Ausgerechnet er. Ausgerechnet der Anwalt, der zahlreiche Betriebe gegenüber Online-Branchenverzeichnissen vertreten hatte, erhielt im Dezember 2011 eine Fax-Offerte von der Düsseldorfer GWE-Wirtschaftsinformations GmbH, auch bekannt als selbst ernannte Gewerbeauskunft-Zentrale.
Zuerst rieb sich Dr. Mirko Möller verwundert die Augen, dann hatte der Mitarbeiter der Dortmunder Kanzlei Schlüter Graf amp; Partner eine Idee. Genau, warum nicht einfach den Spieß umdrehen?
Für den Hintergrund: Derzeit befasst sich (wie berichtet) auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit der GWE. Nach 4500 Strafanzeigen gebe es einen "Anfangsverdacht wegen Betrugs", sagt Oberstaatsanwalt Ralf Möllmann auf Nachfrage von handwerk.com. Die Staatsanwaltschaft gehe "von einem mutmaßlichen Schaden im zweistelligen Millionenbereich aus".
Möllers Trick: Er schreibt das Kleingedruckte um, die GWE soll ihm ein Honorar zahlen!
Mal was Neues: Möller hat die GWE auf Zahlung verklagt
Kurz vor Weihnachten 2011 änderte Möller das Kleingedruckte in der GWE-Offerte. In seiner Version des GWE-Vertrages stand nichts mehr davon, dass die Kanzlei dafür zahlen musste, wenn ihre Daten im Internet veröffentlich werden. „Nein, die GWE sollte für die Erlaubnis zur Veröffentlichung unserer Daten den üblichen GWE-Satz als Honorar an uns zahlen. Das habe ich in der Schriftgröße der Offerte ins Kleingedruckte geschrieben und zurückgefaxt“, sagt Möller. Die GWE lässt sich ihrerseits den Eintrag auf der Seite gewerbeauskunft-zentrale.de gut bezahlen, knapp 1100 Euro kann die Unterschrift unter einen Vertrag kosten.
Die Gewerbeauskunft-Zentrale hat die Daten der Kanzlei dann tatsächlich ins Netz gestellt. Anfang 2012 hat Möller ein Schreiben aufgesetzt, in dem er sich für die Veröffentlichung der Kanzlei-Daten bedankt und die vorgesehene Vergütung eingefordert hat. Danach hat er die Zahlung einige Male angemahnt – und schließlich die GWE vor dem Amtsgericht Düsseldorf verklagt.
Der Prozess zog sich durch das Jahr 2012. Schon im Vorfeld der Urteilsverkündung hatte Möller allerdings für sich festgestellt, dass er das Verfahren (das sicherlich auch ein Stück weit eine PR-Aktion für ihn war) nur GWEinnen könne: „Entweder ist die Klage erfolgreich. Oder das Gericht bestätigt, dass man nicht erwarten kann, dass das Kleingedruckte so genau lesen wird.“
Vorbildcharakter? Die Betriebe könnten Möllers Idee aufgreifen – lesen Sie die nächste Seite.
Umkehrschluss: Kleingedrucktes ohne Bedeutung
Im Urteil vom 15.01.2013 (Aktenzeichen: 54 C 5800/12) hat das Amtsgericht Düsseldorf festgestellt, dass zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen sei. Die GWE habe das geänderte Angebot nicht durch die Veröffentlichung der Daten "konkludent" angenommen, also nicht aus dem eigenen und erkennbaren Willen. Die Änderungen seien nun einmal versteckt vorgenommen worden.
Aktuelle Presseanfrage an die GWE: „Bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass sich auch die Betriebe, die Ihre Verträge unterschreiben, nicht an das Kleingedruckte halten müssen?“ Leider hat die GWE bis Redaktionsschluss auf unsere Presseanfrage nicht geantwortet.
Übrigens: Der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität überprüft regelmäßig seine potenzielle Schadenseinschätzung für den Bereich der – um es mal vorsichtig auszudrücken – „auffälligen“ Online-Branchenverzeichnisse. Die Parameter: die Zahl der Anbieter, die Zahl der Einträge, die Gestaltung der Seiten, die durchschnittlichen Beträge. Spiegel Online hatte noch vergangene Woche die Zahl 700 Millionen Euro ins Spiel gebracht. „Es ist sogar noch mehr, wir mussten den Betrag nach oben korrigieren, mittlerweile gehen wir von 728 Millionen Euro aus“, sagt DSW-Geschäftsführer Peter Solf.