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Ein Bäcker wagt den Wechsel

Tütenbrot? Nein Danke!

Als Handwerker Einheitsprodukte anzubieten, ist gefährlich. Die Leistung wird austauschbar, für Kunden zählt nur noch der Preis. Wohin das führen kann, sieht man im Bäckerhandwerk. Doch es geht auch anders.

Jörg Holste

Von Astrid Funck

Die Vertreter der Backzutatenindustrie lassen sich in der Bäckerei und Konditorei Holste im niedersächsischen Sottrum kaum noch blicken, denn die Verkaufschancen stehen dort schlecht. "Tütenbrot und TK-Teiglinge nein danke", steht in fetten Buchstaben auf dem T-Shirt von Bäckermeister Jörn Holste, und es ist ihm ernst damit.

Der Handwerker führt den Betrieb in dritter Generation. Doch er wollte nicht länger zur Schar der deutschen Bäckereien gehören, die allerlei künstliche Zusätze wie Aromen oder Emulgatoren in ihren Brot- und Kuchenteig hineinrühren oder einfach zur Backmischung aus der Tüte greifen. Der 37-Jährige fragte sich immer öfter, was sein Angebot eigentlich noch von dem anderer Bäckereien unterschied und wie er sich für den Wettbewerb mit Backstationen in Tankstellen und Lebensmittelmärkten oder den Selbstbedienungs-Shops wappnen könnte. Holste suchte nach einem anderen Konzept.

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Kurswechsel: Schluss mit Farbstoffen und Geschmacksverstärkern

Fündig wurde Jörn Holste, als er in seiner Erfa-Gruppe einen Vortrag von Markus Messemer hörte. Der gelernte Bäcker und Unternehmensberater aus der Pfalz stellte das von ihm entwickelte Gütesiegel "Natur Pur" vor.

Betriebe, die das Gütesiegel nutzen und sich von Messemer zertifizieren lassen wollen, dürfen nur "zugelassene" Rohstoffe verwenden, deren Definition sich an derjenigen von Bio-Produkten orientiert.

"Unnötige" Zusatzstoffe wie Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, künstliche und sogenannte naturidentische Aromen oder chemisch-synthetische Emulgatoren sind tabu, das gleiche gilt für Fertigmischungen. Die Natur-pur-Bäcker sollen stattdessen nach eigenen, oft traditionellen Rezepturen backen und ihren Kunden sämtliche im Produkt enthaltenen Inhaltsstoffe offenlegen. Pflicht ist außerdem die Kennzeichnung von allergenen Zutaten wie Erdnüssen, Milch oder Soja.

Seit Jahresbeginn hat Jörn Holste die Zertifizierungsurkunde in seinen sechs Geschäften an den Wänden hängen. Die Verkäuferinnen können den Ernährungsbewussten und Allergikern unter den Kunden nun genau sagen, was in den jeweiligen Backwaren alles drin ist, Allergen-Symbole zieren die Preisschilder und ein Flyer informiert darüber, was die Symbole jeweils bedeuten.

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Neue Rezepte und klassische Methoden fallen schwer

Transparenz lautet das Zauberwort. Doch der Weg dahin sei ganz schön mühsam gewesen, berichtet Bäckermeister Holste. Stück für Stück hätten sie mit Messemer zusammen die Rezepturen überarbeitet und die Fertigung neu organisiert. Biskuitböden sollten plötzlich ohne Emulgatoren gelingen, Donuts ohne Weichmacher und Erdbeersahnetorten ohne künstliches Erdbeeraroma. "Bei einigen Produkten mussten wir auch ein komplett neues Rezept entwickeln", sagt Holste. Vieles sei ihnen zuerst misslungen.

Kostenersparnis trotz Mehraufwand
Dem Berater Markus Messemer zufolge kommt es dabei vor allem darauf an, sorgfältig zu arbeiten, die Inhaltsstoffe genau abzuwiegen, Teigruhezeiten einzuhalten und alles genau im Rezept zu notieren. Die Produktion der Backwaren sei jetzt zwar zeitaufwendiger, unter dem Strich könnten die Betriebe aber durchaus Kosten sparen, wenn sie ihren Einkauf auf natürliche Rohstoffe umstellen, die Arbeitsprozesse optimieren und ihr Sortiment straffen.

Umstellungsproblem Nr. 1: der Aufwand mit dem Massengeschäft
Was Messemer für das größte Hindernis hält, ist der „massive Kompetenzverfall“ in Bäckereibetrieben. Schuld daran sei unter anderem der Trend zur Filialisierung: Viele Bäcker-Unternehmer seien so sehr mit Themen wie Marketing, Personalrekrutierung oder Controlling beschäftigt, dass ihnen immer weniger Zeit bliebe, sich um die Qualität ihrer Backwaren zu kümmern. Bäckermeister Jörn Holste hat sich die Zeit genommen und hofft nun auf viele neue Kunden.

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