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Foto: handwerk.com

Zu komplex, zu kompliziert

Ganz einfach: Aufräumen zahlt sich aus

Der Alltag: kompliziert. Das Angebot: komplex. Aber warum ist das eigentlich so? Vielleicht sollten Sie mal wieder aufräumen – und damit ist nicht (nur) Ihr Lager gemeint.

Die etwas andere Chaosforscherin
Heike Schauz 2014 quer


Frau Schauz, in Fachmagazinen, die sich an größere Unternehmen wenden, kursiert derzeit der Begriff „Komplexitätsfalle“. Deutschlands Manager sollen „aufräumen“, die Abläufe vereinfachen. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Schauz: Allerdings, da muss ich wirklich lachen. Das ist genau das, was ich Unternehmern immer sage – unabhängig von der Betriebsgröße.

Tatsächlich als Generalempfehlung?
Schauz: Ja. Es gibt eine Erkenntnis, mit der ich auch Handwerksunternehmer oft konfrontieren muss: „Ich kann Sie nicht einordnen. Ich betrachte Sie von außen, aber ich kann nicht erkennen, wofür Sie eigentlich stehen.“

Nächste Seite: Das Chaos stresst den Kunden und den Chef – völlig unnötig.

Irre Technik, irres Angebot, irre Kunden

Und wo genau muss aufgeräumt werden?
Schauz: Wirklich viele Betriebe werden überrannt von Beratern, von der neuesten IT, von immer neuen Produkten. Aber die Kunden sind ohnehin schon gestresst, die brauchen nicht noch mehr Stress durch übervolle Läden und übergroße Angebote. Denen muss man's so einfach wie möglich machen.

Ich kenne eigentlich eher Betriebe, die ein breites Angebot anstreben, sich Komplexität aber gar nicht leisten können.
Schauz: Ja, aber die können sich erst einmal freuen, weil sie ziemlich sicher in die Komplexitätsfalle tappen, wenn sie ungezielt wachsen würden. Das machen wir noch, da gibt's noch eine Nische und warum nicht gleich komplette Bäder anbieten? Das ist ein schleichender Prozess.

Ist doch schön, neue Aufgaben sind interessant.
Schauz: Nein, das ist nicht schön, alles kannst Du nicht gut machen. Noch einmal, die beiden entscheidenden Fragen sind: Wen wollt ihr? Wofür steht ihr? Es gibt Betriebe, die deshalb erfolgreich sind, weil sie ihre Zielgruppe eingrenzen. Die sich beispielsweise auf Senioren spezialisiert haben und das auch nach außen transportieren. Und die hätten natürlich andere Mitarbeiter, wenn sie nur Neubauten durchhecheln würden und mit Kunden kaum Kontakt haben. Und das ist nur ein Aspekt, die technischen Möglichkeiten wachsen exponentiell.

Ausgerechnet von Bauträgern lernen! Ein (fast) absurder Tipp – lesen Sie die nächste Seite.

28 Varianten, 14 Anbieter, 1 Fehler

Die Produktvielfalt ist belastend?
Schauz: Bleiben wir bei den Malern. Vor 20 Jahren waren die Themen Farbe und Beschichtung noch übersichtlich. Heutzutage springen die Anbieter auf jeden Zug auf, sobald ein Mitbewerber ein neues Produkt auf den Markt wirft. Vollwärmeschutz in 28 Varianten von 14 Anbietern – da kann einem schwindelig werden. Mit jeweils neuen Werkzeugen, jeweils müssen die Mitarbeiter neu geschult werden.

Den Kunden kann das doch freuen.
Schauz: Soll er sich darüber freuen, dass er aus 300 Tapeten und 40 Tapetenbüchern die beste aussuchen soll? Nein, die sind damit völlig überfordert. Der Kunde freut sich, wenn man ihn an die Hand nimmt, eine Vorauswahl trifft, ihm zuhört und ihm fünf Möglichkeiten anbietet, die zu ihm passen. Deshalb laufen die Bauträger-Geschichten auch so gut.

