Auf einen Blick:
- Eine Abmahnung soll einen Mitarbeitenden auf einen Fehler aufmerksam machen und vor Konsequenzen warnen – der Kündigung.
- Deshalb gelten ein paar Regeln für Abmahnung und Kündigung, die im Streitfall jedes Arbeitsgericht als erstes prüft. Zum Beispiel: Wann und wie haben Sie vor der Kündigung abgemahnt? Ist der Fehler überhaupt ein Grund für die Abmahnung? Haben Sie das Fehlverhalten im Schreiben korrekt benannt?
- Als Arbeitgeber sollten Sie aber auch wissen, wann Sie direkt kündigen dürfen, ohne vorherige Abmahnung.
- Und wussten Sie, dass zu viele Abmahnungen eher hinderlich als hilfreich sind und auch Mitarbeitende ihren Chef abmahnen dürfen?
Was ist der Sinn einer Abmahnung?
„Eine Abmahnung erfüllt immer eine Warnfunktion“, sagt Jan Reilbach, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Köln. „Sie dient dazu, einen Mitarbeitenden auf ein konkretes Fehlverhalten aufmerksam zu machen, damit er es ändern kann.“
Gleichzeitig dient eine Abmahnung dazu, eine verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten. „Wenn eine verhaltensbedingte Kündigung vor dem Arbeitsgericht überprüft wird, schauen sich die Richter den Einzelfall genau an und nehmen eine Interessensabwägung vor“, so der Fachanwalt. Nur selten sei ein Fehlverhalten so gravierend, dass sofort eine Kündigung ausgesprochen werden könne. Mit einer Abmahnung aber könne der Arbeitgeber vorausgegangene Fehler vor Gericht belegen.
Wann kann eine Abmahnung entfallen?
Eine Abmahnung vor einer fristgerechten Kündigung ist nur notwendig, wenn im Betrieb der gesetzlichen Kündigungsschutz gilt, also mehr als zehn Mitarbeitende beschäftigt sind. „Bei Kleinunternehmen kann der Arbeitgeber in der Regel ohne Angabe von Gründen kündigen“, sagt Reilbach. „Soll eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden, ist allerdings im auch Kleinbetrieb im Normalfall eine vorherige Abmahnung erforderlich.“
Eine Abmahnung kann auch entfallen, wenn das Fehlverhalten des Mitarbeitenden besonders gravierend ist. „Diebstahl, Arbeitszeitbetrug, sexuelle Belästigung oder schwerwiegende Drohungen gegen Vorgesetzte und Kollegen sind solche gravierende Fälle“, nennt der Anwalt Beispiele. Dann könne der Arbeitgeber entweder fristgerecht oder sogar fristlos kündigen.
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Was sind Abmahnungsgründe?
Typische Gründe für eine Abmahnung seien Zuspätkommen, Fehler in der Arbeit, verspätetes Krankmelden oder die Missachtung von Sicherheitsvorkehrungen, zählt Reilbach auf. „Dabei kommt es auch hier auf die konkrete Situation an.“
- Zuspätkommen: „Wenn im Arbeitsvertrag als Arbeitsbeginn 8:00 Uhr festgelegt ist, kann ein Erscheinen um 8:01 Uhr schon ein Abmahnungsgrund sein“, so der Anwalt. Er rät allerdings, Augenmaß walten zu lassen, schließlich kann es gute Gründe für ein Zuspätkommen geben. Aber: „Wer wiederholt zu spät kommt, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten und kann deshalb abgemahnt werden.“
- Sicherheitsvorkehrungen missachten: „Das ist ein klarer Abmahnungsgrund“, sagt Reilbach.
- Alkohol am Arbeitsplatz: Hier ist die Lage komplizierter. „Grundsätzlich ist das Trinken am Arbeitsplatz nicht verboten, es sei denn, im Arbeitsvertrag steht ein Alkoholverbot“, so der Anwalt. Und was ist mit einem Bier in der Mittagspause? Das kann der Arbeitgeber nur verbieten, wenn er sachliche Gründe für anführen kann wie zum Beispiel vorgeschriebene Promille-Grenzen, erhöhte Gefährdung bei der Arbeit oder Kundenkontakt.
