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Durchblick bei der Mitbestimmung

Betriebsverfassungs-Gesetz: Durchblick bei der Mitbestimmung

Am 28. Juli 2001, sind die Neuregelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft getreten. Was bedeutet dies konkret für Handwerksbetriebe? Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen, gibt Auskunft.

Früher als erwartet, am 28. Juli 2001, sind die Neuregelungen des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft getreten. Das wirft eine Reihe von Fragen auf. Was ändert sich konkret für Handwerksbetriebe?

Ab wann greifen die neuen Regelungen?

Wie wird jetzt in Kleinbetrieben gewählt?

Sind schon alle Details der Wahlverfahren geklärt?

Wer "muss" im Betriebsrat vertreten sein?

Wie werden "Angestellte" und "gewerbliche Arbeitnehmer" behandelt?

Gelten alle neuen Regelungen für alle Handwerksbetriebe?

Mit welchen neuen Themen beschäftigt setzt sich ein Betriebsrat künftig?

Wie sind erweiterte Rechte etwa zur "Beschäftigungssicherung" umzusetzen?

Wird nun alles einfacher?

Ab wann greifen die neuen Regelungen?

Entscheidende Bedeutung wird das neue Regelwerk vor allem im nächsten Jahr entfalten, wenn die turnusmäßigen Neuwahlen von Betriebsräten in den Betrieben anstehen, die schon jetzt einen Betriebsrat haben. Das Gesetz sieht jedoch von zwei Ausnahmen abgesehen keine Übergangsregelungen vor, so dass seine neuen Regelungen grundsätzlich ab sofort zu beachten sind.

Wie wird jetzt in Kleinbetrieben gewählt?

Ein Wort vorweg: Nach wie vor besteht keine gesetzliche Pflicht, einen Betriebsrat zu wählen. Vielmehr handelt es sich um ein Recht der Arbeitnehmer in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern. Der Gesetzgeber hat nun versucht, die Ausübung dieses Rechts in Kleinbetrieben, das heißt nach dem Wortlaut des Gesetzes in Betrieben mit bis zu 50 Arbeitnehmern, zu vereinfachen.

Er hat dazu das so genannte "Vereinfachte Wahlverfahren" in das Gesetz aufgenommen. Mit diesem Verfahren werden die Fristen, die innerhalb des Wahlverfahrens einzuhalten sind, erheblich verkürzt: Die Wahl des Wahlvorstandes erfolgt frühestens sieben Tage nach Einladung zu der Wahlversammlung. Frühestens eine weitere Woche später kann dann in einer zweiten Versammlung der neue Betriebsrat gewählt werden.

Anders soll es sein, wenn ein alter Betriebsrat selbst den Wahlvorstand einsetzt. In diesem Fall soll die Wahl des neuen Betriebsrates in einer einzigen Betriebsversammlung erfolgen können.

Sind schon alle Details der Wahlverfahren geklärt?

Leider nicht vollständig, denn das novellierte Betriebsverfassungsgesetz nimmt Bezug auf alte Verordnungen zur Durchführung von Betriebsratswahlen. Diese passen nun aber nicht mehr zu den neuen Wahlverfahren. Zwar hat der Gesetzgeber durch ergänzende Erläuterungen im novellierten Betriebsverfassungsgesetz versucht, den Ablauf etwas zu konkretisieren, alle Einzelfragen sind jedoch nicht geklärt. Diese Situation ist unbefriedigend das genaue Prozedere der neuen Wahlverfahren soll aber bis zum nächsten Jahr, pünktlich zu den anstehenden Neuwahlen, geklärt sein. Bis dahin sollen die neuen Verordnungen, mit denen die Details geregelt werden, vorliegen.

Wer "muss" im Betriebsrat vertreten sein?

Anders gefragt: Gibt es jetzt eine zwingende Frauenquote? Ja, in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern müssen Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil in der Belegschaft im Betriebsrat vertreten sein. In kleineren Betrieben ist dies nicht erforderlich.

Wie werden "Angestellte" und "gewerbliche Arbeitnehmer" behandelt?

Bislang wurde durch die getrennte Wahl von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern erreicht, dass von beiden Gruppen jeweils Vertreter in den Betriebsrat entsandt wurden. Diese so genannte Gruppenwahl ist jetzt ausdrücklich aufgehoben worden. Je nach Abstimmungsverhalten der Belegschaft kann sich ein Betriebsrat also nur aus Angestellten oder nur aus gewerblichen Arbeitnehmern zusammensetzten.

