von Jörg Wiebking
In dieser Nische lässt es sich arbeiten: Im grenznahen Gebiet auf holländischer Seite sind deutsche Betriebe im privaten Wohnungsbau gefragt. Das macht sich bezahlt: Wir arbeiten hier zu vernünftig kalkulierten Preisen. Und wenn es ein Problem während der Arbeiten gibt, finden wir gemeinsam mit den Kunden eine Lösung. Dadurch gibt es kaum Schwierigkeiten bei der Bauabnahme, berichtet Helmut Smidt (44). Der Bauingenieur leitet die Abteilung Niederlande der Firma LEJO-Haus im ostfriesischen Pewsum. Seit einem Jahr bietet der 30-Mann-Betrieb schlüsselfertige Eigenheime in Holzrahmenbauweise im Nachbarland an und ist mit den Umsätzen zufrieden.
Immer mehr Betriebe interessieren sich für diesen Markt. Schon spuken Geschichten herum, die den deutschen Anteil im grenznahen Wohnungsbau bei 70 Prozent sehen. Das sei jedoch völlig übertrieben, meint Hildegard Bongert-Boekhout vom Kompetenznetzwerk NL/NRW der Kreishandwerkerschaft Borken: In Nischen haben deutsche Firmen Chancen, vor allem wenn Bauherren ihr individuelles Haus planen. Meist würden Neubausiedlungen jedoch als große Projekte komplett von Niederländern geplant und bebaut.
Deutsche Tugenden sind gefragt
Doch genau diese Aufgabenteilung heizt die Nachfrage nach deutschen Firmen an. Die heimischen Anbieter sind überlastet, die Preise entsprechend hoch, berichtet Bettina Fabich vom Deutsch-Niederländischen Servicecenter für Sprache und Kommunikation (DENIES). Gerade im grenznahen Gebiet sind die Deutschen günstiger. Und das zu fairen Preisen, betont Smidt: Dafür erwarten die Kunden eine qualitativ gute und effektive Arbeit. Für diese Tugenden sind Deutsche hier bekannt. Sogar der deutsche Baustil sei gefragt was so manchem Betrieb das Erlernen niederländischer Bautechniken erspart.
Kulturelle Unterschiede nicht unüberwindlich
Ganz problemfrei sind die Grenzgeschäfte nicht: So nehmen es die Nachbarn mit ihren Vorschriften sehr genau (siehe Checkliste). Auch auf kulturelle Unterschiede müsse man sich einstellen, rät Bettina Fabich, die deutsche Firmen auf den neuen Markt vorbereitet. Das gelte zum Beispiel für
die Sprache: Auf Deutsch und Englisch geht es auch, doch wer teure Missverständnisse vermeiden will, sollte die Fachbegriffe und zumindest ein paar Grundlagen der Landessprache kennen.
die Werte: Es genügt nicht, Werbung einfach zu übersetzen. Mehr Erfolg hat, wer die Werte der Kunden berücksichtigt. Die Niederländer haben andere Ansprüche. Zweckmäßigkeit geht vor Luxus, wichtig ist vor allem ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
das Miteinander: Netzwerke und Smalltalk haben einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland. Das ist zwar aufwändig, bringt mittelfristig aber sehr viel. Eine gute Gelegenheit beides zu pflegen bieten Fach- und Regionalmessen, die von Kunden sehr gut besucht werden.
Diesen Aufwand würden sich manche Unternehmen gerne sparen, beobachtet Helmut Smidt. Viele versuchen durch schlechte Preise an Aufträge zu kommen und umgehen dafür auch Vorschriften. Doch das sei schlecht für den Ruf und das Geschäft: Die Baukontrollen sind schon schärfer geworden, warnt Smidt.
Link: www.lejo-haus.de
Holländisch für Handwerker
Ein paar Begriffe sollten Sie kennen, bevor Sie sich an Bauaufträge in den Niederlanden wagen.
Arbeidsinspectie:
Diese Behörde setzt den Arbeitsschutz in den Niederlanden rigoros durch. Sie legt Baustellen sofort still, kassiert Bußgelder zwischen 2000 und 3000 Euro und gibt die Arbeit erst wieder frei, wenn die Mängel beseitigt wurden.
Belastingdienst:
So heißt das Finanzamt, das ebenfalls sehr rigide ist. Termin für die Umsatzsteuervorauszahlung ist der 15. des Monats. Wer den Termin verpasst, muss ein Bußgeld von 3000 Euro bezahlen.
Bouwvoorschriften:
Das klingt fast deutsch Bauvorschriften. Doch die Unterschiede sind besonders gravierend,
wenn man sie zu spät bemerkt. Das gilt zum Beispiel für Tür- und Geschosshöhen.
Welstand:
Dahinter verbirgt sich ein Ästhetikausschuss, der ohne Angabe detaillierter oder gar objektiver Gründe eine Baugenehmigung verweigern kann, etwa weil Material, Farbe oder Form nicht passen. Geheim sind die Gründe nicht: Die Ausschüsse tagen öffentlich. Wer dafür keine Zeit hat oder nicht niederländisch spricht, ist umso mehr auf gute Kontakte angewiesen.
Vriendelijkheid:
Die niederländische Freundlichkeit kann irritierend sein, besonders bei Behördengängen. Angenehmer als in vielen deutschen Behörden ist das Klima bestimmt, schneller geht es deswegen aber nicht.
Contacten:
Weitere Infos unter:
www.inter-ned.info:
Viele Infos der Kreishandwerkerschaft Borken über Wirtschaft, Geschäfte, Genehmigungen, Sprache, Kultur.
www.lingener-handwerk.de:
Technologietransfer und Betriebskontakte in der Ems-Dollart-Region der Kreishandwerkerschaft Lingen.
www.denies.de:
Deutsch-Niederländisches Servicecenter für Sprache und Kommunikation, bereitet Firmen sprachlich, interkulturell und landeskundlich auf den Markt vor.