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Balanced Scorecard: Wie soll das funktionieren?

Wichtiges bleibt nicht mehr liegen!

Was bringt die Balanced Scorecard einem Handwerksbetrieb in der Praxis? Und wie können Handwerker dabei vorgehen, ohne sich zu verzetteln? Praktische Antworten von einem Experten.

Wir haben einen Experten gesucht, der sich auskennt mit der Balanced Scorecard und mit der Praxis in kleinen Handwerksbetrieben. Wir haben ihn gefunden: Prof. Joachim Weber von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart.

Herr Weber, „Balanced Scorecard“ hört sich ziemlich mächtig an. Ist das nicht eine Nummer zu groß für einen kleinen Handwerksbetrieb?
Joachim Weber: Überhaupt nicht, eine Scorecard kann jeder erstellen und sie lohnt sich sogar für einen Ein-Mann-Betrieb.

Aber ist das nicht etwas zu viel des Guten? Gerade die Chefs kleiner Betriebe haben auch so schon viel zu planen.
Das Problem ist doch, dass viele Chefs im Tagesgeschäft vor allem die dringenden Dinge erledigen. Andere Aufgaben, die langfristig mindestens ebenso wichtig sind, rücken dabei immer wieder nach hinten. Die Scorecard hilft dabei, diese wichtigen Ziele zu verfolgen, statt sie ständig zu verschieben. Sie ist eine Selbstverpflichtung: Ich setze mir Ziele und Termine, plane die entsprechenden Maßnahmen und kontrolliere mich selbst regelmäßig. So bleibt Wichtiges nicht mehr auf der Strecke.

Nächste Seite: Jetzt mal ganz praktisch – was bringt die Scorecard in einem kleinen Betrieb?

Warum To-do-Listen nicht genügen

Haben Sie ein Beispiel, warum die Scorecard bei den Prioritäten hilft?
Nehmen wir die Liquidität: Viele Betriebe, die ständig knapp bei Kasse sind, kümmern sich ganz automatisch laufend um neue Aufträge, die frisches Geld bringen. Dabei nehmen sie auch Aufträge an, die nicht so richtig attraktiv sind. Dabei wäre das Problem mit der Liquidität weniger groß, wenn jeder seine Schlussrechnungen sofort schreiben würde und nicht erst nach Wochen oder Monaten. Die Zahlungsmoral und die Liquidität würden besser. Dann hätte der Chef etwas Luft und könnte weniger lohnende Aufträge auch mal ablehnen. Und dann würde plötzlich auch die Rentabilität besser.

Würde dafür nicht eine einfache To-do-Liste genügen?
Wenn es nur um die Schlussrechnung geht, wäre die Scorecard tatsächlich überflüssig. Aber ein Unternehmer hat ja viel mehr zu bedenken: Finanzen, Kunden, Mitarbeiter, Investitionen usw. Und da hat fast jede Entscheidung Auswirkungen auf alle Bereiche. Das ist komplex und die Scorecard hilft dabei, dieses Wechselspiel gleich mitzuplanen. Das schützt vor Fehlentscheidungen. Eine To-do-Liste schafft das nicht.

Wie schützt die Scorecard vor Fehlentscheidungen?
Nehmen wir einen Unternehmer, dem das Geld ausgeht. Weil gerade ein Mitarbeiter in Rente geht, will er den Mitarbeiter nicht ersetzen, das würde die Personalkosten und die Kapitalbindung verringern. Das kann er machen und wird dann feststellen, welche Folgen es noch hat. Oder schaut erst auf seine Scorecard und fragt sich, wie sich das auswirken könnte: Es fehlt ein Ansprechpartner für Kunden, vielleicht fehlen sogar Spezialkenntnisse, die nur dieser Mitarbeiter hat. Also kann der Betrieb bestimmte Aufträge nicht mehr annehmen und die Kundenzufriedenheit sinkt, weil ein Ansprechpartner fehlt. Dann ist die Frage: Was kann ich tun, um gegenzusteuern: Muss ich Mitarbeiter weiterbilden, die bisher keine Kundenkontakte hatten? Wer vor so einer Entscheidung auf seine Scorecard schaut, der kann die Folgen besser abschätzen und Erfolgsperspektiven entwickeln.

