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Justizwahnsinn

Zahlungsziel: Gut gemeint, schlecht gemacht

Danke! Liebe Bundesregierung, dass Du ein EU-Gesetz in nationales Recht übersetzen willst, ist ganz toll – für die Auftraggeber der Betriebe. Die können sich bald nämlich noch mehr Zeit lassen mit dem Bezahlen. Echt, super.

Es gibt einen Grundsatz, der ist nachvollziehbar und sogar Gesetz. Grob vereinfacht steht in Paragraf 641 des Bürgerlichen Gesetzbuches: Wer eine Leistung abnimmt, muss sie zahlen. Und zwar umgehend. Schön. Doch die EU will mehr. Was gut ist, ist nicht gut genug, die Zahlungsfristen sollen kürzer werden, die Liquidität der Betriebe steigen. Leider könnte dieser Schuss gründlich nach hinten losgehen.

Die deutsche Bundesregierung muss die EU-Richtlinie gegen Zahlungsverzug in nationales Recht umsetzen und verkehrt die positive Zielsetzung – man glaubt es kaum – ins Gegenteil. Hallooo???  Ja, drei Fragezeichen sind hier nicht übertrieben, denn der neue BGB-Zusatz 271a wird die Zahlungswelt auf den Kopf stellen.

Der neue Normalfall: 90 Tage Zahlungsziel – lesen Sie Seite 2.

Die Vorgeschichte

Die "Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" gibt es seit 2000. Dass die Auftraggeber eher schleppend zahlen, lastet trotzdem immer noch schwer auf den kleinen und mittleren Betrieben Europas, Handwerksunternehmer werden als Kurzzeit-Kreditgeber missbraucht. Deshalb hat die EU-Kommission im April 2009 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie vorgelegt.

Seit 2010 betrachten Beobachter allerdings mit Stirnrunzeln, wie das Bundesministerium der Justiz (BMJ) die EU-Richtline in nationales Recht umsetzt (wir berichteten). Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Auftraggeber Zahlungs- und Abnahmefristen so addieren könnten, dass sie mit den neuen Gesetzen im Rücken die Betriebe erst nach 90 Tagen bezahlen müssen. Damit würde das BMJ Teile der Richtlinie in nationales Gesetz verwandeln, die weniger streng sind als die bestehenden BGB-Regelungen.

Neue Zahlungsfristen wandern in die AGB – lesen Sie Seite 3.

Die Details

Die Details hat der Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) aufgedröselt. Noch regelt BGB-Paragraf 641, dass "die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten" ist. Eine Zahlungsfrist ist ganz bewusst nicht vorgesehen, die Vergütung wird mit der Abnahme der Werkleistung fällig. Doch jetzt kommen die EU und das BMJ als Erfüllungsgehilfe mit dem BGB-Paragrafen § 271a um die Ecke.

In Absatz 1 und 2 soll stehen, dass eine Zahlungsfrist "durch Vereinbarung ausdrücklich getroffen" werden kann. Und noch besser: Die "ausdrückliche Vereinbarung" kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen.

Für die Schlussfolgerung muss man kein Prophet sein: Die Auftraggeber werden sich zuerst die Hände reiben und dann die 271a-Zahlungfristen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernehmen. Vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge.

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht - lesen Sie Seite 4.

Die Folgen

Das Bundesministerium kreiert gewissermaßen eine gesetzliche Vorlage für das Verschleppen von Zahlungen. Die EU wollte die Stellung der Gläubiger verbessern, de facto wird sie verschlechtert.

Auftraggeber könnten vereinbaren, dass die Zahlungsfrist für die Erfüllung der Werklohnforderung 60 Kalendertage nach Zugang der Schlussrechnung beträgt. Absatz 3 des BGB-Paragrafen 271 a schreibt eine Abnahmefrist von 30 Kalendertagen vor. Koppelt man beide Fristen, würde das für den Auftragnehmer bedeuten, dass seine Werkleistung erst bis zu 90 Kalendertage nach Fertigstellung und Abnahme vergütet wird.

Das Fazit

Michael Koch ist Hauptgeschäftsführer des Niedersächsichen Handwerkstages. Er bringt die Situation auf den Punkt: "Für eine derartige Verschärfung der Zahlungsrichtlinien besteht schlicht keine Veranlassung. Kein Zivilrichter wird eine Frist für unangemessen halten, die bereits als Option im Gesetz vorgesehen ist. Hier von freiwilligen Vereinbarungen zu sprechen, ist völlig realitätsfremd." Es stehe zu befürchten, dass die AGB der Auftraggeber generell auf das neue Niveau angehoben werden.

Anders gesagt: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Wir haben dem BMJ eine entsprechende Presseanfrage geschickt. Fortsetzung folgt.

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(sfk)

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