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Zeitmangel?

"Im Bett ist jeder ein konsequenter Zeitmanager"

Dauerstress und kein Ende. Können wir das nicht besser? Wir können und beweisen es täglich – im Bett. Was wir dort leisten, könnte auch im Job nützlich sein.

Raus aus dem Bett!
Zeitmanagement

Jeder klagt heute über Zeitmangel und Überlastung: Chefs, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten ... Und es scheint immer schlimmer zu werden. Was ist da zu tun? Ein paar überraschende Antworten hat Trainer und Coach Christian Stahl vom Beratungsunternehmen Müller und Partner parat.

Herr Stahl, was sagen Sie Ihren Kunden, wenn sie über Stress und Zeitmangel klagen?
Christian Stahl: „Dass sie entscheidungsfreudiger werden müssen. Zeitmangel ist ja kein neues Phänomen. Arbeitsverdichtung, Informationsüberflutung, ständig neue Techniken, Regeln und Aufgaben – das ist alles nicht neu. Das wahre Problem ist, dass wir im Arbeitsleben Entscheidungsmuffel sind. Im Privatleben treffen wir viele Entscheidungen sehr viel kühler und schneller als bei der Arbeit. Im Bett zum Beispiel ist jeder ein konsequenter Zeitmanager.“

Im Bett?
Stahl: „Wenn ich schlafen gehe, weiß ich genau, dass ich eine Tätigkeit beginne, mit der ich ohnehin nicht fertig werde. Aber da bin ich gnadenlos. Ich stelle den Wecker und setze so eine Deadline, zu der ich fertig sein werde mit der Aufgabe, die ich gleich beginne. Wenn der Wecker klingelt, stelle ich diese Entscheidung selten infrage, weil das sonst Auswirkungen auf alle nachfolgenden Aufgaben des Tages hat. Also beende ich die Tätigkeit wie geplant: Ich stehe auf.“

Und im Arbeitsleben?
Stahl: „Im Beruf machen wir das anders. Oft bearbeiten wir die Dinge so lange, bis wir meinen, dass sie fertig sind. Das hat natürlich auch Auswirkungen: Andere Aufgaben bleiben liegen, der Tag wird immer länger, es ist nicht alles zu schaffen. Aber die ignoriere ich erst einmal und mach weiter. So entsteht Zeitmangel und Stress.“

Warum stellen wir im Beruf nicht einfach auch den Wecker?
Stahl: „Im Arbeitsleben fehlt oft die nüchterne Betrachtung auf unsere Entscheidungen. Viele Dinge tun wir dort, weil sie uns entweder Freude machen oder weil wir Angst haben vor Konflikten mit Kollegen, Mitarbeitern, Kunden. Damit zementieren wir bisherige Gewohnheiten und bekommen ein Problem, wenn neue Tätigkeiten hinzukommen. Und es kommen ja ständig neue hinzu. Das ist wie mit einem Kleiderschrank. Wenn ich mich von alten Kleidungsstücken nicht trennen kann, habe ich ein Problem. Am Anfang kann ich vielleicht noch alles zusammenquetschen im Schrank, aber irgendwann ist er definitiv voll.“

Also sind wir im Arbeitsleben nicht entscheidungsfreudig genug. Was tun?
Stahl: „Als Erstes muss ich mir klar machen, was meine Ziele sind, mit welchen Aktivitäten ich sie erreichen will und in welcher Qualität. Eben wie im Bett: Mein Ziel ist Gesundheit, dafür ist Schlaf eine wichtige Aktivität. Wenn der Wecker klingelt, bin ich vielleicht noch müde und habe nur 80 Prozent der erwünschten Qualität erreicht. Aber damit muss der Rest der Welt dann leben. Im Beruf ist es genauso: Ich brauche klare Ziele, Aktivitäten und Kennziffern, an denen ich mich bei der Zielerreichung orientiere. Dann habe ich eine Basis für meine Entscheidungen.“

Durch Ziele und Kennziffern wird die Arbeitsbelastung aber nicht weniger. Es gibt immer mehr zu tun, als man schaffen kann.
Stahl: „Es gibt immer vier mögliche Entscheidungen: Ich kann eine Aufgabe erledigen, delegieren, verschieben oder ablehnen. Im Englischen sind das übrigens die 4 D: Do it, Delegate it, Defer it, Dump it. Für eine der vier Lösungen muss man sich bei jeder Aufgabe entscheiden. Zum Beispiel kann ich mich vor jedem neuen Auftrag fragen: Passt er zu meinen Zielen? Wenn er passt, muss ich klären, ob er zu schaffen ist: wann und durch wen? Also: Muss ich diese Aufgabe selbst übernehmen oder kann ich sie delegieren? Muss es sofort sein oder später? Was nicht zu meinen Zielen passt oder nicht in der gewünschten Zeit und Qualität zu schaffen ist, muss ich ablehnen.“

Sie reden von „verschieben“. Aufschieberitis gilt als einer der größten Zeitkiller.
Stahl: „Verschieben bedeutet hier, eine Aufgabe auf einen konkreten Termin zu legen und sie dann konsequent zu erledigen. Aufschieberitis ist etwas anders, sie entsteht, wenn man Aufgaben immer weiter vor sich herschiebt.“

Klingt interessant. Aber Unternehmer bewegen sich selten im luftleeren Raum, die Mitarbeiter müssen schon mitziehen.
Stahl: „Für ein gutes Zeitmanagement in Unternehmen sind noch andere Faktoren wichtig. Erforderlich sind einheitliche und klare Vorstellungen von den Unternehmenszielen, jeder Mitarbeiter muss sie kennen. Außerdem müssen Arbeitsteilung und Schnittstellen klar definiert sein. Also: Wer macht was und woher kommen die Infos? Und es muss klare Regeln geben, an die sich alle halten.“

Die Halbwertzeit von Zielen und Regeln ist in vielen Unternehmen ziemlich gering. Neue Ideen, neue Kundenwünsche, neue Techniken … und schon stecken wieder alle in der Zeitfalle.
Stahl: „Wenn ich sehe, dass etwas nicht funktioniert, heißt das nicht, dass ich ständig meine Ziele ändere, sondern die Aktivitäten, um diese Ziele zu erreichen. Wenn man eine gemeinsame Vorstellung davon hat, wie man damit umgeht, kommen Teams damit klar. Wenn sich die Lage ändert, muss ich nur ehrlich sein – zu mir selbst und zu meinem Team.“

Das Interview führte Jörg Wiebking


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