arbeitnehmers entfernt ist, kommt noch das Kilometergeld hinzu“, sagt der Rechtsanwalt. Was das finanziell für Betriebe bedeutet, erläutert er an einem Beispiel: Der Mitarbeiter wohnt 20 Kilometer von der Baustelle entfernt, insgesamt fährt er pro Tag 40 Kilometer. Ihm steht somit ein Verpflegungszuschuss in Höhe von 6 Euro pro Tag zu. Zudem hat er Anspruch auf eine Fahrkostenabgeltung von 8 Euro – schließlich muss jeder gefahrene Kilometer mit 0,2 Euro vergütet werden. Berechnung: (40 Kilometer x 0,2 Euro) = 8 Euro Fahrtkostenabgeltung.

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#3: Mit dem Firmenbulli zum Betrieb, Material holen und dann zur Baustelle: Was gilt?

Manche Betriebe regeln mit ihren Mitarbeitenden, dass sie den Firmenbulli privat nutzen können und abends mit nach Hause nehmen dürfen. Mit einem solchen Fallbeispiel hat sich auch ein handwerk.com-Leser an die Redaktion gewandt: Er wollte wissen, ob die Wegezeitentschädigung auch fällig wird, wenn Mitarbeitende morgens von zu Hause aus mit dem Firmenwagen zum Betrieb fahren, um dort Material zu holen und anschließend zur Baustelle fahren.

„In solchen Fällen müssen Betriebe ihren Mitarbeitenden den Weg zwischen der Wohnung und dem Betrieb nicht vergüten“, sagt Lange. Die Situation sei vergleichbar mit Büroangestellten, die zur Arbeit gehen: Die erhalten auch keine Vergütung für den Arbeitsweg.

Dem Rechtsanwalt zufolge muss der Betrieb auch keinen Verpflegungszuschuss für den Weg zur Baustelle zahlen. Begründung: „Die tarifliche Arbeitszeit der Mitarbeitenden beginnt mit dem Beladen des Firmenbullis auf dem Betriebsgelände.“ Laut Lange haben die Mitarbeitenden dadurch Anspruch auf die tarifliche Vergütung ihrer Arbeitszeit. Das bedeutet wiederum, dass der Anspruch auf die Verpflegungspauschale ausgeschlossen sei.

#4: Sammelfahrten mit dem Firmenbulli – warum stehen dem Fahrer 12 Euro zu?

Die Arbeitszeit beginnt für Handwerker oft erst auf der Baustelle – auch wenn sie mit mehreren Kollegen gemeinsam mit dem Firmenbulli dorthin fahren. Betriebe müssen den Gesellen dann einen Verpflegungszuschuss zahlen. Je nach Entfernung zwischen Betrieb und Baustelle liegt er aktuell bei 6, 7 oder 8 Euro pro Person und Tag. Dem Fahrer steht noch eine zusätzliche Vergütung für die Fahrt zu: Einige Leser des Beitrags „So zahlen Baubetriebe die Wegezeitenentschädigung 2023“ wollten wissen, warum es 12 Euro pro Stunde sind.

Rechtsanwalt Lange verweist auf § 5 Ziffer 4.4 BRTV: „Die Tarifpartner haben sich darauf verständigt, dass die Vergütung für Bullifahrer einzelvertraglich geregelt werden muss, wenn sie die Kollegen außerhalb der tariflichen Arbeitszeit mit dem Firmenbulli zur Baustelle fahren“, erläutert er.

Gibt es keine einzelvertragliche Regelung, müssen Betriebe die Fahrleistung dennoch vergüten: „Aktuell werden dann mindestens 12 Euro pro Stunde fällig, denn so hoch ist derzeit der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland“, sagt der Rechtanwalt. Sollte die Lohnuntergrenze im Jahr 2024 auf 12,41 Euro pro Stunde steigen, müssten Betriebe dem Fahrer für die Fahrtzeit also mindestens 12,41 Euro pro Stunde zahlen.

#5: Wegezeitentschädigung: Müssen Betriebe jetzt Arbeitsverträge anpassen?

„Betriebe, die ihren Mitarbeitenden bislang keine Wegezeitentschädigung gezahlt haben, müssen die Arbeitsverträge nicht anpassen“, sagt Lange. Schließlich sei der BRTV allgemeinverbindlich und gelte damit für alle gewerblichen Mitarbeitenden, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen.

