Auf einen Blick:
- Auf in ein Handwerks-Abenteuer: 25 Männer und Frauen verschiedener Gewerke starteten in Ruanda ein Sanierungsprojekt.
- In Kooperation mit Ortskräften sanierten sie ein Gemeinde-und Jugendzentrum eines mittellosen Pygmäenvolkes.
- Zwei Meisterinnen und ein Meister erzählen von der Arbeit vor Ort: Charlene Svrcina, Jule Rombey und Manuel Kalogeropoulos.
Einzigartige Natur erleben, eine neue Kultur kennenlernen, unter ungewohnten Bedingungen arbeiten: 25 Handwerksprofis aus dem Bundesgebiet haben das nasskalte Deutschlandwetter und die vertrauten heimischen Baustellen gegen ein Handwerks-Abenteuer in Ruanda getauscht.
Die Frauen und Männer aus dem Maler-, Tischler- und Raumausstatterhandwerk, ein Elektriker, Fahrzeugbauer und Polsterer traten auf eigene Kosten an, um zehn Tage lang Gutes zu tun. Aufgabe der bunten Truppe: Gemeinsam mit 15 handwerklich talentierten Berufsschülern und -schülerinnen aus Ruanda sollten sie ein baufälliges Gemeinde- und Jugendzentrum sanieren und es mit Küche, Bad, Wasserversorgung, Ofen und Strom ausstatten. Mit dabei waren auch die Tischlermeisterin Jule Rombey, die Malermeisterin Charlene Svrcina und der Malermeister Manuel Kalogeropoulos. Sie schildern, welche Eindrücke sie auf dem Trip gewonnen haben und was sie von der Reise für sich mitnehmen.
Unterwegs zu den Ärmsten der Armen
Den Zielort Kinigi in dem ostafrikanischen Binnenland zu erreichen, war schon ein Abenteuer für sich: Im klapprigen Bus ging es hinauf bis auf 2.300 Meter Höhe. Die Route über das grobe Vulkangestein wird Charlene Svrcina so schnell nicht vergessen. Gesteinsbrocken groß wie Fußbälle hätten den Untergrund geprägt. „Die Fahrer mussten höllisch aufpassen, um nicht stecken zu bleiben“, erzählt sie. Im strömenden Regen sei das allerdings nicht immer gelungen.
Nicht abenteuerlich, sondern erschreckend habe der Lebensstandard am Einsatzort gewirkt: Der sogenannten HMP Community am Einsatzort der Handwerker habe es an allem gefehlt: Betten, Bänken, Nahrung. „Das sind wirklich die Ärmsten der Armen“, sagt die 25-Jährige.
Sanierungsprojekt mit über 1200 Arbeitsstunden
HMP steht für „Historically Marginalized People“, zu Deutsch historisch ausgegrenzte Menschen. „Die HMP sind ein Pygmäen-Volk, das man einst aus dem Wald holte, um ihnen ein ‚zivilisiertes‘ Leben anzuerziehen“, berichtet Norbert de Wolf. De Wolf ist Vorsitzender des EURwanda Handcraft Foundation e.V. Der Verein hat die Reise gemeinsam mit lokalen Kräften über Monate vorbereitet, damit die Handwerksteams bestmöglich arbeiten können. Seit zehn Jahren organisiert der Verein Ruanda-Reisen als jährliches Sozial- und Weiterbildungsbildungsprojekt für den deutschen Handwerksnachwuchs. Ursprünglich im Malerhandwerk gestartet, sind seit 2018 auch andere Gewerke und Handwerker vom Azubi bis zum gestandenen Unternehmer eingeladen.
„Uns ist wichtig, dass wir vor Ort mit den Ruandern auf Augenhöhe arbeiten“, sagt de Wolf. Im aktuellen Projekt sollten deutsche Handwerks-Teams und ruandische Nachwuchskräfte, die sogenannten „Buddies“, gemeinsam arbeiten und voneinander lernen. Zusätzlich hätten die Bewohner der HMP-Community kräftig mit angepackt. Nach 1.250 Arbeitsstunden sei das dunkle verwitterte Gebäude in ein strahlend weißes Gemeindezentrum verwandelt worden.
Malermeister Kalo: „Beeindruckender Mut zur Improvisation“
Lernen konnte man von den Buddies laut Manuel Kalogeropoulos (kurz: Malermeister Kalo) zum Beispiel die Freude zur Improvisation auf der Baustelle. Die war auch gefragt, als die Handwerker feststellten, dass es keine Leitern gab. Die Lösung der Buddies: „Sie nahmen Bauholz und Nägel und bauten Behelfsleitern“, schildert Malermeister Kalo. Zwar sollte man die improvisierten Hilfsmittel nicht an BG-Standards messen, „aber die Buddies haben eindrucksvoll gezeigt, dass man mit Kreativität und Mut zur Improvisation vor Ort einiges erreichen kann“, berichtet der 40-Jährige.
