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Duales Studium

Zwei Abschlüsse auf einen Streich

Dem Nachwuchs Ausbildung und Studium zugleich ermöglichen – was bringt es den Betrieben? Und was müssen sie dafür in Kauf nehmen? Hier einige Antworten.

Jascha Koetting wollte beides, Tischler lernen und Betriebswirtschaftslehre studieren. Und das nicht etwa hintereinander, sondern auf einen Streich. Er fand eine Tischlerei, die für diesen Weg offen war. Und an der Berufsakademie Hamburg fand er den passenden dualen Studiengang. „Der allergrößte Vorteil ist die Praxisnähe“, sagt der 26-Jährige. „Statt neben dem Studium zu jobben und Praktika zu sammeln, habe ich eine Berufsausbildung gemacht."

Nach weniger als vier Jahren hatte er, was er wollte: den Bachelor-Abschluss und seinen Gesellenbrief. Mittlerweile berät Jascha Koetting Unternehmen, denn bald nach dem Studium ist er Betriebsberater beim Fachverband Tischler Nord geworden. Wenn er dort nach dem Nutzen des dualen Studiums für die Betriebe gefragt wird, fällt ihm eine Menge dazu ein: „Sie bekommen dadurch Betriebswirte, die ihr Handwerk verstehen und das Unternehmen genau kennen.“ Die Studierenden können aus seiner Sicht ein Grundverständnis für verschiedene Gewerke entwickeln, Kooperationsmöglichkeiten ausloten und frische Ideen ins Unternehmen bringen.

Beispiel der Berufsakademie Hamburg
Für welche Handwerksunternehmen ein solches Ausbildungsangebot Sinn macht, was sie dafür tun müssen und im Gegenzug zurückbekommen, lässt sich am Beispiel der Berufsakademie Hamburg zeigen. Sie wurde 2005 als Einrichtung der Handwerkskammer Hamburg gegründet und bietet die beiden staatlich anerkannten dualen Bachelor-Studiengänge „Betriebswirtschaft KMU“ und „Technik und Management Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz“ an. Vier Jahre dauert die Doppelausbildung, wenn keine Verkürzung vereinbart ist. In das Betriebswirtschaftsstudium sind die Teile III und IV der Meisterprüfung integriert, so dass auch der Weg zum Meistertitel kürzer wird.

Wann und für wen sich ein duales Ausbildungsangebot lohnt, erfahren Sie auf Seite 2.

Wann lohnt es sich, eine duale Ausbildung anzubieten?

„Es lohnt sich, wenn die Studierenden später mehr Verantwortung und fachbezogene Führungsaufgaben übernehmen können“, sagt der akademische Direktor der Berufsakademie Hamburg, Professor Joachim von Kiedrowski. Das können Unternehmen sein, bei denen in den nächsten Jahren eine Betriebsnachfolge ansteht oder die sich Mitarbeiter mit einem speziellen betriebswirtschaftlichen oder technischen Know-how ins Haus holen wollen.

Das duale Studium kann Joachim von Kiedrowski zufolge ein wichtiger Pluspunkt sein, aufgrund dessen sich Jugendliche für ein Unternehmen entscheiden: „Arbeitgeber-Attraktivität bedeutet unter anderem auch, für Menschen mit höheren Schulabschlüssen ein Angebot zu haben.“ Gerade bei Abiturienten gebe es das Problem, dass sie nach der Ausbildung häufig noch studieren wollen. Durch das duale Studium sei die Bindung an das Unternehmen stärker.

Wie arbeiten Betrieb und Hochschule zusammen?
Die Berufsakademie Hamburg unterstützt Betriebe, mit denen sie kooperiert, bei der Bewerbersuche. Freie Ausbildungsplätze bewirbt sie unter anderem auf ihrer Website, in sozialen Netzwerken und auf Messen. Desweiteren vermittelt sie Praktika in den Kooperationsbetrieben.  „Dadurch finden sich auch Bewerber bei Betrieben ein, die sonst nicht dorthin finden würden“, betont Joachim von Kiedrowski.

Um mit der Berufsakademie zusammenzuarbeiten, müssen die Unternehmen bei den Kammern als Ausbildungsbetriebe eingetragen sein. „Außerdem überprüfen wir, ob es dort einen adäquaten Ansprechpartner für die Studenten gibt“, sagt der Wirtschaftsprofessor.  Die Verantwortlichen werden ihm zufolge auch zu Ausbildertreffen eingeladen. „Wir beraten die Betriebe, damit es für beide Seiten passt und das Studium auch gelingen kann.“

Lesen Sie auf Seite 3, mit welchen Kosten die Betriebe rechnen müssen.

Welche Kosten kommen auf den Betrieb zu?

