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Arbeitgeberhaftung beim Mindestlohn

Muss ich das unterschreiben?

Haufenweise Schreiben von Kunden: Alle wollen das gleiche: Mindestlohnnachweise und Haftungsfreistellung. Adina Fox weiß gar nicht, worüber sie sich mehr ärgern soll – die Risiken, den Aufwand oder die ganze Art und Weise.

Mindestlohn-Kontrollen durch den Zoll? Adina Fox hat ganz andere Sorgen: „Immer mehr Kunden verlangen Haftungsfreistellungen und Nachweise von uns, dass wir den Mindestlohn zahlen, “ berichtet die Chefin der Fox GmbH Arbeitsbühnenvermietung und Bedachungen in Ronnenberg bei Hannover. Losgegangen sei das im März, mittlerweile häufen sich die Schreiben in ihrem Büro. Es geht um die Auftraggeberhaftung.

Auftraggeber sollen haften – und wollen sich absichern
Die Fox GmbH hat ganz überwiegend gewerbliche Kunden. Diese Kunden setzen jetzt um, was ihnen das Mindestlohngesetz seit Januar vorschreibt: Demnach müssen Auftraggeber kontrollieren, ob ihre Auftragnehmer und deren Nachunternehmer den Mindestlohn zahlen – und sie haften bei Verstößen. Die Folge: Die Auftraggeber wollen sich absichern.

Eigentlich verlangt jeder Kunde das gleiche: Haftungsfreistellung für jegliche Mindestlohnforderungen, Kontrollrechte und nicht zuletzt Zurückhaltungs- und Sonderkündigungsrechte. Doch im Detail hätte das jeder gerne etwas anders geregelt.

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Regelungswünsche mit weitreichenden Folgen

Zum Beispiel die Mindestlohnkontrollen: Manche halten das vage, andere haben sehr genaue Vorstellungen. So verlangt einer von Fox monatliche Listen mit den Namen ihrer am Auftrag beteiligten Mitarbeiter und deren Gehälter. Ein anderer hätte gerne jeden Monat eine Unterschrift von jedem Mitarbeiter, dass er den Mindestlohn bekommen hat. Einem Dritten soll Fox monatlich sogar anonymisierte Gehaltslisten all ihrer Nachunternehmer schicken.

In Kombination mit dem Zurückbehaltungsrecht sei diese Forderung nach Nachweisen brandgefährlich. „Was passiert denn, wenn mein Subunternehmer keine Nachweise vorlegt? Darf mein Auftraggeber dann einfach so lange seine Zahlung zurückhalten?“ Und noch schlimmer: Böswillige Kunden könnten solche Klauseln nutzen, um systematisch Zahlungen zu verzögern – immer so lange, bis auch der letzte Nachunternehmer der Fox GmbH seinerseits Nachweise erbracht hat. „Ist das rechtlich überhaupt zulässig?“, fragt die Unternehmerin.

Nächste Seite: Großes Risiko und viel Aufwand – wie lässt sich das lösen?

Großes Risiko und viel Aufwand – wie lässt sich das lösen?

Jedenfalls steckt die Unternehmerin in einer Zwickmühle: Nicht zu unterschreiben, das kann sie sich nicht leisten, dafür sind die Kunden zu wichtig. „Aber wenn ich unterschreibe, dann hafte ich für etwas, was ich derzeit überhaupt nicht überblicken kann.“ Denn schließlich soll sie dem Auftraggeber für die Mindestlöhne ihrer Subunternehmer haften. Also müsste sie alle möglichen Lieferanten und Subunternehmer anschreiben, zu ähnlichen Erklärungen verpflichten und sie regelmäßig kontrollieren. „Für all diese Schreiben und Kontrollen müsste ich noch jemanden einstellen, das können wir uns nicht leisten.“

Adina Fox fühlt sich vom Staat im Stich gelassen. „Da wird einfach etwas beschlossen und wie wir das dann umsetzen und welche Auswirkungen das auf kleine Betriebe hat, das interessiert keinen.“

Vorerst wird sie das Problem anders lösen: „Wir schicken den Kunden jetzt ein Standardschreiben, mit dem wir uns zur Einhaltung des Mindestlohngesetzes verpflichten.“ Und wie geht es weiter, falls das den Kunden nicht genügt? „Das muss ich dann entscheiden.“


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(jw)


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