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Zoll kontrolliert verstärkt Handwerker

Betriebe unter Generalverdacht?

Acht bewaffnete Zöllner in der Metzgerei, verunsicherte Kunden am Tresen: So eine Mindestlohn-Kontrolle hat Bert Emundts in 50 Jahren nicht erlebt. Er ist entsetzt über das Auftreten der Kontrolleure. Und damit nicht genug.

Das Geschäft war voll mit Kunden, als die Kontrolleure kamen, erinnert sich Bert Emundts. Als die Männer mit „Kampfausrüstung“ in seine Leverkusener Metzgerei "einmarschierten", habe er sich gefühlt, als hätte er am Abend zuvor eine Bank ausgeraubt.

Es ging alles so schnell. Der Fleischermeister hatte nicht mal Zeit, seinen Kunden zu erklären, was das zu bedeuten hat, berichtet er. „Ich war so konsterniert über diesen plötzlichen Einfall der Männer.“ Wenig später standen sie „wie die Heringe“ in seinem Büro und wollten Aufzeichnungen und Lohnunterlagen einsehen.

Einige seien direkt nach hinten in die Produktion marschiert. „Ich konnte sie gerade noch stoppen und ihnen klarmachen, dass der Hygienebereich beginnt und dort niemand ohne Schutzkleidung etwas verloren hat“, sagt Emundts. Die weißen Overalls hätten sich die Männer dann auch übergezogen. Und an den seitlichen Hosentaschen, wo die Pistolen saßen, haben sie ein Loch in die Schutzkleidung gerissen. „Jeder sollte sehen, dass sie bewaffnet sind. Sie wollten uns einschüchtern.“

Eilig hätten sie die Mitarbeiter in der Produktionshalle einzeln an ihrem Arbeitsplatz befragt – damit sie sich nicht absprechen können. Da kamen Fragen wie „Wie ist denn Ihr Chef so? Was halten Sie von dem? Und was verdienen Sie hier eigentlich?“ Jeder Kollege konnte mithören.

„Aber es geht doch niemanden etwas an, wer hier wie viel verdient – auch nicht die Kollegen!“, sagt der Handwerksmeister. Die Mitarbeiter hätten sich gefühlt wie im Verhör. Sie dachten, ihr Chef habe „Dreck am Stecken“. Keiner konnte mit der Situation so richtig umgehen, berichtet Emundts.

Das Auftreten des Zolls hinterlässt bei Metzgermeister Emundts vor allem eine Frage:
Leben wir in einem Überwachungsstaat? Lesen Sie die nächste Seite.

Eingeschüchtert und verdächtigt

„Leben wir in einem Überwachungsstaat?“, fragt Emundts. „Wir Handwerker werden eingeschüchtert und unter Generalverdacht gestellt. Das fördert nicht den Willen, hier in Deutschland ein Unternehmen zu führen.“

Und wozu das Ganze? Emundts zahlt seinen Leuten mehr als den Mindestlohn. Er habe den Kontrolleuren alles vorlegen können, was sie sehen wollten. „Als vorbildlichen Betrieb haben uns die Zöllner bezeichnet“, sagt der 69-Jährige. Ihr Auftreten sei hingegen alles andere als vorbildlich gewesen. „Das verurteile ich auf das Schärfste.“

Man müsse leider alles schlucken. Das sei für ihn als „erfahrenen Kapitän“ auch kein Problem. Aber jüngere Handwerksmeister hätten nicht so eine dicke Haut. „Sie würden viel schneller das Handtuch schmeißen.“ Und genau das stört Bert Emundts an dem Verhalten der Zöllner.

Nach etwa zwei Stunden war der Spuk vorbei. Die Männer haben einen Nebenausgang der Metzgerei genommen. „Aber trotzdem wirft das nicht das beste Licht auf uns, wenn die Kunden bewaffnete Truppen aus unserem Geschäft gehen sehen“, sagt der Chefs von 21 Mitarbeitern. Zu viele handwerkliche Metzgereien hätten in den vergangenen Jahren geschlossen. Die Einschüchterungstaktik trage erheblich zum Sterben der kleinen Betriebe bei. „Das tut mir nicht nur für die Betriebe leid, sondern für das gesamte Handwerk.“

Ihre Erfahrung: War der Zoll auch kürzlich bei Ihnen und hat Ihre Mitarbeiter befragt oder Unterlagen eingefordert? Haben Sie Ähnliches zu berichten, wie Metzgermeister Emundts? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!


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