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Foto: handwerk.com

Nicht ohne Einwilligung!

Mit den eigenen Mitarbeitern werben

Sie sind die Gesichter Ihres Unternehmens – und daher auf Werbefotos und im Video zu sehen. Doch was geschieht, wenn die Mitarbeiter das alles nicht mehr wollen?

Jeder sieht's:
Fahrzeugwerbung2

Wenn Christian Brack mit seinem Monteurwagen durch die Stadt fährt, sieht jeder schon von weither, dass er es ist. Brack arbeitet bei der Bode Energie- und Sicherheitstechnik GmbH in Göttingen, und die bildet auf ihren Kundendienstfahrzeugen schon seit Jahren die eigenen Mitarbeiter ab – in Lebensgröße. Laut Geschäftsführer Alexander Pape stößt diese Art der personalisierten Werbung bei den Kunden auf positive Resonanz: „Manche kennen die Chefs ja gar nicht, sondern nur die Monteure, die zu ihnen nach Hause kommen“, sagt der 39-Jährige. „Sie sind unser wichtigstes Aushängeschild.“

Echte Mitarbeiter statt Models
Die Beschäftigten als Werbefiguren, die sich augenscheinlich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren – viele Unternehmen bauen sie mittlerweile in ihre Kommunikation mit ein. Sie sind auf der Website abgebildet, im Firmenflyer, auf Plakaten oder spielen im Imagevideo eine Rolle. Die Mitarbeiter des Lebensmittelproduzenten Rügenwalder Mühle strahlen den Kunden sogar auf der Wurstverpackung entgegen, und beim  schwäbischen Unterwäschehersteller Comazo ließen sich einige von ihnen in den hauseigenen Dessous fotografieren.

Doch was passiert, wenn diese Mitarbeiter plötzlich Bedenken anmelden, das Fahrzeug aber schon beklebt, der Flyer schon gedruckt ist? Oder wenn sie dem Unternehmen für immer den Rücken kehren? Dazu einige Tipps von Nina Diercks. Sie ist Rechtsanwältin in Hamburg und kennt sich aus mit den rechtlichen Fallstricken, die bei dieser Art der Werbung zu umgehen sind.

Auf Seite 2 erfahren Sie, wann eine Einwilligung der Mitarbeiter erforderlich ist.

1. Wann ist eine Einwilligung erforderlich?

„Zu Werbezwecken benötigt der Arbeitgeber immer eine Einwilligung des Arbeitsnehmers“, sagt Rechtsanwältin Nina Diercks. „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gibt man ja nicht mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages ab.“

Laut dem Kunsturhebergesetz ist für Bildnisse von Personen prinzipiell eine Einwilligung erforderlich – egal ob es sich um Fotos oder Bewegtbilder handelt. Es gibt nur drei Ausnahmen: 1. Die Person ist lediglich „schmückendes“ Beiwerk und nicht eindeutig zu erkennen, 2. sie ist als Teilnehmerin einer öffentlichen Großveranstaltung zu sehen und 3. sie ist eine Person der Zeitgeschichte.

Bei Texten wie Lebensläufen oder schriftlichen Zitaten von Mitarbeitern greift ebenfalls das Persönlichkeitsrecht und damit auch das Datenschutzrecht. Hier gilt es also ebenfalls, die Mitarbeiter um Erlaubnis zu fragen.

2. Wie muss die Einwilligung erfolgen?
Die Einwilligung sollte Diercks zufolge stets schriftlich erfolgen, um auf der sicheren Seite zu sein. Das empfehle sich schon aus Gründen der Beweisbarkeit: Wenn der Mitarbeiter später abstreitet, zugestimmt zu haben, und es keine Zeugen gibt, hat der Arbeitgeber ohne solch ein Dokument schlechte Karten. Die Abgebildeten können Unterlassung, die Erstattung ihrer Anwaltskosten und Schadenersatz verlangen.

