Auf einen Blick:
- Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter, allerdings ist das Vor-Corona-Niveau bei den Unternehmenspleiten noch immer nicht erreicht.
- Wenn Ihre Geschäftspartner die Zahlungsziele zum Beispiel deutlich überschreiten, permanent Rechnungskorrekturen fordern oder die Bauabnahme hinauszögern, kann das auf eine bevorstehende Insolvenz hindeuten.
- Insgesamt gibt es 10 Warnsignale. Je mehr sie entdecken, desto vorsichtiger sollten Sie sein.
18.100 Unternehmen mussten 2023 Insolvenz anmelden – das hat die Creditreform ermittelt. Gegenüber dem Vorjahr sei die Zahl der Firmenpleiten damit um mehr als 23 Prozent gestiegen (2022: 14.660). Allerdings liege die Zahl der Insolvenzen noch immer unter dem Niveau von 2019.
Der Auskunftei zufolge haben sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Vergleich zu 2019 „signifikant verschlechtert“. „Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelastungen der hohen Energiepreise und der Zinswende zusammen“, so die Creditreform. Für die kommenden Monaten prognostiziert sie angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine „deutliche“ Zunahme der Insolvenzen.
Woran lässt sich erkennen, dass ein Geschäftspartner in einer Schieflage ist? „Es gibt typische Warnsignale, die auf eine bevorstehende Insolvenz hindeuten können“, sagt Rechtsanwalt Jörg Sievers von der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein. Jedes Warnsignal für sich genommen, könne harmlos sein. Zur Vorsicht rät er, wenn Sie auf mehrere der folgenden 10 Warnsignale stoßen.
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1. Zahlungsziele werden überschritten
Ein Klassiker sind verspätete Zahlungen. „Wer klamm ist, versucht meist Zeit zu gewinnen und schiebt die Zahlung möglichst weit nach hinten“, berichtet Sievers. In der Praxis mache sich das zum Beispiel bemerkbar, wenn Rechnungen erst nach Fälligkeit beglichen werden.
Der Jurist rät Handwerkern, nicht zu nachsichtig mit säumigen Kunden zu sein: „Wer Zahlungsschwierigkeiten hat, bezahlt am ehesten diejenigen, die am lautesten schreien.“ Helfen könnten daher konsequente Zahlungserinnerungen und Mahnungen.
Für Handwerker, bei denen ein Kunde zum wiederholten Mal nicht pünktlich zahlt, hat Sievers einen Tipp: „Verzugszinsen können helfen, um zu disziplinieren.“
Dem Juristen zufolge ist es unüblich, Verzugszinsen im normalen Zahlungsverkehr zu verlangen. Handwerker, die sich für diesen Schritt entscheiden, müssten sich daher überlegen, wie Sie die Nachricht überbringen. Ein schlechtes Gewissen bräuchten Sie aber nicht zu haben: „Kunden, die permanent zu spät zahlen, nehmen sich letztendlich unerlaubt Kredit und das ist nicht in Ordnung“, so der Rechtsanwalt.
Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag „So setzen Sie Verzugszinsen richtig durch“.
2. Permanent an der Rechnung herumkritteln
Kunden kritteln an Rechnung herum oder verlangen plötzlich die Zustellung an eine andere Adresse? Das kann laut Sievers ebenfalls eine Methode sein, um die Zahlung hinauszuzögern.
Er rät Handwerkern deshalb: „Halten Sie auch bei Korrekturen oder der erneuten Zustellung an Ihren ursprünglichen Zahlungszielen fest.“ Gegebenenfalls können Sie den Kunden im Anschreiben darauf hinweisen, dass sich die bestehenden Fristen nicht ändern.
3. Kunde bittet um längere Zahlungsziele
Ein Kunde bittet Sie um Aufschub? Das zeigt Ihnen, dass er ein Problem hat. „Das ist seriöser, als das Zahlungsziel einfach verstreichen zu lassen“, meint Sievers.
Wie sollten Sie darauf reagieren? „Es kommt immer auf den Einzelfall an“, meint der Rechtsanwalt. Er empfiehlt Handwerkern, sich folgende Fragen zu stellen:
- Wie wichtig ist der Kunde für mich?
- Wie begründet er seine Bitte?
- Wie schätzen Sie die Situation ein?
„Sofern Ihr Kunde erstmalig um Aufschub bittet, sollten Sie eher darauf eingehen, wenn er einen plausiblen Grund nennt“, sagt der Jurist. Fragt der Auftraggeber jedoch zum wiederholten Male, sollten Sie sich überlegen, wie sich bei einer weiteren Zusammenarbeit absichern – zum Beispiel durch Vorkasse oder sonstige Sicherheiten.
4. Kunde fragt plötzlich nach Ratenzahlung
Fragen Kunden plötzlich nach Ratenzahlung, obwohl sie ursprünglich etwas anderes vereinbart war, ist das ähnlich wie die Bitte um einen Zahlungsaufschub. „Das kann ein Anzeichen für eine Krise sein“, sagt Sievers. Sofern Sie sich auf die Ratenzahlung einlassen wollen, hat der Rechtsanwalt zwei Tipps:
- Je nach Vertrag können Sie vom Kunden im Gegenzug eine Sicherheit verlangen – zum Beispiel eine Bürgschaft oder bei größeren Forderungen auch die Eintragung einer Grundschuld.
