Offiziell beginnt die Arbeitszeit in einem Baubetrieb um 7 Uhr morgens. Die Mitarbeitenden bestellt der Chef bereits um 6.45 Uhr. Denn dann stehen die Einteilung der Teams an und das Beladen der Fahrzeuge. Das ist gängige Praxis in vielen Handwerksbetrieben. Doch wie lange vor dem offiziellen Arbeitsbeginn dürfen Chefs ihre Mitarbeitenden bestellen? Und welche Tätigkeiten gelten als zu vergütende Arbeitszeit?
Be- und Entladen von Fahrzeugen ist in der Regel Arbeitszeit
„Das hängt von einigen Faktoren ab“, sagt Nils Wigger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Wittig Ünalp in Hamburg. Der Beginn und das Ende der Arbeitszeit sowie die Vergütung seien im Einzelfall zu betrachten.
Generell seien sogenannte „fremdnützige“ Tätigkeiten – also im Sinne oder im Auftrag des Arbeitgebers erbrachte Tätigkeiten - als Arbeitszeit einzustufen und müssten dementsprechend vergütet werden. Dabei spiele es keine Rolle, ob das 10 oder 30 Minuten sind. Zu diesen fremdnützigen Tätigkeiten zählen laut Wigger auch das Beladen, Entladen und Reinigen von Firmenfahrzeugen. Denn diese Aufgaben dienten der Vor- und Nachbereitung der eigentlichen Arbeit. „Ohne das Be- und Entladen des Fahrzeug ist die spätere Arbeitsleistung nicht möglich“, erläutert der Arbeitsrechtsanwalt.
Ausnahmen sind in Arbeits- und Tarifverträgen geregelt
In einigen Gewerken oder Betrieben könne es laut Wigger vorkommen, dass bestimmte Tätigkeiten nicht als Arbeitszeit gelten oder mit einer Pauschale abgegolten werden. Dies kann in Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen geregelt werden. Beispielsweise sei die Wegezeitentschädigung der Baubranche in Tarifverträgen geregelt. Wigger weist jedoch darauf hin, dass sie sich nur auf Fahrtzeiten und nicht auf Rüstzeiten beziehen.
Wenn das Thema Arbeitszeit und die Gewährung von Freizeitausgleich nicht vertraglich erwähnt seien, könne man davon ausgehen, dass Handwerksbetriebe alle fremdnützigen Tätigkeiten vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn und –ende als Arbeitszeit vergüten müssen.
Chefs könnten also damit rechnen, dass Mitarbeitende diese Arbeitszeit erfassen und als Überstundenausgleich nehmen oder vergütet haben wollen. Die Mitarbeitenden müssen aber beweisen, wann und aus welchem Grund sie Überstunden gemacht haben. Zudem muss der Chef die Überstunden angeordnet oder zumindest gebilligt haben. Auch dies muss der Mitarbeitende beweisen.
„Rüstzeit“ gehört zur Arbeitszeit
Auch in anderen Gewerken sind fremdnützige Tätigkeiten als Arbeitszeit anzusehen. Dazu zähle beispielsweise auch das Umziehen. „In einer Fleischerei oder Bäckerei können Angestellte nicht in Straßenkleidung arbeiten“, sagt Rechtsanwalt Wigger. Deshalb sei diese Umziehzeit zu vergüten.
Auch in Betrieben, die Mitarbeitende im Büro beschäftigen, gebe es arbeitsvorbereitende Tätigkeiten – wie beispielsweise das Hochfahren eines Laptops oder PCs oder das Anschalten der Maschinen. Ohne die Geräte seien Mitarbeitende nicht arbeitsfähig.
Die Fahrtzeit vom Wohnort zum Arbeitsplatz hingegen werde in vielen Fällen hingegen nicht als Arbeitszeit gewertet. Ausnahmen bilden hier die Gewerke, die tarifvertraglich an die Wegezeitentschädigung gebunden sind.
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