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Foto: handwerk.com

Es wird ernst

EU-Zahlungsziel: BMJ hält an Entwurf fest

Kritiker sagen: Das Bundesministerium der Justiz hat eine Vorlage für das Verschleppen von Zahlungen kreiert. Gegenüber handwerk.com verteidigt ein BMJ-Sprecher den Referentenentwurf aus dem Hause Leutheusser-Schnarrenberger.

Die EU hat – wie berichtet – die Richtlinie zur „Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ auf den Weg gebracht. Eine gute Sache. Mit einem Haken: Das BMJ muss die Vorgabe bis März 2013 in nationales Recht verwandeln. Zahlreiche Experten glauben, dass der Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz die Situation für die Betriebe verschlechtern wird. In Absatz 1 und 2 des BGB-Paragrafen 271a soll stehen, dass eine Zahlungsfrist „durch Vereinbarung ausdrücklich getroffen“ werden kann. Und: Die ausdrückliche Vereinbarung darf auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen.

Die Befürchtung: Der Entwurf des Bundesministeriums wird die Phantasie der Auftraggeber anregen. Sie könnten in ihren AGB lange Zahlungsfristen verankern und so mit den Abnahmefristen koppeln, dass die Werkleistung erst bis zu 90 Kalendertage nach Fertigstellung und Abnahme vergütet werden müsste.

„Gerade Bauhandwerker sind als Subunternehmer für Bauträger und Generalunternehmer tätig. Und die werden das ausnutzen, das steht doch fest. Mit dem 271a hätten sie dann sogar eine Begründung“, schimpft der niedersächsische Bauunternehmer Manfred Kurmann.

Das BMJ betrachtet die Zahlungswelt mit anderen Augen – lesen Sie Seite 2.

Die BMJ-Position

Dass die Vertragsparteien nach geltendem Recht Zahlungs- und Abnahmefristen frei vereinbaren können, meint BMJ-Pressesprecher Hendrik Wieduwilt. Beispiel Werkvertragsrecht: Dort könnten die Vertragsparteien bislang "ohne besondere Vorgaben" vom Paragrafen 641 BGB abweichen. Dort ist geregelt, dass die Vergütung bei der Abnahme einer Werkleistung fällig wird.

Der Gesetzentwurf des BMJ schränke die Möglichkeiten ein, Sondervereinbarungen über Fristen zu treffen: „Die gesetzlich vorgegebenen Grenzen entsprechen denen der Richtlinie 2011/7/EU. So darf nach § 271a Absatz 1 BGB-E eine zwischen Unternehmen vertraglich festgelegte Zahlungsfrist nur dann mehr als 60 Tage betragen, wenn sie ausdrücklich vereinbart wird.“ Wer die komplette BMJ-Stellungnahme lesen möchte: Hier geht’s lang.

Weil der Gesetzentwurf in § 271a Absatz 2 BGB den öffentlichen Auftraggebern zwingende Vorgaben macht, sei zu erwarten, dass sie für erbrachte Leistungen künftig schneller bezahlen werden. Wieduwilt: „Die Befürchtungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, die in Ihrer Anfrage in Bezug genommen wurden, treffen also insgesamt nicht zu.“

Nächste Seite: So bewertet ZDH-Justiziar Klaus Schmitz die BMJ-Stellungnahme.

Die ZDH-Position

Die BMJ-Antwort stelle das Problem „nicht vollständig dar“, entgegnet ZDH-Justiziar Klaus Schmitz: „Natürlich begrenzt der neue § 271a BGB die Fristen nach oben. Damit ändert sich aber das – auch und gerade für die AGB-Kontrolle maßgebliche – gesetzliche Leitbild. Es geht ja nicht nur um einen begrenzenden Richtwert für öffentliche Auftraggeber. De facto werden die Fristen ausgedehnt, weil der Gesetzgeber sagt: 'Zahlung unverzüglich - wenn Ihr aber 60 Tage vereinbart, ist das auch in Ordnung'." Es gebe Marktteilnehmer, denen man so etwas nicht zweimal sagen muss.

Schmitz befürchtet, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Betrieben von Herstellern und Lieferanten präsentiert werden, die verlängerten Fristen zur Regel werden – und damit steht er nicht alleine. "Zur Zeit ist die gesetzliche Lage eindeutig. Wer eine Leistung abnimmt, muss sofort zahlen!", sagt der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Handwerkstages, Michael Koch. Natürlich gebe es auch jetzt vereinbare Ausnahmen, etwa in der VOB: "Das rechtfertigt aber nicht, dass die Ausnahmen bereits im Gesetzeswortlaut verankert werden."

Diese „nachteilige Veränderung des Rechtsrahmens“ sei auch gar nicht notwendig, fügt Schmitz hinzu. Deutschland müsse die Zahlungsverzugsrichtlinie nicht zwingend 1:1 umsetzen: „Das BMJ hätte es an dieser Stelle einfach bei der geltenden Regelung belassen können. Schließlich war es ein erklärtes Anliegen der EU-Kommission, Zahlungsverzögerungen zu bekämpfen." Schmitz‘ vollständigen Kommentar finden Sie hier.

Nächste Seite: Das sagen Kollegen zu den BMJ-Plänen.

Die Leser-Position

handwerk.com-Leser Manfred Brüggemann schlägt vor: "Die Herren Referenten dürfen ab sofort erst nach 90 Tagen ihr Gehalt und Extra-Vergütungen erhalten. Ferner müssen zukünftig in Form einer Leistungsüberprüfung und damit verbundene Abnahmen (dort lassen sich auch Mängel feststellen) stattfinden, um die Gehaltszahlung freizugeben oder zu verweigern. Gleiches 'Unrecht' für alle!

Handwerksunternehmer Michael Olejnik hat einen pragmatischen Vorschlag: „Der Kunde zahlt aufgrund angeblicher Mängel nicht – warum kann der Handwerker nicht verlangen, dass der offene Rechnungsbetrag bei einem Notar hinterlegt werden muss? Dann kann in Ruhe ein Gericht die Streitfrage klären. Für Auftraggeber, die Mängel vorschieben, um sich ihrer Zahlungspflicht zu entziehen, würde sich diese Taktik nicht mehr lohnen."

Elektotechnik-Spezialist Rolf Landmesser schimpft: „Wenn es einen Zusammenhang zwischen einem langen Familiennamen und den daraus resultierenden Verschleppungstaktiken beim Erstellen von notwendigen Gesetzen gibt, dann steht der Name Leutheusser-Schnarrenberger dafür. Es ist schon eine ganz schlechte "Tradition", dass ausgerechnet die FDP das Justizministerium immer zugeschanzt bekommt oder beansprucht. Mit entsprechenden Ergebnissen.“

Die vollständigen Leserbriefe lesen Sie hier.

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(sfk)

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