- Zudem können Sie eine Verzinsung fordern. „Eine Ratenzahlung ohne Zins wäre ein kostenloser Kredit für den Kunden“, betont Sievers. Dem Anwalt zufolge gibt es aber keine Faustregel, welche Verzinsung Betriebe in solchen Fällen verlangen können. „Das müssen Sie immer im Einzelfall mit dem Kunden aushandeln.“
5. Die Abnahme wird hinausausgezögert
Mit der Abnahme wird der Werklohn fällig. Klamme Kunden versuchen laut Sievers deshalb gerne, die Abnahme hinauszuzögern. Der Rechtsanwalt rät, konsequent Fristen zu setzen. „Lassen Sie sich nicht auf den Sankt Nimmerleinstag vertrösten.“
Diese Verzögerungstaktik kann sich hinter einer vermeintlich plausiblen Ausrede verstecken. Zum Beispiel: Ohne den erkrankten Architekten könne die Abnahme nicht stattfinden. „Auf eine spätere Abnahme sollten Sie sich in solchen Fällen nur einlassen, wenn Sie im Gegenzug noch eine Abschlagsrechnung stellen dürfen“, empfiehlt Sievers.
Damit bei der Schlussrechnung kein großer Betrag mehr offen ist, hat der Rechtsanwalt noch einen Tipp: „Holen Sie bei Abschlagszahlungen möglichst viel raus, dann ist die Schlussrechnung kein Grund, die Abnahme hinauszuzögern.“
6. Plötzlich neue Bankverbindung
Auch Betriebe wechseln ab und zu mal die Bankverbindung. „Das muss kein Grund zur Sorge sein“, sagt Sievers. Er rät jedoch zur Vorsicht, wenn Ihr Geschäftspartner Sie regelrecht bedrängt, dass Sie „ab sofort nur noch die neue Kontoverbindung nutzen sollen“.
Nach Sievers Erfahrung kommt es vor, dass Firmen schnell ein neues Geschäftskonto eröffnen, um Zahlungen umzuleiten. Typischerweise werde eine neue Kontoverbindung von Unternehmen dann genutzt, wenn die Kontokorrentlinie bei der Hausbank überschritten ist oder die Hausbank den bestehenden Kredit aufgekündigt hat. „Zahlungen, die auf ein solches Konto eingehen, würde die Bank zumindest anteilig einbehalten“, erläutert Sievers. Wer die Zahlungseingänge jedoch auf ein neues Konto umleitet, verschaffe sich zumindest kurzfristig Liquidität.
7. Mitarbeitende erhalten keinen Lohn
Auf einer Baustelle sind oft mehrere Betriebe im Einsatz, deren Mitarbeitende sich austauschen. „Wenn Mitarbeiter erzählen, dass sie am Monatsende kein Geld bekommen haben, ist das ein ganz großes Warnsignal“, sagt der Rechtsanwalt. Es passiere nicht häufig, dass Löhne nicht gezahlt werden. Schließlich brauchen Betriebe ihren Mitarbeitenden, um Aufträge fertigzustellen und abzurechnen.
8. Großer Teil der Belegschaft wird entlassen
Wenn plötzlich ein großer Teil der Belegschaft entlassen wird, dann kann das laut Sievers ein Indiz für eine bevorstehende Insolvenz sein. „Es kann aber auch andere, strategische Gründe für einen solchen Schritt geben“, betont der Jurist. Wenn eine Vielzahl von Beschäftigten die Kündigung erhält, könne das zum Beispiel an einer strategischen Neuausrichtung oder Umstrukturierung liegen.
9. Lieferant holt Ware wieder ab
Ein Lieferant kommt auf die Baustelle Ihres Geschäftspartners und holt das Material wieder ab? „Das ist ein absolutes Warnsignal“, sagt Sievers. Denn es bedeutet, dass der Lieferant sein Geld nicht erhalten hat.
„Wenn Sie noch weitere Geschäfte mit ihrem Geschäftspartner machen wollen, sollten Sie unbedingt auf Ihre finanzielle Absicherung achten und mögliche Verluste begrenzen“, rät der Jurist. Engmaschige Abschlagszahlungen, Vorkasse, Sicherheiten und Bürgschaften könnten dabei helfen. Zudem sollten Sie darauf achten, dass Sie nicht groß in Vorleistung gehen.
10. Betrieb gibt Dumping-Angebote ab
Wenn ein Geschäftspartner mit Dumping-Angeboten arbeitet, sollten Sie vorsichtig sein. „In der Krise rechnen Unternehmen ihre Margen manchmal bewusst runter, um einen Auftrag zu bekommen“, berichtet Sievers. Das Problem daran: Solche Aufträge sind nicht kostendeckend und sichern langfristig nicht das wirtschaftliche Überleben.
Auf Dumping-Angebote können Sie zum Beispiel stoßen, wenn Sie mit Subunternehmern zusammenarbeiten. „Wenn Ihnen eine Leistung zu günstig angeboten wird, ist das verlockend“, meint der Rechtsanwalt. Schließlich kann für Ihren Betrieb am Ende mehr Geld rausspringen, wenn alles glatt läuft.
„Bricht Ihnen der Subunternehmer jedoch im Bauablauf weg, haben Sie ein Problem“, sagt der Rechtsanwalt. Kurzfristig einen Ersatz zu finden, ist schwer und in der Regel teuer. „Schlimmstenfalls zahlen Sie am Ende drauf“, sagt Sievers. Deshalb rät er Handwerkern: „Entscheiden Sie sich im Zweifel lieber für einen seriösen Preis.“
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