Nächste Seite: Wie viel Zeit muss ein Handwerker für die Scorecard einplanen?

Wie aufwändig ist eine Scorecard?

Der Aufwand ist überschaubar: Eine Balanced Scorecard kann ein Handwerker problemlos an einem Tag oder einem Wochenende selbst erstellen, ohne Beratung und fremde Hilfe. Und dann sollte er sich vielleicht einmal im Quartal die Zeit nehmen und die Scorecard überprüfen: Habe ich meine Ziele erreicht? Wenn nicht: Was kann ich tun und bis wann ist das Ziel nun zu erreichen? Vielleicht kommen auch neue Ziele hinzu und andere fallen raus, weil sie erledigt sind.

Wer sollte einbezogen werden?
Im ersten Schritt kann der Chef die Scorecard alleine angehen. Aber wenn es so eine Art Führungsteam gibt, sollte es miteinbezogen werden. Zum Beispiel der Sohn als Nachfolger und die Ehefrau, die das Büro führt. Das führt zwar zu Diskussionen und dann dauert es eben zwei Tage, bis die Scorecard fertig ist. Aber das hat den Vorteil, dass der Chef Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch heraus trifft, sondern möglichst objektiviert. Ein weiterer Vorteil: Wenn es so ein Führungsteam gibt, dann sollte es einige der in der Scorecard festgeschrieben Aufgaben übernehmen. Das entlastet den Chef.

Wie sollte ein Handwerker vorgehen, der eine Scorecard erstellen will?
Der erste Schritt besteht darin, die Erfolgsdimensionen festzulegen, die in der Scorecard stehen sollen. Meisten sind das vier Bereiche: Finanz- und Ertragskraft, Kunden und Märkte, Leistung und Organisation, Mitarbeiter und Lieferanten. Dann überlegt man sich, was in jedem Bereich langfristig wichtig ist und wo man aktuell steht – auch im Vergleich zur Konkurrenz. In den Bereichen, in denen man besser als die Konkurrenz ist, ist der Handlungsdruck nicht so groß. Die kann man also zurückstellen, das entlastet. Die Bereiche, in denen die Konkurrenz besser oder gleich stark ist, nimmt man sich genauer vor und setzt sich Ziele; in der Scorecard heißen sie Erfolgskenngrößen. Bei den Finanzen kann das zum Beispiel die Zahlungsmoral sein, bei den Kunden die Kundenzufriedenheit oder bei den Mitarbeitern die Motivation.

Nächste Seite: Erfolgskenngrößen für die Praxis – das kann wirklich jeder selbst!

So einfach entwickeln Sie Ihre Erfolgskenngrößen

Erfolgskenngrößen? Das klingt kompliziert: Wie soll man denn Kundenzufriedenheit, Motivation oder Qualität einfach messen?
Umfragen wären eine Möglichkeit, aber es geht auch einfacher. Nehmen wir das Beispiel Qualität. Der Handwerker muss sich fragen, woran er erkennt, dass die Qualität gut ist. Eine mögliche Antwort wäre vielleicht: „Meine Qualität ist gut, wenn ich wenige Reklamationen habe“. Das ist doch etwas, was man sich als Erfolgskenngröße vornehmen kann, die sich problemlos messen lässt: Senkung der Zahl Reklamationen.

