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Tierisch guter Führungsstil

Die Zügel in die Hand nehmen: Das zeigt Tischlermeister Wolfgang Scheller Unternehmern – auf ungewöhnliche Art.

Die Zügel in die Hand nehmen: Das zeigt Tischlermeister Wolfgang Scheller Unternehmern auf ungewöhnliche Art.

Von Claas Beckmann

Der Mann stampft auf. Er wirft die Schultern nach vorn. Lauf!, ruft er und schleudert seine Arme in die Luft. Duke macht einen Satz und trabt los. Seine wellige Mähne wippt bei jedem Schritt. Er läuft im Kreis um den Mann herum. 800 Kilogramm wiegt das Pferd. Der Boden bebt, wenn es vorbei trabt. 800 Kilogramm geballte emotionale Intelligenz, sagt Wolfgang Scheller. Und die nutzt der gelernte Tischlermeister. In den Kursen, die er mit Karin Rathje von Coaching by Horse gibt, können Teilnehmer mehr über ihr Führungsverhalten lernen, indem sie es an Pferden üben.

Foto: Claas Beckmann

Milchiges Licht scheint in die Reithalle nahe Verden. Draußen nieselt es. Gut ein Dutzend Teilnehmer sind gekommen, sie alle werden zu ersten Mal mit Pferden arbeiten. Sie stehen auf dem weichen, sandigen Boden in der Mitte der Reithalle. Dort, wo durch zwei Streifen Flatterband ein schmaler Korridor gebildet wird, hat Scheller auch seine Videokamera aufgestellt. Später wird er den Teilnehmern ihr Verhalten vor Augen führen. In den zwei größeren, abgeteilten Hälften der Halle trauen sich die Ersten allein, aber unter Aufsicht, an die großen Tiere heran.

Pferde sind laut Scheller ideale Trainingspartner, denn sie reagieren weniger auf Gesprochenes als auf Körpersprache, und sie geben nichts auf Titel wie Chef oder Meister. Die Pferde interessiert das nicht, die werfen zurück, was ich einbringe. Und das passiert in Sekundenbruchteilen, sagt Scheller und beugt sich über seine Videokamera.

Im Fokus hat er eine zierliche Teilnehmerin. Auch sie soll das Pferd im Kreis laufen lassen. Doch sie lässt die Arme hängen. Das Pferd kommt näher. Sie tritt von einem Fuß auf den anderen. Das Pferd neigt den Kopf und macht keine Anstalten, zu laufen. Warum auch? Es konnte nicht erkennen, was sie von ihm wollte, erklärt Scheller später.

Bewusste Selbstwahrnehmung

Wer meint, es geht in den Kursen allein darum, Pferde spuren zu lassen, liegt falsch. Selbstwahrnehmung ist das oberste Ziel. Es geht darum, sich des eigenen Auftritts bewusst zu werden. Unsere Kommunikation funktioniert zu 90 Prozent ohne Worte, zitiert Scheller eine Studie. Demnach beurteilen wir die Botschaften Anderer überwiegend nach Haltung, Gestik, Mimik. Und bei den restlichen, gesprochenen zehn Prozent kommt es nicht nur auf das Gesagte an, sondern auch auf Tonfall, Melodie und Betonung.

Also lassen Scheller und Rathje ihre Teilnehmer mit Pferden üben. Die Tiere verstehen kaum ein Wort, sind uns aber im Lesen der Körpersprache haushoch überlegen. Die Aufgabe: Wie kann ich das Pferd zu etwas bringen, was es sonst nicht tun würde? Zum Beispiel im Kreis traben, über eine Plane gehen oder still halten, wenn der Teilnehmer einen Regenschirm über dem Kopf des Pferdes aufspannt. Bei manchen Übungen geht es durchaus darum, zu zeigen, wer der Chef ist. Bei anderen besteht die Kunst darin, dem Pferd Zuversicht zu geben. Denn von allein würde ein Pferd nicht über eine raschelnde Plane gehen. Für Scheller liegen die Parallelen zum Berufsleben auf der Hand: Natürliche Autorität verströmen, Vertrauen zu Mitarbeitern oder Kunden aufbauen, sie anleiten, motivieren oder überzeugen das sind alles Aspekte von Führungsaufgaben.

Kommunikatives Miteinander statt starrer Anweisungen

Früher, so berichtet der ehemalige Inhaber einer Tischlerei, legte er schlechte Arbeitsergebnisse als Unwilligkeit der Mitarbeiter aus. Für die Kommunikation mit ihnen hatte er sich damals nicht extra Zeit genommen, Anweisungen mussten reichen. Man brauchte dafür keine Zeit, weil ja alles klar war, unkt er. Heute weiß ich das besser. Mit etwas mehr Zeit und Einfühlungsvermögen lässt sich die Zeit einsparen, die bei mangelnder Kommunikation für Fehlerbehebung draufgeht. Als ausgebildete Change-Manager weiß er das. Und mit den Pferde-Seminaren kann er es die Teilnehmer spüren lassen.

Scheller und Rathje geben Tipps zum Umgang mit den Pferden und werten mit den Teilnehmern die Videos aus. Dabei gibt es so manche Aha-Erlebnisse: Dem Mann aus dem Eingangsbeispiel haftete der Ruf an, nicht hart genug zu führen. In der Reithalle kann er nun üben, jemanden gehörig auf Trab zu bringen. Dass die zierliche Frau einen Mordsrespekt vor großen Tieren hatte, konnte sie auf den Videos gut erkennen. Am Ende des Seminars hält sie die Zügel in der Hand, führt die großen Tiere zurück in die Box und sagt. Wow, das hatte ich mir bisher nicht zugetraut.

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