- Krankmeldung verspätet: „Wenn jemand sich nicht krankmeldet oder seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht einreicht, ist das ein Abmahnungsgrund“, so Reilbach. Schließlich handele es sich dann um unentschuldigtes Fehlen bei der Arbeit.
- Fehler: Jeder macht Fehler, aber auch sie können ein Abmahnungsgrund sein. „Wenn der Fehler eine sogenannte Pflichtverletzung im Leistungsbereich darstellt, der Mitarbeiter es also besser weiß und kann, kann er abgemahnt werden“, erklärt der Anwalt.
Was muss in einer Abmahnung stehen?
Schnell können Abmahnungen unwirksam sein, weil sie nicht korrekt erstellt wurden. Folgende Punkte müssen laut Anwalt Reilbach inhaltlich in einem Abmahnungsschreiben aufgeführt sein:
- Fehlverhalten: Sie sind am 12. Juni 2023 um 8.30 Uhr zur Arbeit erschienen.
- Pflichtverstoß: Sie haben damit gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen: Ihr Arbeitsbeginn ist laut Arbeitsvertrag um 8.00 Uhr.
- Aufforderung: In Zukunft erscheinen Sie pünktlich um 8.00 Uhr.
- Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen: Im Wiederholungsfall müssen Sie mit der Kündigung Ihres Arbeitsvertrages rechnen.
Wie oft muss ich einen Mitarbeitenden abmahnen?
Es gibt den Mythos, dass nach drei Abmahnungen eine Kündigung erfolgt. „Das ist Unsinn“, sagt Jan Reilbach. Wie immer kommt es auch hier auf den Einzelfall an: Wie schwerwiegend ist der Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten? Wie viel Zeit lag zwischen einzelnen Fehlern? „Es gibt keine starren Vorgaben“, so Reilbach. Verstoß und Abmahnung müssten aber immer in einem zeitlichen Zusammenhang stehen. Sie sollten eine Abmahnung also zeitnah schreiben. Es gebe zwar „keine strenge Frist, aber eine Abmahnung erst nach einigen Monaten kann zu spät sein“.
Er rät zudem davon ab, Mitarbeitende zu oft abzumahnen: „Dann verliert die Abmahnung ihre Warnfunktion“, sagt der Anwalt. Der Mitarbeitende könne nach sieben oder acht Abmahnungen ohne Folgen davon ausgehen, dass der Arbeitgeber keine Konsequenzen folgen lässt. „Dies kann allerdings geheilt werden: Die nächste Abmahnung wird wörtlich als „allerletzte“ bezeichnet.“
Darf der Abmahnungsgrund auch der Kündigungsgrund sein?
„Wer einen Mitarbeitenden abmahnt, hat den in der Abmahnung konkret genannten Fehler als Kündigungsgrund verbraucht“, betont Reilbach. „Wenn ich also abmahne, weil der Mitarbeiter am 14.06.2023 zu spät gekommen ist, kann ich erst kündigen, wenn er nach Erhalt der Abmahnung nochmal zu spät kommt.“
Erst das gleiche oder gleichartige Verhalten, also erneutes Zuspätkommen, ist dann der tatsächliche Kündigungsgrund und auch das nur, wenn er zeitlich nach dem Erhalt der Abmahnung liegt. „Deswegen haben Sie ja Ihren Mitarbeiter mit der Abmahnung gewarnt“, so Reilbach.
Kann auch ein Arbeitgeber abgemahnt werden?
Es kommt eher selten vor, aber ja: Chefs können von den Mitarbeitenden abgemahnt werden. „Auch Arbeitgeber können gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen, zum Beispiel indem sie das Gehalt zu spät oder unvollständig auszahlen, keine Sicherheitsausrüstung stellen oder Sozialversicherungsbeiträge nicht überweisen“, sagt Reilbach.
Der Vorteil für den Mitarbeitenden: Er könne kündigen, unter Umständen sogar fristlos, um sofort bei einem neuen Arbeitgeber anzufangen oder eine Sperre beim Bezug des Arbeitslosengeldes zu verhindern.
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