Und wenn eine dieser Gruppen mit den Kandidaten nicht einverstanden ist oder gar keinen Betriebsrat will? Dies ist unerheblich für die Wahl eines Betriebsrates gibt es keine Mindestwahlbeteiligung, so dass die Wahl auch dann erfolgen kann, wenn die Angehörigen einer dieser Gruppe keine Stimmen abgibt.

Gelten alle neuen Regelungen für alle Handwerksbetriebe?

Nein, denn angesichts der erheblichen Kritik von der mittelständischen Wirtschaft hat der Gesetzgeber die Geltung von einigen Vorschriften von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht. Daher gelten einige Regelungen erst ab einer bestimmten Betriebsgröße, zum Beispiel:

Reaktion auf Vorschläge des Betriebsrates zur Beschäftigungssicherung: Nur in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber Vorschläge, die er für ungeeignet hält, mit schriftlicher Begründung zurückweisen. In allen anderen Betrieben bleibt es jedoch bei der Pflicht des Arbeitgebers die Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten. Kritiker sehen in dieser Regelung eine Bürokratisierung eines Dialoges, der in den Betrieben in der Regel sowieso geführt wird.

Übertragung von Aufgaben des Betriebsrates auf so genannte "Ausschüsse/Arbeitsgruppen": Auch hier gilt die Grenze von mehr als 100 Arbeitnehmern.

Hinzuziehung eines externen Beraters auf Kosten des Arbeitgebers: Ohne Zustimmung und auf Kosten des Arbeitgebers darf der Betriebsrat erst in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern einen externen Berater hinzuziehen.

Mit welchen neuen Themen beschäftigt setzt sich ein Betriebsrat künftig?

Neben den Themen Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb und Integration ausländischer Kollegen hat der Betriebsrat nun umfassende Rechte und Pflichten im "Arbeits- und betrieblichen Umweltschutz" erhalten. Er sollte erst bei entscheidenden Fragen zu diesen Themenkomplexen hinzu gezogen werden. Allerdings hat er seinerseits bei der Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen mitzuwirken.

Auch im Bereich "Berufliche Bildung" hat der Betriebsrat neue Möglichkeiten. Er hat das Recht, mit dem Arbeitgeber konkret über Qualifizierungsmaßnahmen von Kollegen zu sprechen, die anders eingesetzt werden sollen.

Im Bereich der Personalentscheidungen hat der Betriebsrat ein neues Zustimmungsverweigerungsrecht: Er darf die Zustimmung zur Einstellung von unbefristeten Arbeitnehmern verweigern, wenn es gleich geeignete befristete Arbeitnehmer gibt. Hinweis: Dieses neue Verweigerungsrecht bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat zugleich ein Recht auf Zustimmungsverweigerung bei der Einstellung von befristeten Arbeitnehmern hat.

Wie sind erweiterte Rechte etwa zur "Beschäftigungssicherung" umzusetzen?

Auch an diesem Punkt ist in der Vergangenheit heftig gestritten worden. Fest steht, dass der Betriebsrat das Recht hat, von dem Unternehmer zu verlangen, über alles zu beraten: Bis hin zu den Fragen, ob der Unternehmer nicht lieber einen Teil seines Geschäftes ausgliedern oder ob er nicht seine Investitionsentscheidung noch einmal überdenken und anders treffen sollte. Die Konsequenzen dieser Entscheidungen muss im Endeffekt der Unternehmer nach wie vor allein tragen. Auch dies steht fest mit oder ohne gesetzlich vorgeschriebener Diskussion.

Wird nun alles einfacher?

Es bleibt abzuwarten, ob die Neuregelungen tatsächlich zu einem verbesserten Dialog auf betrieblicher Ebene führen werden. Sicher ist bereits heute, dass die Neuregelungen nicht zu einer Vereinfachung der Mitbestimmung geführt haben. Das Beteiligungsverfahren des Betriebsrats beispielsweise vor Ausspruch einer Kündigung ist noch genauso kompliziert wie vor der Novellierung. Leider hat sich der Gesetzgeber nicht getraut, hier zu wirklichen Vereinfachungen zu kommen obwohl er sich dabei das Lob sowohl von Gewerkschaften als auch von den Arbeitgebern hätte verdienen können.

Cornelia Höltkemeier

Die Autorin ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen.

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