Sie beraten unverbindlich. Sie beantworten jede Menge Fragen. Sie schreiben Angebote. Sie warten auf den Auftrag. Und wenn Sie nichts mehr von dem Interessenten hören, dann war es viel Arbeit für nichts. Wieder einmal.
In der Malerwerkstatt Ringeisen in Northeim läuft das etwas anders.
Ihre Kunden zahlen tatsächlich für die Erstberatung? Wie viel? Und wofür?
Olaf Ringeisen: Wir berechnen 60 Euro pro Stunde für unsere Wohnstilberatung.
Aber Sie erstatten die Beratungskosten bei Auftragserteilung?
Ringeisen: Nein, wieso denn? Diese Beratung ist eine eigenständige Leistung. Da wird nichts verrechnet, wenn wir den Auftrag bekommen.
Und wie viele Interessenten haben Sie dadurch schon am Telefon abgeschreckt?
Ringeisen: Keine. Außer natürlich die Angebotssammler und Preisvergleicher.
Nächste Seite: Wie macht Olaf Ringeisen das? Wir lassen es uns erklären.
Gute Vorauswahl am Telefon
Wie schaffen Sie es, dass Interessenten am Telefon nicht gleich ablehnen?
Ringeisen: Indem wir unsere Beratungsleistung nicht jedem Anrufer anbieten. Wir versuchen erst einmal herauszufinden, ob der Interessent zu uns passt. Wenn es nur um ein Vergleichsangebot geht, dann lehnen wir ab. Und natürlich hängt es von der Art des Auftrags ab.
Wir haben uns zwar auf Wohnraumgestaltung spezialisiert, machen aber auch klassische Malerarbeiten. Wenn es um einen Fassadenanstrich geht oder darum, eine Mietwohnung zu streichen, dann machen wir das auch. Dafür brauchen die Kunden keine Wohnstilberatung. Die bekommen auch so ein Angebot von uns – wenn wir merken, dass da jemand ernsthaft einen Auftrag vergeben will.
Und wie überzeugen Sie die übrigen Anrufer davon, für die Beratung zu bezahlen?
Ringeisen: Wenn wir den Eindruck haben, dass ein Interessent zu uns passt, dann informieren wir ihn über unsere Arbeitsweise: Wir sagen ihm, dass wir uns auf die Wohnraumgestaltung spezialisiert haben und dazu eine Beratung anbieten. Wir beschreiben dem Anrufer, wie das abläuft. Dass wir ihn besuchen und für ihn seinen persönlich gestalteten Wohnraum kreieren. Dann fragen wir, ob das für ihn interessant ist. Und dann erklären wir dem Anrufer, was das kostet.
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Beratung als eigenes Produkt begreifen
Klingt logisch, aber andere Maler beraten doch auch bei der Farbwahl – kostenlos und vor dem Angebot. Warum bezahlen Ihre Kunden dafür?
Ringeisen: Weil sich unsere Beratungsleistung vom Markt abhebt. Das ist nicht nur eine Beratung, bei der ich ein paar Farbkarten zeige. Wir entwickeln ein Gestaltungskonzept für den Kunden. Er bekommt von uns ein Farbbuch mit zwei bis drei Vorschlägen, mit konkreten Farbnummern. Das ist ein fertiges Produkt, das er direkt umsetzen kann. Damit könnte er jederzeit eine andere Firma beauftragen – oder auch selbst in den Baumarkt gehen und sich genau seine Farben mischen lassen.
Machen die Kunden das? Gehen sie mit Ihrem Konzept zu einem günstigeren Anbieter?
Ringeisen: Nein, wir bekommen in 99,9 Prozent aller Fälle den Auftrag. Ich könnte auch 100 Prozent sagen, aber dann glaubt mir das keiner, das klingt zu glatt. Ist aber so. Die bezahlte Beratung festigt in der Anfangsphase die Kundenbeziehung. Der Kunde bekommt eine Leistung und bezahlt uns. Das ist schon eine Art kleines Probegeschäft für beide Seiten.
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Nie mehr ein schlechtes Gewissen!
Würden Sie sich nicht ärgern, wenn so ein Beratungskunde den Auftrag anders vergibt?
Ringeisen: Das ist das Tolle an dieser Lösung: Falls das passiert, müsste ich mich nicht ärgern, weil ich keine Leistungen verschenkt habe. Und der Kunde müsste kein schlechtes Gewissen haben, weil er ja für die Beratung bezahlt hat. Kundenbeziehungen gehen doch daran kaputt, wenn sich eine Seite unfair verhält, ein schlechtes Gewissen bekommt und dem anderen danach aus dem Weg geht. Ich möchte aber gerne von Kunden auch dann wieder gefragt werden, wenn ich mal einen Auftrag nicht bekomme. Das geht nur, wenn der Kunde kein schlechtes Gewissen hat. Bei uns muss er das nicht haben, er hat die Leistung ja bezahlt.
Lassen Sie sich auch das Erstellen von Angeboten bezahlen?
Ringeisen: Nein, da gibt es keinen Engpass. Wir haben unsere Kunden ja vorher befragt und dabei festgestellt: Ein kostenloses Angebot erwarten die Kunden. Einen Engpass gibt es aus Kundensicht bei der Beratungsleistung. Für eine gute Beratung, die sich vom Markt abhebt und den Kunden nutzt, würden sie auch bezahlen.
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"Wir sind anders als die Billigmaler"
Seit wann lassen Sie sich die Beratung bezahlen?
Ringeisen: Seit 2009. Vorher hatten wir zu oft wieder das Problem, dass wir richtig gut beraten haben, ohne den Auftrag zu bekommen.
Ungefähr zu der Zeit zog in den Bau- und Ausbaugewerken die Auftragslage wieder an. Seitdem sind viele Betriebe sehr gut ausgelastet. Glauben Sie, dass die bezahlte Beratung auch noch funktionieren wird, wenn die Konjunktur nachlässt?
Ringeisen: Natürlich ist uns der brummende Markt zugutegekommen, als wir mit der bezahlten Beratung angefangen haben. Dadurch konnten wir mehr üben, wie man diese Leistung verkauft. Aber was wird passieren, wenn es draußen nicht mehr brummt? Dann gehen die Anbieter dahin, wo noch Aufträge zu holen sind, dann drängen die Billigmaler in den Markt. Das haben wir 2006 schon einmal erlebt und hatten dem damals nichts entgegenzusetzen. Kunden haben uns klar gesagt, dass wir im Vergleich zu teuer sind, weil wir ja auch nur gemacht haben, was die anderen machen. Das hat sich geändert, jetzt sind wir anders positioniert: Die Kunden können greifbar wahrnehmen, was wir anders machen als Billigmaler.
Das können Ihre Wettbewerber allerdings auch. Wem dieses Interview noch nicht genügt, der kann bei Ihnen unter qualygate.de sogar Unternehmer-Seminare buchen. Schaffen Sie sich damit nicht ernstzunehmende Konkurrenz?
Ringeisen: Die Schulungen mache ich, weil ich etwas verändern will. Wenn mehr Malerbetriebe raus kommen aus der Billig-Ecke und sich mit Top-Beratung positionieren, dann kann das dem Ruf unserer Branche nur gut tun. Und dann wird sich auch eher etwas in den Köpfen der Kunden ändern. An so einen Wettbewerber verliere ich doch gerne mal einen Auftrag, jedenfalls lieber als an einen Billig-Maler.
Das Interview führte Jörg Wiebking.
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