Betrieben, die ihren Mitarbeitenden in der Vergangenheit bereits freiwillig Verpflegungspauschalen gezahlt haben, empfiehlt der Jurist: „Sorgen Sie unbedingt für eine Klarstellung, was jetzt für Ihre Mitarbeitenden gilt.“ Dafür reiche eine kurze Ergänzung zum Arbeitsvertrag, die zum Beispiel wie folgt formuliert werden könne:

Die aufgrund der Regelung vom xx.xx.xxxx (Tag/Monat/Jahr) gezahlten Verpflegungspauschalen werden auf die entsprechenden tarifvertraglichen Ansprüche angerechnet.

Tipp: Das Schreiben sollte laut Lange möglichst von beiden Seiten unterschrieben werden. Unterbleibt die Klarstellung, habe das sowohl für Betriebe als auch für die Mitarbeitenden Nachteile:

  • Die Kosten für die Betriebe steigen, da sie den tarifvertraglichen Verpflegungszuschuss gegebenenfalls noch zusätzlich zur bestehenden betrieblichen Regelung zahlen müssen.
  • Bei den Mitarbeitenden fallen Steuern und Sozialbeiträge an, sofern die Summe des Verpflegungszuschusses den Beitrag von insgesamt 14 Euro überschreitet.

#6: Wer überprüft, ob die Wegezeitentschädigung gezahlt wird?

„Grundsätzlich kann nur der Zoll prüfen, ob Betriebe ihren Beschäftigten die Wegezeitentschädigung zahlen“, sagt Lange. Allerdings geht der Jurist nicht davon aus, dass es dafür Extrakontrollen geben wird. Vielmehr rechnet er damit, dass die Überprüfung Teil der Baustellenkontrollen sein wird, die die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) regelmäßig durchführt. „Dabei können die Beamten schließlich prüfen, ob Betriebe alle fälligen Zuschüsse gezahlt haben“, so Lange.

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#7: Was kann passieren, wenn Betriebe die Wegezeitentschädigung nicht zahlen?

Das Bundesarbeitsministerium hat den Tarifvertrag, der die Wegezeitentschädigung regelt, für allgemeinverbindlich erklärt. Das bedeutet: Er gilt auch für nicht tarifgebundene Baubetriebe, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Betriebe, die ihren Mitarbeitenden die Wegezeitentschädigung trotz Allgemeinverbindlichkeit vorenthalten, gehen deshalb zwei Risiken ein.

  1. „Mitarbeitende haben einen individuellen Anspruch auf die Wegezeitentschädigung“, sagt Lange. Dem Rechtsanwalt zufolge bedeutet das wiederum: „Mitarbeitende können die Wegezeitentschädigung vor Gericht einklagen.“
  2. Wird der Zoll bei einer Baustellenkontrolle darauf aufmerksam, dass die Wegezeitentschädigung trotz Allgemeinverbindlichkeit nicht gezahlt wurde, handelt es sich dem Rechtsanwalt zufolge um eine Ordnungswidrigkeit: „Betriebe müssen in solchen Fällen mit einer Geldbuße rechnen.“ Sofern die Geldbuße höher als 200 Euro ist, komme noch ein Eintrag ins Gewerbezentralregister hinzu. Das Problem daran: „Mit einem solchen Eintrag ist eine Präqualifizierung nicht mehr möglich“, sagt Lange. „Für Betriebe besteht dann die Gefahr, dass sie sich nicht mehr auf öffentliche Aufträge bewerben können."

#8: Müssen Betriebe die Wegezeiten der Mitarbeitenden dokumentieren?

Mit einem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet. „Seither müssen Betriebe die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden erfassen“, sagt Lange.

Um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt der Rechtsanwalt Handwerksunternehmern, die Wegezeiten der Mitarbeitenden ebenfalls zu dokumentieren: „Diese Aufgabe können Sie an die Mitarbeitenden, an den Vorarbeiter oder den Polier delegieren.“ Die Dokumentation sei allein schon für die monatliche Entgeltabrechnung von Belang. Darüber hinaus könne sie bei FKS-Kontrollen vorgelegt werden.

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