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Bournout keine Chance geben

Stress lass nach!

Stress ist gefährlich: Schlafmangel, Verspannungen, Unkonzentriertheit. All das kann negative Folgen am Arbeitsplatz haben. Was können Chefs tun, um Mitarbeiter vor der Stressfalle zu bewahren – oder sie wieder herauszuführen?

Die Friseurin leidet unter ihren ungleichmäßigen Arbeitszeiten, dem Elektriker geht der Zeitdruck beim Service auf den Wecker und der Gas-Wasser-Installateur ärgert sich immer wieder über Streit mit Kundinnen, deren Hygieneartikel er aus verstopften WCs angeln muss. Jedes Gewerk hat eigene Herausforderungen, die stressen. Die Belastungen durch hohe Arbeitsanforderungen an die Mitarbeiter kosten viel Geld. Die Beschäftigten sind weniger produktiv und öfter krank. Chefs sollten also gut aufpassen und Warnsignale erkennen.

Wo drückt Ihre Leute der Stress-Schuh?
Professor Dr. Dirk Windemuth vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung schildert typische Überlastungssymptome: „Ist jemand dauernd müde und gereizt, kann dies ein Zeichen sein. Auch ein hoher Zeitaufwand für Routinetätigkeiten, Fahrigkeit und auffällig viele Fehler deuten darauf hin, dass ein Belegschaftsmitglied unter Druck steht.“ Ein weiteres Stress-Symp­tom bestehe darin, dass Mitarbeiter zunächst wie unter Strom arbeiteten und dann im Urlaub krank würden. Mancher Stress kann natürlich auch im Privatleben begründet sein. In jedem Fall empfiehlt der Wissenschaftler das Gespräch mit dem Betroffenen – und darüber hinaus mit den anderen Kollegen. „Oft sind die Aufgaben unterschiedlich im Betrieb verteilt, so dass jeder andere Stressauslöser hat.“ Um diese insgesamt ans Tageslicht zu befördern und sich Gegenmaßnahmen zu überlegen, sei die Kommunikation mit allen unabdingbar.

Ursachen statt Symptome bekämpfen
Der Professor rät, im Anschluss an die Stressoren-Findung zu überlegen, was jeweils zu tun sei und nennt ein paar Beispiele:

-Probleme mit Gerätschaften und Maschinen (z. B. Lärm, umständliche Handhabung, altertümliche Technik ...): Anschaffung von bedienerfreundlicheren Alternativen

-Ständige Ablenkung durch Telefonate und Gespräche anderer im Büro: Regeln setzen für Telefonate oder Anschaffung mobiler Endgeräte, damit der Raum verlassen werden kann

-Extremer Zeitdruck bei der Abwicklung von Aufträgen: Festsetzen neuer „Zeitfenster“ zusammen mit dem Mitarbeiter

-Überforderung bei der Nutzung einer neuen Technologie: Sich Zeit für Erklärungen nehmen, ggf. (nochmalige) Schulung

-Private Probleme: Gesprächsangebot, ggf. Unterstützung beim Hinzuziehen von Fachleuten, zeitliche Entlastung

Windemuth räumt ein, natürlich könne nicht jeder Job zum Traumberuf umfunktioniert werden. „Wer im Straßenbau tätig ist, ist großen körperlichen Belas­tungen ausgesetzt. Das liegt in der Natur der Tätigkeit.“ Doch die Firmenleitung sollte den Mitarbeitern signalisieren, dass ihr Wohlergehen ihr am Herzen liege. Windemuth: „Es gibt oft die Gelegenheit, wenigstens symbolisch etwas Gutes zu tun. Wie wäre es mit Obst und gesundem Frühstück auf Firmenkosten, alkoholfreien Getränken auf der Baustelle oder Massage-Gutscheinen?“ Skeptisch ist er, was die Durchführung von Anti-Stress-Seminaren als alleinige Maßnahme anbetrifft. „Zuerst muss direkt an den Ursachen angesetzt werden. Dann ist ein Seminar eine sinnvolle Ergänzung!“

Der Oldenbäcker zeigt, wie es geht
Für eine Variante mit Hilfe eines externen Bildungsanbieters hat sich „Bruno der Oldenbäcker“ aus Oldenburg entschieden. Den rund 300 Belegschaftsmitgliedern der Kette steht ein Stress-Abbau-Paket zur Verfügung, das sich aus einem Vortrag, einem Online-Lernprogramm und einem Buch mit Fragen zum Nachdenken über die eigene Situation besteht. Vertriebschefin Kathrin Baar erläutert, warum sich ihr Betrieb um Stress-Vorsorge für die eigenen Mitarbeiter bemüht: „Stress betrifft wirklich jeden. Und wir möchten unseren Arbeitskräften zeigen, dass ihr Wohlergehen uns am Herzen liegt.“ Außerdem sei die Maßnahme im Rahmen der betrieblichen Fürsorgepflicht durchgeführt worden.
Der erste Schritt sei ein Fachvortrag in der Oldenburger Handwerkkammer über die Entstehung von Stress und seine Folgen gewesen. Baar: „Dazu haben wir unsere Mitarbeiter und auch Kunden eingeladen. Anschließend durfte die Belegschaft entscheiden, inwieweit auf freiwilliger Basis Interesse an dem Online-Programm zum Selbstlernen und dem Buch besteht.“ Jeder, der wolle, könne nun darauf zurückgreifen. Sie räumt ein, bisher hätten nur 10 Prozent aller Mitarbeiter diese Möglichkeit in Anspruch genommen. „Sie stammen aus der Verwaltung oder sind im Verkauf tätig.“ Doch auch für Kräfte, die den hohen körperlichen Belastungen beim Herstellen der Backwaren ausgesetzt seien, ist die Maßnahme ihrer Ansicht nach geeignet. Da das Programm erst kurze Zeit laufe, müsse es sich wohl erst herumsprechen. Sie selbst sei sehr angetan von den vielen Möglichkeiten, den eigenen Stresspegel zu senken.
Das Konzept für die Maßnahme unter dem Motto „Wege aus der Stressfalle“ stammt von Michael Hilgert, Inhaber der FYB Academy aus Neunkirchen. Unter demselben Titel hat er im Jahr 2014 ein Buch veröffentlicht. Hilgert: „Zunächst erfolgt eine Stressmarker-Analyse. Damit wird der persönliche Stresswert bestimmt und aufgezeigt, in welchen Bereichen dringender Handlungsbedarf besteht.“ Anschließend gehe es um die Lösungsvorschläge. All dieses wird Hilgert zufolge auch von den gesetzlichen Krankenkassen weitreichend bezuschusst.

Stress abbauen und Steuern sparen
Übrigens: Solche Maßnahmen werden steuerlich begünstigt. Seit dem 1. Januar 2008 kann ein Unternehmen pro Mitarbeiter 500 Euro jährlich ­lohn­steuerfrei in die Gesundheitsförderung investieren. Nicht darunter fällt die Übernahme der Beiträge für ­Sportvereine, Gesundheitszentren bzw. ­Fitness­­­studios. Weitere Informationen finden sich auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit.
Auch Krankenkassen bieten Leistungen für die betriebliche Gesundheitsförderung. Neben preisreduzierten Kursen bei zertifizierten Partnern können Firmen etwa bei der AOK eine kostenlose Beratung mit genauer Analyse der Stressfaktoren in Anspruch nehmen. Diese Zeitinvestition lohnt sich auch für Handwerksbetriebe!

(bl)

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