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Politik und Gesellschaft

Unternehmerin ärgert sich über aggressive Abwerbung

Die Bundeswehr buhlt massiv um Handwerker. Unternehmerin Andrea Beneke hat schon drei Mitarbeiter an die Truppe verloren. Hier spricht sie über die Gründe.

Auf einen Blick:

  • Zusammen mit ihrem Mann führt Andrea Beneke einen Metallbaubetrieb mit 30 Mitarbeitern in Hannover.
  • In den letzten fünf Jahren haben drei Gesellen ihren Betrieb verlassen, um zur Bundeswehr zu gehen. Als Grund für den Wechsel nannten sie der Unternehmerin die bessere Bezahlung und bessere Kreditkonditionen bei der Bank.
  • Andrea Beneke sieht dringenden Handlungsbedarf. Allerdings hält sie wenig von einer Entlastung von Betrieben und Azubis bei den Sozialabgaben sowie einer Ablösesumme für Azubis.

Der Kampf um Fachkräfte und Azubis ist hart. Jetzt macht auch noch die Bundeswehr dem Handwerk Konkurrenz: Sie wirbt massiv um Fachkräfte, mit lustig gemeinten Sprüchen wie zum Beispiel „Gas, Wasser, Schiessen. Handwerker (M/W/D) gesucht“.

ZDH-Präsident schreibt Brief an Verteidigungsministerin

Im Handwerk kommt das nicht gut an. „Der Werbespruch ist niveaulos. Das gehört sich einfach nicht“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Er empfindet die Kampagne als Geringschätzung gegenüber dem Handwerk und hat sich deshalb schriftlich an Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gewendet.

Betrieb verliert Gesellen an die Truppe

Auch Unternehmerin Andrea Beneke sieht die Werbekampagne der Bundeswehr kritisch: „Das ist hart an der Grenze des guten Geschmacks.“ Doch sie weiß, dass sich viele Mitarbeiter von den Kampagnen der Bundeswehr angesprochen fühlen. „In den letzten fünf Jahren haben wir drei Gesellen an die Bundeswehr verloren“, berichtet die Handwerksunternehmerin, die zusammen mit ihrem Mann Thomas Beneke die Gebrüder Gieseler Service GmbH in Hannover führt. Das sei für den Metallbaubetrieb schmerzlich gewesen, da sie mit den gut ausgebildeten Mitarbeitern noch viel vorgehabt hätten.

Warum die Mitarbeiter dem Handwerk den Rücken kehrten

Für den Wechsel zum Bund nannten ihr die Männer schlagkräftige Argumente: „Mit einem Job bei der Bundeswehr haben wir am Ende des Monats mehr Geld im Portemonnaie“. Als weiteren Vorteil für den Jobwechsel hätten die Männer die besseren Kreditkonditionen bei der Bank zur Finanzierung des Eigenheims genannt.

Dem hatte die Unternehmerin wenig entgegenzusetzen. „Wir zahlen schon übertarifliche Gehälter“, so die Chefin des Metallbaubetriebs. Zudem gebe es zahlreiche Extras wie betriebliche Altersvorsorge, Gratisgetränke, Jobticket und einen Zuschuss zum Fitnessstudio. „Mehr ist kaum möglich“. Gegen die finanzielle Kraft der Bundeswehr kommen wir einfach nicht an, meint Beneke. Auch weiche Faktoren, wie Firmenevents und moderne Mitarbeiterführung sowie gutes Betriebsklima könnten der Finanzkraft nicht entgegenwirken.

Beneke: Entlastung bei Sozialbeiträgen würde nur kurzfristig helfen

Andrea Beneke ist davon überzeugt, dass die Bundeswehr, der öffentliche Dienst und Großkonzerne künftig noch stärker versuchen werden, Fachkräfte aus dem Handwerk abzuwerben. Sie sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf.

Allerdings hält sie wenig von den Lösungen, die derzeit in der Diskussion sind. Dazu gehört zum Beispiel die Forderung, Betriebe und Azubis bei den Sozialabgaben zu entlasten. „Weniger Sozialleistungen helfen uns natürlich erst einmal“, sagt Unternehmerin Andrea Beneke zu der Forderung. Doch ihrer Einschätzung nach ändere das langfristig nichts an dem Problem, dass ausgebildete Fachkräfte das Handwerk verlassen. Ähnlich sieht sie es bei der ebenfalls diskutierten Ablösesumme für Azubis: „Gerade große Konzerne zahlen eine solche Ablöse spielend“, meint die Chefin. Dann bleibe den Betrieben zwar Geld, aber Fachkräfte würden ihnen weiterhin fehlen.

Beneke sieht die Politik durchaus gefordert, allerdings an anderer Stelle: „Das Wohnen ist ein großes gesellschaftliches Problem“, sagt sie. Manche ihrer Mitarbeiter müssten die Hälfte ihres Gehalts ausgeben, um in der Stadt eine Wohnung für ihre Familie zu finanzieren. Für die Unternehmerin ein untragbarer Zustand. Angesichts horrender Immobilienpreise fordert sie Lösungen, wie auch Handwerksbetriebe ihre Mitarbeiter in der Stadt unterbringen können.

Ihre Meinung: Was halten Sie von der Kampagne der Bundeswehr? Schreiben Sie uns an redaktion@handwerk.com.

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