Von Bauträgern lernen? Das wäre ja mal was ganz Neues.
Schauz: Da gibt's halt nur fünf Fliesen, zwei Badewannen – das war's. Da sind die Leute an einem Nachmittag mit der Auswahl durch. Fürs komplette Haus. Und ich bin mir sicher, dass auch der Kunde von seinem Handwerksunternehmer erwartet, dass der ihn nicht alleine lässt, sondern ihm Entscheidungen abnimmt.

Nächste Seite: Alles geht schief – und die Zeitung schreibt darüber. Leiden mit Heike Schauz.

Neue Nische, neues Material, neue Probleme 

Wie erkenne ich denn, dass mein Betrieb zu komplex aufgestellt ist? 
Schauz: Durch eine eingehende Analyse, befürchte ich. Einfach ist das nicht, oft fehlen die Kennzahlen. Aber man sollte sich zunächst vielleicht fragen, was man besonders gut kann. Und wo verdiene ich wirklich Geld? Und umgekehrt: Bei welchen Arbeiten zahle ich fast drauf, weil ich ständig nacharbeiten muss, weil ich meinetwegen das fugenlose Bad nicht richtig gut beherrsche.

Ist Ihnen so etwas in Ihrer Zeit als selbstständige Malermeisterin auch passiert? 
Schauz: Ich hatte seinerzeit ein zweites Unternehmen dazu gekauft. Das war wiederum auf Linoleum spezialisiert – ein ganz heikles Thema. Ich habe mir das zeigen lassen. Dann hat mir der Vorgänger noch beim Kalkulieren des Rathauses im Nachbarort geholfen. Wir haben den Zuschlag bekommen, weil wir der Günstigste waren. Und weil ich gar keine Ahnung hatte, was da auf mich zukommt.

Alle haben sich gewundert, warum die Schauz so günstig ist? 
Schauz: Ja, es war zum Schämen. Es ging alles schief, was man sich nur denken kann. Und das in einem öffentlichen Gebäude. Das Material ist gebrochen, die Fugen haben nicht funktioniert, ich darf gar nicht daran denken. Dann gab's auch noch einen Zeitungsartikel mit der Schlagzeile: „Wenn der Günstigste einen Linoleum-Boden verlegt“. Mit Namensnennung. Der Super-Gau! Das hat Geld und Reputation gekostet.

Nächste Seite: Den Mitarbeiter genau ansehen – das beste Warnsystem.

Gute Leute verprellen ist ganz einfach

Eine „Schuster bleib' bei Deinen Leisten-Erfahrung“, oder?
Schauz: Das habe ich nie wieder gemacht. Mach das, was Du wirklich gut kannst. Bleib bei dem, was Dich ausmacht. Suche nicht dauernd noch eine Nische. Und noch ein neues Material. Das kann einen Betrieb unglaublich ausbremsen.

Aber trotzdem, es ist es ja auch ein Spaß, neue Welten zu entdecken – vor allem neue Geschäftswelten.
Schauz: Stimmt, das Gegenteil ist auch ein Fehler. Das haben wir schon immer so gemacht, das wird auch weiterhin funktionieren. Wenn's danach ginge, würden die Maler heute noch mit Kalk arbeiten. Aber ein wenig Zurückhaltung ist nicht schlecht. Man muss die Komponenten richtig zusammenbringen …

… und die Mitarbeiter müssen mitziehen.
Schauz: Zu dumm nur, dass auch die guten Leute 6 Wochen Urlaub haben und 2 Wochen krank sind. Und der Spezialist und gerade geschulte Experte für die irre neue Technik ist gerade auf Mallorca, wenn man ihn braucht. Dann übernimmt irgendein anderer Mitarbeiter – und schon beginnen die Probleme. Überhaupt sind die Mitarbeiter das beste Warnsystem. Wenn die zum sechsten Mal seufzen, weil sie zum siebten Mal eine neue Spachteltechnik lernen sollen, ist das möglicherweise ein Hinweis, oder? Gute Leute finden ist schwierig. Gute Leute verprellen ist dagegen ganz einfach. Und ab und an kann es geradezu erleichternd sein, wenn alle gemeinsam aufräumen.

Weitere Texte mit Heike Schauz in der Hauptrolle:

Und noch zwei Empfehlungen zum Thema: Zur Homepage von Heike Schauz: (sfk)



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