Oder nehmen wir die Erfolgsdimension „Mitarbeiter amp; Lieferanten“: Da könnte eine Erfolgskenngröße die Mitarbeitermotivation sein, die ein Handwerker verbessern möchte. Da lautet die Frage: „Woran erkenne ich, dass meine Mitarbeiter hoch motiviert sind?“ Eine Antwort könnte lauten: „Wenn sie immer wieder Ideen einbringen und Verbesserungsvorschläge machen.“ Das kann man leicht messen, man muss die Vorschläge einfach nur zählen. Ein anderer würde vielleicht antworten: „Wenn die Mitarbeiter zeitlich flexibel sind.“ Auch das kann man messen, sogar ohne Zeiterfassung. Das einfachste Maß dafür wäre es, sich zu überlegen: Wie viele Mitarbeiter sind flexibel und müssen nicht erst jedes Mal lange zu Überstunden überredet werden?

Also gibt es keinen festen Katalog an Maßgrößen und Kennzahlen, den man übernehmen kann? Den gibt es nicht und genau das ist das Schöne an der Scorecard: Wir stellen immer wieder fest, dass jeder Unternehmer andere Varianten von Maßgrößen benötigt und da ist die Scorecard sehr flexibel. Entscheidend ist, dass sich der Unternehmer bei seinen Zielen immer fragt, welche ihm wichtig sind und woran er erkennen würde, wenn er diese Ziele erreicht hat. Daraus ergeben sich handhabbare Erfolgskenngrößen.

Nächste Seite: Nicht zu viel auf einmal vornehmen – so bleiben Sie realistisch!

Realistische Ziele in der Balanced Scorecard

Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Wenn sich der Unternehmer seine Erfolgskenngrößen überlegt hat, also seine Ziele, dann muss er sich überlegen, wie er diese Ziele erreichen kann. Er muss also für jede Erfolgsdimension und jedes Ziel entsprechende Maßnahmen entwickeln. Dabei muss er genau überlegen, wie sich jede Maßnahme auf die anderen Erfolgsdimensionen auswirkt, damit sie keine negativen Folgen hat.

Da kommt sicher einiges zusammen. Wird das nicht unübersichtlich und blockiert letztlich Entscheidungen? Darum gehört in der Scorecard zu jeder Maßnahme auch ein Eintrag, wer dafür verantwortlich ist und bis wann sie zu erledigen ist. Wichtig ist, dass man realistisch bleibt: Nicht zu viele Maßnahmen und Ziele auf einmal, sondern nur dass, was am dringendsten und auch wirklich zu schaffen ist. Ein Handwerker könnte sich zum Beispiel in seiner Scorecard vier Ziele setzen, eines für jeden Bereich, und sich vornehmen, diese Ziele innerhalb des nächsten Quartals umzusetzen. Wenn er nach einem Vierteljahr feststellt, dass er das geschafft hat, dann nimmt er sich die nächsten Ziele vor und setzt sich dafür einen neuen Termin.

Besteht nicht die Gefahr, dass auch die Scorecard irgendwann im Tagesgeschäft untergeht?
Das ist richtig. Ohne Selbstverpflichtung und Disziplin geht es nicht. Man muss sich Maßnahmen vornehmen, mit deren Umsetzung man sofort beginnt, zum Beispiel „schneller Rechnungen schreiben“. Und man sollte jeden Tag einmal kurz auf die Karte schauen, um sich daran zu erinnern.

Letzte Seite: Ein Trick für den Alltag – so bleiben Sie bestimmt dran an Ihrer Scorecard!

So motivieren Sie sich immer wieder für die Scorecard

Gibt es vielleicht einen Trick, wie man sich immer wieder dazu motivieren kann?
Dafür braucht man keinen Trick. Unternehmer merken schnell, wie sehr ihnen die Scorecard auch im Alltag hilft, zum Beispiel in Gesprächen mit der Bank oder mit Mitarbeitern: Die Planung der Maßnahmen mit der Scorecard stärkt die eigene Fähigkeit, andere zu überzeugen. Wer eine Scorecard nutzt, hat alles durchdacht und kann schlüssig argumentieren. Egal, ob man die Hausbank von einer Investition überzeugen will oder Mitarbeiter von einer Weiterbildung.

Das Interview führt Jörg Wiebking.


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