Der Fall: Im Mai 2003 beschließt ein Finanzamt in Sachsen-Anhalt eine Betriebsprüfung für die X GmbH. Das Unternehmen beantragt jedoch mehrfach, den Prüfungstermin zu verschieben. Im Sommer 2004 informiert die X GmbH das Finanzamt schließlich darüber, dass die verlangten Unterlagen verschwunden sind.
Denn mittlerweile ist die X GmbH längst verkauft und im Sommer 2004 musste der Chef das Betriebsgelände räumen. Also hatte er alle Steuerunterlagen auf einen Kleinlaster gepackt, um sie in den neuen Betrieb zu bringen. Doch ausgerechnet dieser Wagen wird gestohlen.
Zu wenig Rechnungskopien
Nun versucht der Unternehmer, Zweitbelege bei seinen Lieferanten zu beschaffen. Der Fiskus zeigt Geduld, die Betriebsprüfung verschiebt sich immer weiter nach hinten – bis 2006. Nun kann der Unternehmer zwar einige Rechnungskopien vorlegen, doch die genügen dem Finanzamt nicht.
Steuerberater erinnert sich – aber nicht im Detail
Vergeblich ist auch die Aussage des Steuerberaters der X GmbH: Er und eine seiner Mitarbeiterinnen bestätigen zwar, dass seine Kanzlei nur ordnungsgemäße Rechnungen der X GmbH gebucht hat. Allerdings können sich beide nicht mehr an einzelne Rechnungen erinnern.
Das Urteil: Vorsteuer wird geschätzt – mit 60 Prozent
Das Finanzamt lässt sich darauf nicht ein. Es schätzt die Vorsteuer mit 60 Prozent der vorangemeldeten Beträge.
Zu Recht, wie das schließlich das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt entschieden hat: Ein Steuerpflichtiger müsse den Nachweis über in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zwar nicht unbedingt durch die Originalrechnung nachweisen.
Er müsse jedoch Beweise für jede einzelne Rechnung vorlegen. „Insbesondere muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird.“ Wenn sich der Steuerberater als Zeuge nicht an die einzelnen Rechnungen erinnern kann, genügt seine Aussage nicht als Beweis. (Urteil vom 20. Februar 2013, 2 K 1037/10)
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