Von Claas Beckmann
Abgetakelt liegt die "Gorch Fock"
Foto: Claas Beckmann
Die blauen Jungs sind von Bord. Anstelle der Marinesoldaten bevölkern Handwerker das Schiff. Auf der Elsflether Werft wird das Segelschulschiff der Marine überholt. "Teilrestauration", sagt Schultze, der die Tischlerei und die Zimmerei mit ihren zwölf Mitarbeitern leitet. Heinz-Detlef Schultze wurde vor 54 Jahren in Bremen geboren. Vor sechs Jahren hat der Tischlermeister mit seinen Kollegen das Schiff komplett entkernt. "Da konnten sie von vorne bis hinten so durchgucken", sagt Schultze. Dann haben sie den Schiffskörper neu ausgekleidet. Und auch die Wohn- und Waschräume für weibliche Offiziersanwärter geschaffen. Seit 26 Jahren arbeitet der Tischlermeister auf der Werft in dem Städtchen zwischen Oldenburg und Bremen.
Über den Decksplanken aus Teak haben die Werftarbeiter zum Schutz Holzplatten ausgelegt. Schläuche und Kabel winden sich darauf. Der Maschinentelegraf steht auf "Stopp". Doch das meiste seemännische Gerät ist abgebaut, verstaut und fertig zur Inspektion: Die Seekisten aus Teak werden in der Tischlerei an Land überholt. Rettungsinseln und Segel sind eingelagert. Ebenso das laufende Gut, Taue mit denen die Segel und die Rahen bewegt werden. Mehr als 150 Leinen sind allein für die Bedienung der Segel nötig.
Foto: PIZ
Die Werftarbeiter brauchen Platz zum Arbeiten und Platz ist auf der "Gorch Fock" Mangelware. Schiffbauer tragen Schweißgeräte, Rohrleger öffnen Wände und Schultzes Tischlertrupp bessert unter Deck die Mannschaftsräume aus. Die Spinde im Raum der Offiziersanwärter sind verbeult. Schultze sieht es mit Bedauern. Aber da könne man wohl nichts machen bei dem rauen Schiffsbetrieb und der Enge. Dabei kann man in diesem Raum endlich mal die Arme ausstrecken, nachdem man enge Windungen, schmale Flure und Treppengänge durchquert hat. Gut 20 Quadratmeter ist der Raum groß. Abends holen die Offiziersanwärter ihre Hängematten aus dem Spind und verzurren sie unter der Decke. Aus den Bullaugen geht der Blick aufs Wasser. Über einem Bullauge, kaum größer als eine Schallplatte, prangt ein Aufkleber. "Notausgang" steht darauf. Urlaubsstimmung kommt an Bord nicht auf, Abenteuerlust aber allemal. Doch Mitfahren reizt den Tischlermeister Schultze wenig. "Wenn das Schiff voll einklariert ist, dann wimmelt es hier nur so." 77 Köpfe stark ist die Stammbesatzung, bis zu 160 Lehrgangsteilnehmer können zusätzlich an Bord genommen werden.
Die Werftsirene heult auf, die Arbeiter machen sich auf zur Kantine. Der Tischlermeister verbringt die Mittagspause im Büro. Im Hintergrund spielt leise das Radio. Auf seinem Schreibtisch liegen Schiffspläne, handschriftliche Notizen, Bleistift, Lineal. Einen Computer hat er nicht. "Das ist mein Computer", sagt der Handwerksmeister und tippt mit dem Kuli auf den Taschenrechner. An der Wand zeigt ein umgebauter Tiefenmesser aus einem U-Boot die Zeit an.
Die 90-jährige Werft zählt 86 Mitarbeiter. Seit einer Insolvenz 1996 ist Schluss mit dem Schiffsneubau. Jetzt setzt die Werft auf das Reparaturgeschäft. Gut die Hälfte der Aufträge stammt von der Marine. Bald werden die Elsflether den Tender "Main" zu einem U-Boot-Versorger umbauen, das gibt Arbeit für 16 Monate. Die Zusammenarbeit mit der Marine sei unkompliziert. "Wir müssen nicht auf Dienstgrade achten", sagt Schultze. Kürzlich "da standen hier 110 Marinesoldaten Spalier". Kommandoübergabe. Ende April, wenn die Blaumänner den blauen Jungs Platz machen, wird Fregattenkapitän Norbert K. Schatz eine frisch erstrahlte "Gorch Fock" von der Hunte auf die Weser und weiter in die Nordsee steuern können. Einklariert und voll getakelt.