Keine Widerrufsbelehrung bei Außergeschäftsraumverträgen: Die Widerrufsfrist für Verbraucher verlängert sich um knapp ein Jahr.
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Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

Vertrag nach Ortstermin: Wann Kunden (k)ein Widerrufsrecht haben

Zwei fast gleiche Fälle, zwei verschiedene Ausgänge: Kunden widerrufen einen Vertrag. Der eine bekommt Recht, der andere nicht. Warum?

Auf einen Blick:

  • Bei manchen Verträgen haben Kunden ein Widerrufsrecht, sofern sie Verbraucher sind. Handwerker müssen dann über das Widerrufsrecht belehren.
  • Wichtig ist das zum Beispiel bei Außergeschäftsraumverträgen. Wer die Widerrufsbelehrung versäumt, nimmt eine deutliche Verlängerung der Widerrufsfrist in Kauf.
  • Auch bei Fernabsatzverträgen haben Verbraucher ein Widerrufsrecht. Der liegt aber nicht automatisch vor, nur weil ein Vertrag über E-Mail oder Brief abgeschlossen wurde.
  • Zwei Urteile zeigen, wann Kunden ein Widerrufsrecht zusteht und wann nicht.
  • Neu ist das Widerrufsrecht für Verbraucher nicht. Trotzdem kommt es immer wieder zu Streit zwischen Handwerkern und Kunden, die vom Vertrag zurücktreten wollen. Mit solchen Fällen mussten sich kürzlich die Richter des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts und des Kammergerichts Berlin befassen. Die Fälle weisen zwar deutliche Parallelen auf, doch die Urteile gingen für Unternehmer jeweils ganz unterschiedlich aus. Der eine Kollege hat nach dem Widerruf der Kundin Anspruch auf den vollen Werklohn, der andere bekommt kein Geld für seine Arbeit.

    Laut Tobias Hullermann, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, ist an den Gerichtsentscheidungen nichts auszusetzen. Sie seien ganz im Einklang mit der geltenden Rechtslage. „Ob Kunden widerrufen können, hängt immer vom Vertrag ab“, erläutert der Jurist, der Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Bau und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Das Widerrufsrecht für Verbraucher gebe es bei Außergeschäftsraum-, Fernabsatz- und Verbraucherbauverträgen. Doch in einem der beiden Fälle habe ein solcher Vertrag nicht vorgelegen.

    Fall 1: Kundin zahlt die Schlussrechnung und fordert dann das Geld zurück

    Die Kundin eines Gartenbauers will ihren Garten neu gestalten lassen. Zunächst vereinbaren sie einen Ortstermin und der Unternehmer nimmt das Aufmaß. Sein Angebot schickte er anschließend per Post, das akzeptiert die Frau daraufhin per E-Mail. Im Laufe der Bauarbeiten kommt noch ein zweiter Vertrag hinzu, den die Kundin telefonisch annimmt. Der Gartenbauer erledigt alle Arbeiten und stellt anschließend die Rechnung. Zunächst zahlt die Kundin rund 29.000 Euro. Dann widerruft sie den Vertrag und verlangt das Geld zurück. Sie habe einen Fernabsatzvertrag geschlossen und habe daher ein Widerrufsrecht, argumentiert die Frau.

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    Urteil 1: Kein Fernabsatzvertrag nach Ortstermin auf der Baustelle

    Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Az.: 1 U 122/20) entscheidet zu Gunsten des Unternehmers. Er habe die Verträge mit der Kundin zwar ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen –laut Gesetz seien das etwa Briefe, Telefonanrufe, E-Mails, erläutert Hullermann. Doch obwohl der Vertrag auf diese Weise zustande gekommen ist, hätten die Parteien in diesem Fall keinen Fernabsatzvertrag geschlossen.