In der Regel beteiligen sich die Unternehmen an den Kosten des Studiums. Das Betriebswirtschaftsstudium an der Berufsakademie Hamburg kostet zum Beispiel 320 Euro monatlich. Kiedrowski zufolge tragen die Betriebe in der Regel die Hälfte der Gebühr. Auch die Übernahme eines höheren Anteils von bis zu 100 Prozent sei jedoch in den letzten Jahren keine Seltenheit gewesen. Die genaue Vereinbarung wird im Studienvertrag festgehalten, den Betrieb und Student miteinander schließen.

Als weitere Kostenfaktoren kommen für die Betriebe die Ausbildungsvergütung und die Abwesenheitszeiten der Studierenden hinzu. An der Berufsakademie Hamburg finden die Lehrveranstaltungen in drei zweiwöchigen Blöcken pro Jahr sowie alle 14 Tage von Freitag- bis Samstagnachmittag statt.

Lässt sich das Studium auf die individuellen betrieblichen Anforderungen zuschneiden?
Die Studierenden können in Referaten, Hausarbeiten und in ihrer Bachelorarbeit betriebsspezifische Fragestellungen aufgreifen und mit ihrem theoretischen Wissen verknüpfen. Jascha Koetting hat im Laufe seines Studiums unter anderem einen Maschinenwartungsplan und ein leistungsgerechtes Entgeltsystem für seinen Ausbildungsbetrieb entwickelt.

Dass ein Betrieb von dem theoretischen Wissen und den Ideen der Studierenden profitieren kann, davon ist auch Tischlermeister Eike Curdt überzeugt: Der Chef der Willi Curdt amp; Co GmbH beschäftigt eine duale Studentin, die an der Berufsakademie Hamburg studiert und die er selbst im Unternehmen betreut. Gemeinsam mit ihr hat er bereits ein Thema für die Bachelorarbeit entwickelt: „Es wird darin sehr stark um das Thema Organisation gehen: Soll es zum Beispiel künftig einen Werkstattleiter geben? Wer macht die Arbeitsvorbereitung? Und wer entlastet mich als Chef?“

Nach dem Studium ex und hopp? Wie Sie die Absolventen halten können, erfahren Sie auf Seite 4.

Wie können Sie die Absolventen an das Unternehmen binden?

Die Studienverträge sehen in der Regel eine Bindungsklausel vor. Üblich ist laut Joachim von Kiedrowski, dass die Mitarbeiter nach Abschluss ihres dualen Studiums noch zwei Jahre an das Unternehmen gebunden sind. Er weist auf die steuerlichen Vorteile für Betriebe hin: Wer eine Bindungsklausel festgelegt hat und deutlich machen kann, dass das Studium im betrieblichen Interesse ist, kann die Studienkosten (Anteil des Arbeitgebers) als Betriebsausgaben absetzen.

Firmenchef Eike Curdt sagt, er sei trotzdem kein Freund einer solchen Bindungsklausel. „Wer nicht mehr bleiben will, ist auch nicht mehr sonderlich motiviert.“ Für Unternehmen, die ihre doppelt qualifizierten Mitarbeiter dauerhaft halten wollen, gilt es daher, Anreize zu schaffen: klare Karriereperspektiven, eigenverantwortliches Arbeiten und flexible Arbeitszeiten zum Beispiel ­– je nach Kandidat.

Duales Studium: Was für Modelle gibt es?
Bei einem dualen Studium sind eine Berufsausbildung oder Praxisphasen in einem Unternehmen in das Studium integriert. Berufspraxis und Studium sind zeitlich und inhaltlich miteinander verzahnt. Dabei lassen sich drei verschiedene Formen dualer Studiengänge voneinander unterscheiden:

Ausbildungsintegrierende Studiengänge: Sie bieten die Möglichkeit, an einer Hochschule oder Berufsakademie zu studieren und gleichzeitig eine Berufsausbildung zu absolvieren. Im Handwerk haben die Absolventen am Ende sowohl einen Gesellenbrief als auch einen Bachelor-Abschluss in der Tasche.

Praxisintegrierende Studiengänge: Bei ihnen ist das Studium mit längeren Praxisphasen im Unternehmen verbunden. Voraussetzung ist, dass sich die Studierenden vertraglich an ein Unternehmen binden. Das kann in Form eines Arbeits- oder Praktikantenvertrages geschehen.

Berufsintegrierende und -begleitende Studiengänge: Studium und berufliche Tätigkeit werden miteinander kombiniert. Im Unterschied zu „klassischen“ nebenberuflichen Studiengängen wird ein inhaltlicher Bezug zwischen Job und Studium hergestellt. Außerdem leisten die Betriebe einen Beitrag zum Studium, indem sie ihre Mitarbeiter zum Beispiel freistellen oder ihnen erlauben, dafür bestimmte betriebliche Arbeitsmittel zu nutzen.

Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung: AusbildungPlus: Duales Studium in Zahlen 2014.

Einen bundesweiten Überblick über duale Studiengänge bietet das Internetportal www.ausbildungplus.de.

(afu)

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