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Uniform oder Schafspelz?

Kriminalkommissare, die eingestehen müssen, dass es "bei der Polizei schwarze Schafe gibt". Pressemitteilungen, die davor warnen, dass Polizeiverlage Unternehmer "hinters Licht führen". Was ist da bloß los?

von Heiner Siefken

Bevor er sein Geld investiert, überlegt Ralf Heyn ganz genau. Bei jedem Euro. Das gilt auch und vor allem für Werbemaßnahmen. Denn der Existenzgründer sieht zwar optimistisch in die Zukunft, muss seine Geschäfte aber erst noch auf solide Beine stellen. Als jetzt das Telefon in seinem Betrieb in Banteln (nahe Hildesheim) klingelte, geriet die Sparphilosophie des Elektrotechnikmeisters ins Schwanken: "Ich dachte, dass mich die örtliche Polizei anruft. Der Mann sprach von einer Zeitschrift, von wichtigen Informationen zum Thema Kindesmissbrauch. Und ob ich das nicht mit einer Anzeige unterstützen wolle. Das klang erst einmal seriös."

Nachdem Heyn nähere Informationen angefordert hatte, flatterte ihm umgehend ein Anzeigenauftrag der "Schriftenreihe Sicherheit Heute" ins Haus. Im Briefkopf, in großen Buchstaben: "Die Polizei, Garant ihrer Sicherheit." Daneben ein Polizeistern. In dem Anschreiben teilt die Hanseatische Verlagsholding (HVH) mit, dass für Heyn in einer der nächsten Sicherheit Heute-Ausgaben eine Anzeigenfläche von 90x90 mm reserviert sei, zum Preis von 298 Euro netto. "Die Auflage der Zeitschrift machte mich stutzig. Nur 1000 Exemplare", erläutert Heyn. Er erhielt noch diverse Anrufe, hat aber nicht unterschrieben. Eine Frage ließ dem Unternehmer aber keine Ruhe: "Steckt wirklich die Polizei hinter Sicherheit Heute?"

Reine Geldmaschine

"Die echte Polizei hat damit nichts zu tun", sagt der Mannheimer Rechtsanwalt Alexander Thamm. Die (HVH) arbeite lediglich mit der so genannten Bundesvereinigung der Polizei-Basis-Gewerkschaften (BVPBG) zusammen: "Nach meiner Definition von Gewerkschaftsarbeit ist das allerdings keine wirkliche Gewerkschaft." Die Zeitschrift "Sicherheit Heute" sei eine reine Geldmaschine, mit der sich die BVPBG bereichern wolle, meint Thamm. Über die moralische Schiene werde gutgläubigen und hilfsbereiten Unternehmern das sauer verdiente Geld für nutzlose Anzeigen aus der Tasche gezogen. Thamm vertritt nach eigenen Angaben "wenigstens 50 Mandanten" gegenüber der HVH und "weit über 500 Mandanten in ähnlich gelagerten Fällen gegenüber Vorgängergesellschaften". Mehr als die Hälfte seiner Mandanten seien Handwerksbetriebe.

Auf Nachfrage weisen Verlagsholding und Polizei-Basis-Gewerkschaften jede Kritik an ihrem Geschäftsgebaren und jeden Zweifel an ihren Zielen zurück. Vorwürfe gegen die BVPBG würden "insbesondere von der Konkurrenz verbreitet, um den weiteren Aufbau der BVPBG zu behindern", schreibt BVPBG-Geschäftsführer Dieter Uekermann.

Dass ihre Akquisiteure den Eindruck erwecken, dass sie im Auftrag der örtlichen Polizei anrufen, bestreitet die Hanseatische Verlagsholding: "Richtig ist jedoch, dass der redaktionelle Teil der Schriftenreihe durch Polizeibeamte erstellt wird [...]." Aber ist die hohe Zahl der Gerichtsverfahren, die der Verlag mit Anzeigenkunden führen muss, nicht ein Beleg dafür, dass die Verlagsholding ihre Akquise-Strategie ändern sollte? Die HVH bittet um "Verständnis für den Hinweis, dass jedes Verlagshaus, das Anzeigenabonnements verkauft, gewisse Schwierigkeiten mit der Zahlungsmoral mancher Kunden hat".

Übrigens: Die Akten der Staatsanwaltschaft zum Thema Polizei-Basis-Gewerkschaften sollen mittlerweile einen kompletten Umzugskarton füllen. "Man muss sich fragen, ob die Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit nicht den Überblick verloren hat", sagt Rechtsanwalt Thamm.

Geschichte mit Geschichte

Wer sich im Internet über Polizeiverlage informiert, stößt auf zahlreiche Einträge. Diese Geschichte hat Geschichte. Dezember 2003: Das nordrhein-westfälische stellt eine Broschüre mit dem Titel "Echte Polizei?" ins Netz. März 2004: Die Polizei Bochum stellt in einer Pressemitteilung fest, dass sich "immer häufiger auch Anzeigenkunden der Schriftenreihe Sicherheit Heute hinters Licht geführt fühlen". Juni 2004: Der Spiegel berichtet, dass "einige Polizeibeamte aus NRW ein zwielichtiges Nebengeschäft betreiben".

Frage an die Polizei Bochum: Wie kann es angehen, dass die BVPBG auch im Jahre 2006 den Begriff "Polizei" für ihre Geschäfte nutzt? Müsste die Polizei nicht für Ordnung im eigenen Haus sorgen? "Der Name Polizei ist nicht gesetzlich geschützt", antwortet Kriminalkommissar Martin Krix. Zudem seien die Funktionäre der BVPBG nie für ihr Handeln verurteilt worden: "So ist die Rechtsprechung, da sind dann auch der Polizei die Hände gebunden." Dass der Fall einen "schalen Beigeschmack" habe, muss Krix eingestehen.

Links:

http://www1.polizei-nrw.de/duesseldorf/stepone/data/downloads/24/00/00/echte_polizei.pdf

http://www.presseportal.de/polizeipresse/p_story.htx?nr=535902

http://service.spiegel.de/digas/servlet/find/ON=spiegel-301601

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