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Foto: handwerk.com

VW T2 im Praxistest

40 Jahre und ein bisschen sexy

Er ist einer „der“ Klassiker unter den Nutzfahrzeugen: Der T2 von VW. Einen Nachmittag lang waren wir mit dem Oldie und Tischlermeister Wilhelm Freund unterwegs für einen ganz besonderen Fahrbericht. Hier das Ergebnis.

Der Testwagen:

VW T2-24

„Ein bisschen sexy ist der ja schon“, sagt Wilhelm Freund und rutscht auf dem kunstledernen Sitz herum. Er braucht ein bisschen, bis er hinter dem beachtlich großen Kunststofflenkrad eine angenehme Fahrposition gefunden hat. Dann ist es soweit. Ein Dreh am zierlich kleinen Zündschlüssel mit eingeprägtem VW-Logo und der luftgekühlte Boxer-Motor im Heck unter der Ladepritsche erwacht zum Leben. Etwas unruhig erst, mit zunehmender Wärme immer gleichmäßiger, strampeln sich die jeweils zwei direkt gegenüberliegenden Zylinder ihre Leistung ab. Also: Gang rein. Kupplung kommen lassen. Und ... aus!

Gewöhnungsbedürftig ist er. Der orange VW mit dem Boxer-Herz. Der Kuppelweg ist extrem lang. Dafür ist der Bereich, in dem die Kupplung packt, extrem kurz. Also: zweiter Versuch. Und schon sind der Tischlermeister und der fast gleichaltrige Lieferwagen Freunde geworden.

Elastischer Motor
Die Fahrt führt durch den Lindener Hafen in Hannover. Wilhelm Freund hat hinter dem Steuer sichtlich Spaß. „Der Motor ist erstaunlich elastisch“, sagt der 40-Jährige. Und das ist auch gut so. Denn die H-Schaltung ist – den Fahrkomfort aktueller Nutzfahrzeuge gewohnt – vor allem eins: hakelig. Insbesondere der zweite Gang verweigert zunächst beharrlich seinen Dienst. Doch auch den Wechsel vom Ersten in den Dritten pariert der fröhlich im Heck brabbelnde Motor mit überraschend entspannter Gelassenheit.

Was gegenüber modernen, meist Pkw-gleich zu fahrenden Nutzfahrzeugen, ebenfalls deutlich anders ausfällt? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

"Extrem schnell unterwegs"

Gut unterwegs:

VW T2-7

Die Schaltwege sind beachtlich lang. „Das ist wirklich extrem“, kommentiert Testfahrer Freund, während er mit dem langen Schaltknüppel wieder einmal nach dem zweiten Gang sucht. „Für die jungen Leute in meinem Team wäre das nichts. Die haben schon Schwierigkeiten mit unserem alten LT. Und der ist Baujahr ‘86“. Der LT ist auch von VW. Ein Pritschenwagen, den die Innungs-Tischlerei vor allem dann einsetzt, wenn Sperriges zum Kunden transportiert werden muss. „Unter der Plane transportieren wir zum Beispiel Großgeräte, wenn wir für einen Kunden eine Küche gebaut haben“, schildert Freund und schwärmt von der Zuverlässigkeit und Staufläche des auch nicht mehr ganz jungen Transporters. Zum Fuhrpark gehören außerdem ein Sprinter und ein Boxer von Peugeot.

Hannover liegt inzwischen hinter dem Bulli. Der orange Pritschenwagen bildet hier zwischen Mittellandkanal und der Feldmark einen wunderbaren Farbkontrast. Es geht hinaus Richtung Wunstorf. „Mir kommt es vor, als wäre der Bulli extrem schnell. Schon als ich vorhin durch die Stadt gefahren bin, musste ich mehrfach auf den Tacho schauen, ob ich nicht zu schnell unterwegs bin“, sagt der Mann, der als passionierter Porsche-Fahrer dort, wo es passt, auch schon mal mit dem Elfer zum Kunden fährt. „Wir sind im gehobenen Innenausbau unterwegs. Da gehört das fast schon zum Marketing“, sagt Freund und tritt im Bulli beherzt aufs Gas. 70, 80, 90 Stundenkilometer – der top-gepflegte Oldie hängt gut am Gas – erstaunlich gut.

Komfortables Fahrwerk
Wen das – außer den Testfahrer – freut, ist der nächste Tankwart. Denn Bulli-typisch, genehmigt sich der 1,6 Liter große, 50 PS starke Boxer-Motor einen ordentlichen Schluck für solche „Tempo-Orgien“. „Man sieht echt, wie die Nadel der Tank-Uhr sich bewegt“, sagt Freund. Gemessen an heutigen, aufs Spritsparen ausgelegten Motoren, ist das echt ein Faktor. Dass aber dem durchaus betagten Lastenesel anzukreiden, verbietet sich irgendwie – auch wenn wir hier über das teure Super-Plus reden ...

Der Bulli als Firmenwagen? Lesen Sie das Fazit des Testers auf der letzten Seite.

Kommoder Komfort

Erstaunlich komfortabel ist das Fahrwerk des von 1967 bis 1979 in einer Auflage von gut 2,2 Millionen Stück bei VW in Hannover Stöcken gebauten Transporters. Ob Schlaglöcher in der Landstraße oder Schienen im Lindener Hafen – das Fahrwerk steckt Unebenheiten gut weg. Lediglich tiefe Bodenwellen – die mag er nicht. Gefühlt fast ungefedert reicht der Lasten-Oldie diese an die Fahrzeuginsassen weiter.

Was auffällt: Der orange T2 ist ein Hingucker – ob an der Bushaltestelle Wartende die Köpfe verdrehen. Oder im Industrie-Gebiet Lkw-Fahrer anerkennend den Daumen hochrecken. Der Bulli kommt gut an. Und das trotz oder gerade wegen seiner fast 40 Jahre.

Fazit
Und? Ist der Bulli interessant für den Fuhrpark? „Nein“, lautet die prompte und nach der Begeisterung während der Fahrt überraschende Antwort. Doch die Begründung ist absolut nachvollziehbar: „Vor allem die Fahrsicherheit ist bei heutigen Nutzfahrzeugen einfach besser“, analysiert der Tischlermeister. Daher gebiete es schon die Verantwortung für die Mitarbeiter, auf Sicherheitsfeatures wie Airbags und ABS zu achten. „Was mich aber erstaunt hat: So weit vom heutigen Standard in Sachen Fahrkomfort und Leistung war VW schon in den siebziger Jahren nicht weg.“ Fazit des Tischlermeisters: „Die Tour hat echt Spaß gemacht.“ Dann zückt er das Smartphone für ein Erinnerungsfoto und resümiert: „Heute ist der Bulli echt ein richtiger Hingucker und irgendwie richtig sexy.“

(ha)

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Ende einer Testfahrt:

VW T2-27


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