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Foto: handwerk.com

Ausbildungsbeitrag Soka-Bau

(K)eine Ausnahme für Ehrenamtliche

Soka-Bau: Nun soll es doch eine Ausnahme geben bei der Ausbildungsabgabe für Solounternehmer. Sie könnte einigen Ehrenamtlichen im Handwerk den Beitrag ersparen. Aber nur unter einer Bedingung.

Wenn sich Jugendliche heute noch für eine Ausbildung im Handwerk interessieren, dann liegt das auch an Menschen wie Sönke Wegner aus Neustadt a. Rbge. (Niedersachsen). 47 Jahre alt, groß gewachsen, und bei fast jedem Anlass in der Zunftkleidung der Straßenbauer und Pflasterer unterwegs. Dazu passt die tiefe Stimme, mit der er mal nachdenklich und leise diskutiert, mal laut und bestimmt seine Position vertritt. Ein Mann, der seine Arbeit liebt, Menschen mag und sich für beides Zeit nimmt. Einer, der genau die Art Vorbild sein könnte, die zum Beispiel Hirnforscher Gerald Hüther in der Ausbildung
fordert.

Doch Wegner bildet nicht aus. Mitarbeiter hat er auch nicht; der Handwerksmeister ist Solounternehmer. Für die Ausbildung in seinem Gewerk engagiert er sich dennoch: Er informiert in Schulen über seinen Beruf, gibt gelegentlich Praxisstunden in der Berufsschule und arbeitet seit Jahren ehrenamtlich im Gesellenprüfungsausschuss.

Mindestbeitrag – „wird hier nicht das Ehrenamt bestraft?“
Und jetzt dieser Brief der Soka-Bau: Wegner soll, wie alle anderen Solounternehmer im Baugewerbe, einen Mindestbeitrag zum Berufsbildungsverfahren der Soka-Bau zahlen. Es geht um 900 Euro im Jahr.

Das Geld ärgert ihn, aber noch mehr ärgert ihn ein Satz im Schreiben der Soka-Bau: „Mit Ihrem Beitrag helfen Sie mit, die Ausbildung der Fachkräfte und damit die Qualität der Bauwirtschaft auf einem unverändert hohen Niveau zu halten“, heißt es da.

Falls der Satz als kleine Motivationsspritze für Beitragszahler gedacht war: In Sönke Wegners Fall hat sie gründlich versagt. „Und was ist mit meiner Arbeit im Prüfungsausschuss? Wird hier nicht das Ehrenamt bestraft?“, fragt er. Mindestens 30 Stunden im Jahr investiere er in diese Arbeit: ein Tag Zwischenprüfung, ein Tag Gesellenprüfung und dann noch die Zeit für die Vor- und Nachbereitung dieser Prüfungen. „Als Dank dafür, dass ich mich in der Ausbildung engagiere, darf ich nun auch noch 900 Euro als Bonus bezahlen?“

Wie reagiert der Baugewerbeverband auf diese Fragen?

Keine Ausnahme für Sönke Wegner

Beschlossen haben den Mindestbeitrag die Tarifparteien im Baugewerbe. Zu denen gehört auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) als Spitzenorganisation der Innungen und Landesverbände im Baugewerbe.

Wegner ist selbst Innungsmitglied, also hat er sich seinen Ärger über diesen Beschluss von der Seele geschrieben – in einem Brief an den Baugewerbeverband Niedersachsen (BVN).

Die Antwort des BVN ließ nicht lange auf sich warten: Wegner darf auf keine Ausnahme hoffen. „Wir stehen zu dem, was die Tarifvertragsparteien beschlossen haben“, sagt BVN-Hauptgeschäftsführer Matthias Wächter gegenüber handwerk.com. Die Begründung: Es gehe um den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und um Beitragsgerechtigkeit. „In den letzten Jahren sind immer mehr Einmannbetriebe, die einen oder mehrere Auszubildende unter Vertrag haben, in Konkurrenz zu Betrieben getreten, die regulär Mitarbeiter beschäftigen.“ Für jeden Lehrling erstatte die Soka-Bau einen Teil der Ausbildungskosten, auch Solounternehmern, die bisher keine Beiträge gezahlt haben. So könnten ausbildende Solounternehmer „ganz anders kalkulieren als ein Betriebsinhaber, bei dem pro Mitarbeiter jährlich rund 42.000 Euro Personalkosten anfallen“.

Daher werde es keine Ausnahmen für Ehrenamtliche wie Wegner geben, sagt Wächter. „Wir haben im Verband auch darüber diskutiert, dass es durch den Mindestbeitrag zum Berufsbildungsverfahren zu Härten kommen kann. Aber aufgrund der starken Wettbewerbsverzerrungen bleibt es dabei. Die Kritik daran müssen wir aushalten.“

Einzige Ausnahme: Wer keinen Umsatz macht, muss nicht zahlen.
Also keine Ausnahme für niemanden? Nicht ganz, eine Ausnahme soll es nun doch geben, berichtet Wächter: „Die Tarifvertragsparteien haben besprochen, dass Ein-Mann-Betriebe, die noch ein Gewerbe angemeldet haben oder in der Rolle eingetragen sind, aber keine Geschäftstätigkeit mehr ausüben, von der Beitragspflicht ausgenommen sind.“ Im Tarifvertrag steht das zwar nicht. Doch würden die Tarifparteien das im Einzelfall „auf dem kurzen Dienstweg“ regeln.

Diese Ausnahme dürfte zumindest jenen Ruheständlern helfen, die bewusst in der Handwerksrolle eingetragen blieben, um sich weiter ehrenamtlich im Handwerk engagieren zu können.

Sönke Wegners Problem ist damit allerdings nicht gelöst. Dennoch will er sich weiter
in der Ausbildung engagieren! Warum?

„Eine Klage ist keine Lösung“
Sönke Wegners Problem ist damit nicht gelöst. Und jetzt? Aus dem Prüfungsausschuss will sich der Handwerksmeister nicht zurückziehen, ebenso wenig aus der Innung. „Das ist doch keine Lösung“, sagt Wegner. „Ich bin der Innung sehr dankbar, ich verdanke ihr meine Ausbildung und da möchte ich auch etwas weitergeben. Außerdem ist die Arbeit im Prüfungsausschuss auch für die Allgemeinheit wichtig.“

Der Facebook-Gruppe „Handwerker gegen Soka-Willkür“, die einen Musterprozess gegen den Mindestbeitrag anstrebt (wir berichteten), will er sich auch nicht anschließen. „Der Rechtsweg dauert viel zu lange und in der Zwischenzeit werden wahrscheinlich viele ihren Betrieb dichtmachen.“ Das sei „wahrscheinlich genau das, was mit dem Beitrag bezweckt wird“, vermutet Wegner.

Kompromiss gefordert
Was dann? Für den Handwerksmeister gibt es nur eine Lösung: „Man muss jetzt miteinander reden und einen Kompromiss finden.“ Niemand habe etwas gegen Ausbildung, fairen Wettbewerb oder den Kampf gegen Scheinselbstständigkeit, sagt Wegner. „Aber das muss man auf einem anderen Weg erreichen und nicht, indem man alle Solounternehmer über einen Kamm schert.“ Und da sieht Innungsmitglied Wegner auch seinen Verband in der Verantwortung.


 

 

 

 

(jw)

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