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Alles nicht ganz dicht

Mit dem Bauboom kamen die Tränen

Preisfrage: Was ist das wichtigste Werkzeug auf jeder Baustelle? Die Antwort gibt der Bausachverständige Dieter Ansorge.

Der Bauboom sorgt für miese Schlagzeilen: Nichts als „Pfusch und Betrug“, die Zahl der Baustreitigkeiten wächst in den Himmel, auf deutschen Baustellen geht’s übel zu. Warum redet eigentlich keiner über die Betriebe, die ordentliche Arbeit abliefern? Darüber haben wir uns mit einem Experten unterhalten, der im Thema ist. Dieter Ansorge ist Autor der Buchreihe „Pfusch am Bau“.

Herr Ansorge, das Thema Pfusch haben Sie nicht gepachtet, auch handwerk.com befasst sich damit.
Dieter Ansorge: (lacht) Tatsächlich?! Ich dachte immer, Handwerksmeister pfuschen nicht.

Handwerksmeister pfuschen auch – aber nicht alle. Wenn Medien über die Zustände auf deutschen Baustellen berichten, werden Sie ja immer wieder zitiert. Und der Tenor ist doch: Alles schlimm, alles Abzocker. Werden da nicht nur dumme Klischees transportiert, mit denen Sachverständigenorganisationen ihre Arbeit sichern wollen?
Ansorge: Nein, ich habe mehr als 50 Jahre Bau hinter mir. Und was heute auf deutschen Baustellen passiert, ist eine Katastrophe.

Nächste Seite: Bereiche mit 95 Prozent Fehlerquote – Ansorge teilt aus.

Die massenhaften Lieblingsfehler

Haben Sie eigentlich einen Lieblingsfehler, der Ihnen in Ihrer Arbeit immer wieder unterkommt?
Ansorge: Ganz klar, die Abdichtung unter und hinter Bade- und Brausewannen. Oder die Abdichtung von Armaturdurchdringungen in Duschen. Und grundsätzlich ist die Bauwerksabdichtung von Gebäuden ein Problem.

Warum sind gerade das Ihre Lieblingsfehler?
Ansorge: Weil in diesem Bereich 95 Prozent aller von mir untersuchten Arbeiten mangelhaft ausgeführt sind.

95 Prozent! Jetzt übertreiben Sie aber schon.
Ansorge: Nein, das ist so extrem. Besonders bei Bauträgerbauten in den Bereichen, die man später nicht mehr sieht, die man mühsam aufgraben muss, wird bewusst gepfuscht und betrogen.

Aber sind es nicht der Geiz der Kunden und die schlechte Zahlungsmoral der Bauträger, die dazu führen, dass Bauhandwerker geradezu in den Pfusch gezwungen werden?
Ansorge: Diese Ausrede höre ich immer wieder, aber ständiges Wiederholen macht sie nicht besser. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn ich ahne, dass ich keinen auskömmlichen Preis erzielen werde, weil ich für einen zahlungsfaulen Bauträger arbeite, muss ich besonders gut arbeiten. Denn jeder Mangel, den ich dann produziere, bringt mich dem Konkurs näher – Bauträger hauen mir das als Erstes um die Ohren.

Nächste Seite: „Bauträger hauen Betriebe grinsend in die Pfanne.“

Bauträger sparen bei Planung – immer

Also zu Bauträgern nur die besten Leute schicken?
Ansorge: Ja, ich muss genau wissen, dass meine Arbeit in Ordnung ist und nicht kritisiert werden kann. Alle Bauträger – ob kommunal oder gewerblich – sparen bei der Planung. Grundsätzlich. Handwerker, die den Auftrag eines Bauträgers übernehmen wollen, müssen dringend überprüfen, ob die Planung vollständig ist. Und ist sie unvollständig, müssen Bauhandwerker ihre Bedenken sofort schriftlich vortragen. Stichwort: Behinderungsanzeige.

Das trauen sich offenbar nur die Wenigsten.
Ansorge: Nachdem Sie mich nach meinem Lieblingsfehler gefragt haben, kann ich Ihnen ja noch sagen, welchen Satz ich am meisten hasse: „Dann kriege ich von dem doch nie wieder einen Auftrag.“ Der Bauträger lacht doch über so viel Blauäugigkeit, der haut sie grinsend in die Pfanne.

Die Fehler, die alle am Bau Beteiligten begehen können, unterscheiden Sie in Ihren Büchern in drei Bereiche. Entscheidungsfehler – Planungsfehler – Ausführungsfehler. Die letzten beiden Fehler erklären sich von selbst, aber was ist ein Entscheidungsfehler?
Ansorge: Bei den Auftraggebern ist das beispielsweise die Entscheidung für eine falsche Finanzierung. Oder für das Haus von der Stange zum billigsten Preis.

Das Bauhandwerk und ein „absurder“ Fehler – lesen Sie die nächste Seite.

Das wichtigste Werkzeug

Und welchen klassischen Entscheidungsfehler begehen Bauhandwerker?
Ansorge: Es gibt immer noch Betriebe, die Aufträge für Summe annehmen, die nicht kostendeckend sind.

Das klingt absurd.
Ansorge: Das ist absurd, aber weit verbreitet – und es geht sogar noch weiter. Nehmen wir einen Fliesenleger. Der weiß ja, dass unter die Duschwanne eine Abdichtung gehört. Der Bauträger hat das nicht ausgeschrieben, deshalb übersieht der Fliesenleger geschmeidig die Abdichtung. Der Bauträger registriert das, hält aber den Mund – und verweigert später die Abnahme der Leistung mit Hinweis auf die fehlende Abdichtung.

Dass Geschäftsführer von Bauträgern nicht zwangsläufig zu den Gutmenschen zählen, müsste mittlerweile bekannt sein.
Ansorge: Ich habe nichts gegen Bauträger, na ja, gegen manche schon. Und dass der Begriff Bauträger schon fast ein Schimpfwort ist, haben sich die Bauträger selbst eingebrockt. Der Bauträger hat nur ein Ziel: So viel Geld verdienen wie nur möglich. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen, aber viele Bauträger übertreiben maßlos.

Wie würden Sie einen Betrieb beschreiben, der aus Ihrer Sicht so ist, wie er sein sollte?
Ansorge: Gegenfrage: Was ist beim Bauen im Bestand aus Ihrer Sicht das wichtigste Werkzeug eines Bauhandwerkers?

Schwierig. Ein Hygrometer oder ein anderes Messgerät, mit denen das Raumklima gemessen wird?
Ansorge: Nicht ganz abwegig, aber falsch. Die richtige Antwort lautet: Handfeger und Staubsauger. Wenn ich persönlich einen Betrieb sehe, der seinen Schmutz wieder mitnimmt, der die Baustelle sauber hinterlässt, dessen Leute pünktlich sind und Abdeckmaterial dabei haben, dann weiß ich, die arbeiten gut, da muss ich mich um nichts kümmern. Von der Entscheidung über die Planung bis zur Abnahme – der Bauhandwerker, der mir gefällt, muss in allen Bereichen ein Profi sein.

Wenn man Tageszeitungen liest, könnte man meinen, solche Betriebe gibt’s nicht.
Ansorge: Nun seien sie mal nicht zu pessimistisch. Es gibt diese Betriebe, es gibt sogar immer mehr davon. Leider sind das meistens Betriebe, die sich schon einmal die Finger verbrannt haben.

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(sfk)



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