Wie hat sich der Chef von drei Gesellen die zehn Tage für Ruanda freigeschaufelt? „Ich habe die Baustellen vorbereitet, Material besorgt und für den Notfall meinen alten Lehrmeister als Ansprechpartner ins Boot geholt“, erzählt er. Probleme hätte es keine gegeben. „Großes Lob an meine Mitarbeiter. Denen kann man wirklich etwas zutrauen.“
Am meisten beeindruckt habe den Malermeister die Freundlichkeit und Lebensfreude der HMP, die sie trotz ihrer Lebensumstände bewahren. Er will in Zukunft die vergleichsweise kleinen Probleme in Deutschland weniger ernst nehmen und nimmt für sich mit, „dass man viel erreichen kann, wenn man Hand in Hand zusammenarbeitet.“
Jule Rombey: „Ich konnte unheimlich dazulernen“
Ein Hauptaufgabe der angereisten Tischler war es, der Community Bänke zu bauen; denn so etwas gab es vor Ort nicht, berichtet die Tischlermeisterin Jule Rombey. „Wir wollten eine haltbare Konstruktion verwenden, die unkompliziert genug war, dass die Bewohner sie selbst nachbauen konnten“, erzählt sie. Die Wahl fiel auf einfache Zapfenverbindungen und Überblattungen, die sie gemeinsam mit den „Buddies“ und den Dorfbewohnern realisierten. Die nötigen Werkzeuge dazu sollten dauerhaft in der Gemeinde bleiben.
„Die Arbeit mit den Buddies war super“, sagt Jule Rombey. Zu lernen gab es für das deutsche Team etwa, vor Ort den deutschen Perfektionismus abzulegen. Eine Opferplatte für ein schöneres Schnittergebnis nutzen? Materialverschwendung. „Dafür hatten die Buddies kein Verständnis.“
Daheim in Nordrhein-Westfalen arbeitet die Miss Handwerk 2020 an der Seite ihres Vaters im Betrieb „Holztreppen Rombey“ und betreut die Azubis. „Für meine Rolle als Ausbilderin konnte ich in Ruanda unheimlich dazulernen“, sagt sie. „Die Frage war: Wie kann man eine Technik einfacher erklären?“ So nutzten sie neben etwas Englisch auch Abbildungen und Skizzen für die Verständigung.
Weil die HMP ohne Betten auf dem Boden schliefen, entschlossen sich die Helfer spontan zum Bau von elf Gruppenbetten aus dem vorhandenen Material. Beeindruckt hat die Meisterin die Lebensfreude der Bewohner, trotz ihrer Armut. Zwangsläufig ziehe man einen Vergleich zum eigenen Leben. „Ich habe gelernt, was wirklich wichtig ist.“
Charlene Svrcina: „Der Wissendurst hat mich begeistert“
Charlene Svrcina, die als Meisterin im elterlichen Betrieb angestellt ist, hat sich für die Reise freistellen lassen. Mit ihren Buddies hätten die Maler in den ersten Tagen vor allem Außen- und Innenwände gestrichen und Fenster lackiert. Dabei haben die deutschen Handwerker auch gezeigt, wie sie Baustellen vorbereiten. „Für die Leute vor Ort war zum Beispiel eher ungewohnt, dass wir den Boden abdecken, um nichts dreckig zu machen“, sagt Svrcina.
In der zweiten Hälfte ihrer Zeit hätten die Maler vor allem beim Bau der Gruppenbetten mitgeholfen. Dabei wurden die vorhandenen Materialien so eingesetzt, dass einfache Konstruktionen entstanden, die den Bewohnern beim Schlafen etwas Abstand zum Boden verschaffen konnten. „Dass die HMP keinen Betten hatten, hat uns sehr getroffen“, sagt Svrcina.
Was hat die Meisterin am meisten gefreut? „Der Wissensdurst der Buddies hat mich begeistert“, sagt sie. Obwohl man sich nur mit etwas Englisch und viel mit Händen und Füßen verständigen konnte, hätten die jungen Berufsschüler viel vom Austausch mitgenommen. „Am Ende haben die Buddies unsere Unterstützung gar nicht mehr gebraucht“, erzählt die 25-Jährige.
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