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Arbeitsrecht: Das sollten Arbeitgeber wissen

Wann verfällt der Urlaubsanspruch?

70 bis 90 Tage Urlaub kommen schnell zusammen, wenn ein Mitarbeiter länger krank ist. Manchmal sogar mehr. Doch wann verfällt der Urlaub – und wann müssen Sie zahlen?

140 Tage Urlaubsanspruch auszahlen? Das ist sicher ein Extremfall – und ist eine Menge Geld für den Arbeitgeber. Doch genau so viel hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Az. C‑118/13) kürzlich den Erben eines verstorbenen Mitarbeiters zugesprochen.

Das wirft eine Menge Fragen auf, doch vor allem diese eine: 140 Tage – wie ist das möglich?

„140 Tage dürften eher eine Ausnahme sein, aber 70 bis 90 Tage kommen relativ schnell zusammen“, sagt Doris-Maria Schuster, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Frankfurt. Die meisten Arbeitnehmer haben in Deutschland Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr. „Und wenn jemand lange erkrankt ist, geht damit oft eine Schwerbehinderung einher und dann kommen mindestens fünf Tage im Jahr hinzu“, erklärt Schuster. „Das wären dann mindestens schon 70 Tage in zwei Jahren, die nicht so schnell verfallen“, sagt die Expertin der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins.

Noch mehr könnten es werden, wenn Sonderregelungen gelten, sei es im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag. So wie im EuGH-Fall: In dem Unternehmen gab es eine Regelung, dass Arbeitnehmer Urlaubsansprüche ansammeln können. Entweder, um ihn für ein größeres Ereignis anzusparen oder, wenn der Urlaub aufgrund personeller Engpässe nicht genommen werden kann. So kam der verstorbene Arbeitnehmer – in Kombination mit einigen Erkrankungen – auf seine 140 Tage (s. LAG Hamm, 16 Sa 1511/12).

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Diese Fristen müssen Arbeitgeber beim Urlaub beachten

Bis 140 Tage Urlaub zusammenkommen, muss schon einiges passieren. Der Normalfall sieht anders aus, berichtet Schuster:

Normalfall:
Die Urlaubstage sollen im laufenden Kalenderjahr genommen werden. „Hat man den Urlaub nicht genommen, verfällt er“, betont die Juristin.

Drei Monate Frist:
Eine Ausnahme gilt, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe vorliegen. Dann können Urlaubsansprüche ins Folgejahr übertragen werden und müssen bis zum 31. März genommen werden. Sonst verfallen sie. „Dringende betriebliche Gründe können zum Beispiel eine hohe Auftragslage am Jahresende sein oder wenn viele Kollegen krank sind“, sagt Schuster. Als persönlicher Grund gilt vor allem Krankheit.

15 Monate Frist:
Kann ein Mitarbeiter seinen Urlaub krankheitsbedingt nicht im laufenden Jahr und auch nicht bis zum 31. März des Folgejahres nehmen, so gilt eine längere Frist: Der Urlaubsanspruch bleibt bis zum 31. März des nächsten Jahres bestehen. Nach diesen 15 Monaten verfällt der allerdings ersatzlos.

  • Ein Beispiel: Mitarbeiter W. hat 30 Tage Urlaub im Jahr. In 2013 konnte er davon 10 Tage aufgrund der guten Auftragslage nicht nehmen. Im ersten Quartal bleibt die Auslastung hoch, danach wird W. krank und kann so die 10 Tage nicht bis zum März 2014 nehmen. Daher bleibt sein Anspruch auf Resturlaub aus 2013 bis März 2015 bestehen.
  • Gleiches würde gelten, wenn W. so häufig krank ist, dass er in 2013 überhaupt keinen Urlaubstag nehmen kann. Ist er auch in 2014 so oft krank, dass er weder den Urlaub aus 2013 noch den aus 2014 nehmen kann, so hat er bis März in 2015 Anspruch auf 60 Tage Alturlaub. Nimmt er ihn auch dann krankheitsbedingt nicht, verfällt der Urlaub aus 2013 aufgrund der 15-Monate-Frist. Der Anspruch aus 2014 bleibt bis März 2016 bestehen.

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Auszahlung ist bei Urlaubsansprüchen die Ausnahme

In der Regel müssen Mitarbeiter den Urlaub innerhalb dieser Fristen nehmen. „Das Gesetz verbietet die Auszahlung von Urlaubsansprüchen“, erklärt Schuster. Anders sieht die Lage jedoch aus, wenn der Mitarbeiter den Urlaub nicht mehr nehmen kann, weil er das Unternehmen verlässt. Dann bestehe ein finanzieller Abgeltungsanspruch:

  • Wechsel in die Rente oder in die Erwerbsminderungsrente: Der Abgeltungsanspruch besteht, wenn ein Mitarbeiter arbeitsunfähig ist und danach in Rente geht, ohne noch seinen Urlaub nehmen zu können.
  • Kündigung: Eigentlich ist der Urlaub bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu nehmen. Es sei denn, es sprechen betriebliche Gründe dagegen oder auch Arbeitnehmerinteressen. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Vertrag im Februar endet und die Kinder oder die Ehefrau, mit der der Urlaub verbracht werden soll, plötzlich erkranken und der Urlaub deshalb nicht genommen werden kann. Auch dann muss der Urlaub ausgezahlt werden.

  • Tod: Wie der EuGH nun entschieden hat, wandelt sich ein Urlaubsanspruch im Todesfall in einen Abgeltungsanspruch um, der vererbt werden kann.

Nächste Seite: Genau hinschauen lohnt sich – oft gelten die Regeln nur für den gesetzlichen Mindesturlaub!

Genau hinschauen: Geht es um den Mindesturlaub oder mehr?

Einen kleinen Handlungsspielraum haben manche Arbeitgeber. „Diese Regel, dass Urlaub nicht verfallen und nicht übertragen werden kann, gilt zunächst einmal nur für den gesetzlichen Mindesturlaub“, berichtet Schuster.

Gesetzlich haben Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen zuzüglich Sonderurlaub für Schwerbehinderte. Alles, was darüber hinaus geht, ist meist in einem Tarifvertrag geregelt oder einem Arbeitsvertrag. „Die Tarifparteien können in einem Tarifvertrag durchaus regeln, dass alles, was über den Mindesturlaub hinaus geht, nach dem 31. März grundsätzlich verfällt.“ Daher lohne sich ein genauer Blick in den Tarifvertrag. Auch arbeitsrechtlich lasse sich das regeln, sofern dabei nicht gegen einen bestehenden Tarifvertrag verstoßen wird. „Das muss in beiden Fällen jedoch eindeutig geregelt sein“, betont Schuster. „Wenn da nichts steht, dann gilt für den Mehrurlaub im Zweifelsfall das Gleiche wie für den gesetzlichen Mindesturlaub.“

Kosten und Fristen beachten
Nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer bis zu drei Jahre Zeit, alte Urlaubsansprüche einzufordern. Entscheidend ist dabei nicht das Datum des Ausscheidens, sondern das Jahresende. Endet ein Arbeitsvertrag am 30. April 2013, so verjähren Urlaubsansprüche erst Ende 2016. Doch auch hier lohne sich ein genauer Blick in den Tarifvertrag und in den Arbeitsvertrag, sagt Schuster: „Dort kann man durchaus andere Ausschlussfristen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vereinbaren, zum Beispiel auf drei Monate.“



(jw)


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Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs kommt es auf die Arbeitstage pro Woche an, nicht auf die Stundenzahl.

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