    Gemäß § 312c BGB liege ein solcher Vertrag nur vor, wenn die Vertragsverhandlungen und der Vertragsschluss ausschließlich per Fernkommunikationsmittel geführt werden. Durch den Ortstermin habe die Kundin jedoch einen persönlichen Eindruck vom Gartenbauer und dessen Fachkunde gewinnen können sowie Gelegenheit gehabt, ihre Vorstellung darzulegen und Fragen zu stellen. Daher sei sie nicht weiter schutzbedürftig und habe kein Widerrufsrecht.

    Das bestätigt auch Hullermann: „Ein persönliches Treffen führt dazu, dass der Vertrag kein Fernabsatzvertrag mehr ist.“ Daher liege ein normaler Werkvertrag vor, bei dem Kunden kein Widerrufsrecht hätten. Zudem hätte die Frau den Vertrag nach Abschluss der Bauarbeiten auch nicht mehr kündigen können, da er bereits vollständig erfüllt war. „Der Unternehmer hat somit Anspruch auf die volle Bezahlung“, erläutert der Jurist.

    Hullermann zufolge wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte der Gartenbauer den Vertrag direkt auf der Baustelle geschlossen: „Das wäre ein Außergeschäftsraumvertrag gewesen und die Kundin hätte ein Widerrufsrecht gehabt.“

    Fall 2: Streit um Abrechnung führt zum Widerruf

    Einen Außergeschäftsraumvertrag hatte hingegen der Handwerker geschlossen, über dessen Fall das Kammergericht Berlin entscheiden musste. Zuvor hatte der Kollege eine Baustelle besichtigt. Dort beauftragte ihn der Kunde mündlich mit diversen Sanierungsarbeiten. Dann begann der Handwerker mit den Arbeiten und im Gegenzug erhielt er eine Abschlagszahlung in Höhe von rund 5.500 Euro. Bei der Abrechnung der Leistungen kommt es zum Streit. Im Mai 2020 widerruft der Kunde den Vertrag und fordert sein Geld zurück, der Handwerker habe ihn bei dem Außergeschäftsraumvertrag nicht über das Widerrufsrecht aufgeklärt.

    Aus Sicht Hullermanns ist dieser Fall ein Klassiker. Nach Erfahrung des Rechtsanwalts kommt es häufig vor, dass Kunden solche Verträge widerrufen, wenn es zum Streit über die Abrechnung oder über Baumängel kommt. „Für Handwerker wird es dann problematisch, wenn sie die Kunden nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht aufgeklärt haben“, sagt der Jurist. In solchen Fällen erlösche das Widerrufsrecht nicht 14 Tage nach Vertragsschluss sondern verlängere sich auf zwölf Monate und 14 Tage. So war es auch in diesem Fall.

    Urteil 2: Wenn die Widerrufsbelehrung fehlt, verlängert sich die Widerrufsfrist

    Das Kammergericht Berlin (Az. 21 U 41/21) entschied folgerichtig zu Gunsten des Kunden. Gemäß § 312b Abs. 1 und § 312g Abs. 1 BGB habe er den Vertrag wirksam widerrufen. Zudem sei der Widerruf rechtzeitig erfolgt, da er vom Handwerker bei Vertragsabschluss nicht über das Widerrufsrecht aufgeklärt worden sei. Dadurch endete die Widerrufsfrist erst nach zwölf Monaten und 14 Tagen – in diesem Fall im Juli 2020. Da die Leistungen des Handwerkers im Haus eingebaut sind, könne der Kunde sie nicht zurückgeben. Dem Kammergericht zufolge habe der Handwerker auch keinen Anspruch auf Wertersatz, weil er die Widerrufsbelehrung versäumt habe.

    Praxis-Tipp für Außergeschäftsraumverträge

    Was können Sie bei Außergeschäftsraumverträgen genau tun, damit es Ihnen nicht so geht wie diesem Kollegen? „Sie müssen Ihre Kunde über das 14-tägige Widerrufsrecht am besten schriftlich aufklären und unterschreiben lassen“, sagt Hullermann. Im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch sei in Anlage 1 ein Muster zu finden, das Handwerker nutzen könnten. Musterformulierungen sind aber auch auf der Website des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zu finden.

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