Außerdem hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile entschieden, dass eine schriftliche Einwilligung zwingend notwendig ist (Aktenzeichen 8 AZR 1011/13). Diese Notwendigkeit ergebe sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Doch was muss in dieser schriftlichen Einwilligung drinstehen? Mehr dazu auf Seite 3.

3. Was muss die Einwilligung beinhalten?

„Die Unterzeichner müssen absehen können, in was genau sie da schriftlich einwilligen“, sagt Nina Diercks. Aus dem Text müsse hervorgehen, welches Nutzungsrecht die Arbeitnehmer dem Unternehmen im Einzelnen einräumen. Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden.

Des Weiteren rät sie dazu, auch die Nutzungsarten möglichst konkret zu benennen. So kann in dem Text zum Beispiel stehen, dass der Unterzeichnende insbesondere in die Abbildung der Fotos auf den Fahrzeugen, der Website und der Facebook-Seite des Unternehmens einwilligt.

Die Juristin empfiehlt, sich von einem Anwalt eine „vollumfassende Vorlage“ bauen zu lassen – mit Erläuterungen für eventuell zu streichende Passagen am Papierrand. „Das Unternehmen kann diese Vorlage dann flexibel an den jeweiligen Einzelfall anpassen.“

4. Können die Mitarbeiter ihre Zustimmung widerrufen?
„Nein, grundsätzlich nicht.“, antwortet Nina Diercks. „Der Arbeitgeber muss sich auf die einmal erteilte Einwilligung verlassen können, weil ihm durch die Werbung Kosten entstehen.“ Andernfalls müsste ein Unternehmen allenthalben mit teuren Überraschungen rechnen: die Werbebroschüre wieder einstampfen, Plakate abhängen, Leute aus dem Firmenvideo herausschneiden.

Seite 4: Was passiert, wenn die jeweiligen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen?

5. Was geschieht nach dem Weggang eines Mitarbeiters?

Die Einwilligung besteht nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich fort. Ob der ausgeschiedene Arbeitnehmer sie widerrufen kann, hängt Diercks zufolge insbesondere von der Art des Fotos oder Videos ab. Kaum möglich sei ein Widerruf bei einer Abbildung mit einer rein illustrierenden Funktion. Bei einem Foto von einer telefonierenden Angestellten zum Beispiel. Oder bei einer Videosequenz, in der ein Ausbilder gerade einen Lehrling an einer Maschine unterweist.

Anders sieht es hingegen aus, wenn der Arbeitgeber konkret mit einem bestimmten Mitarbeiter und seinen Fähigkeiten wirbt. Das gelte insbesondere dann, wenn das Unternehmen weiterhin die Kontaktdaten und den Lebenslauf nebst Foto veröffentlicht, sagt die Rechtsanwältin. „In diesem Fall sollte der Arbeitgeber Text und Foto oder Video umgehend entfernen. Das ist nicht nur aus Gründen des Persönlichkeits-, sondern auch des Wettbewerbsrechts zu empfehlen. Es wäre nämlich unter Umständen wettbewerbswidrig, mit den Fähigkeiten einer Person zu werben, die dem Unternehmen gar nicht mehr zu Verfügung steht.“

Diercks weist noch auf eine weitere Widerrufsmöglichkeit hin: Nach Maßgabe mehrerer Gerichtsurteile kann ein Mitarbeiter seine Einwilligung auch dann wirksam widerrufen, wenn er einen „wichtigen Grund“ angibt. Dazu zählt unter anderem eine Änderung der „inneren Einstellung“. Die Regelung ist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber konkret mit der Qualifikation einzelner Mitarbeiter wirbt.

Als Beispiel erwähnt Diercks einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer in freizügiger Kleidung in einem Firmenkalender abgebildet war und dann zu einem kirchlichen Arbeitgeber wechselte. Der Abgebildete begründete seinen Widerruf damit, dass er dem Ansehen der Kirche nicht schaden wolle und dass sich seine religiöse Einstellung geändert habe. Das war das Ende seiner Freizügigkeit. Und das Ende des Kalenders.

(afu)

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