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Foto: handwerk.com

Belastendes weglassen

Du musst ein guter Typ sein

Schon interessant: Da spricht man über Nachfolge und erfährt ganz nebenbei, was einen erfolgreichen Chef im Handwerk auszeichnet.

Frau Beyer, ist eine Betriebsübernahme nicht generell eine schlechte Idee?
Beyer: Nein, warum? Die Übernahme ist eine Chance für alle Beteiligten. Viele Betriebsinhaber haben sich kaputt gearbeitet, auch körperlich. Das wollen sie ihren Kindern nicht unbedingt zumuten – und sind entsprechend motiviert. Warum sollte die Nachfolge eine schlechte Idee sein?

Weil dem Übernehmer eine entscheidende Erfahrung fehlt: Er hat nie einen eigenen Betrieb aufgebaut. Das ist ein Mangel, der ihm immer nachhängen wird.
Beyer: Dafür hat er andere Erlebnisse, er macht Erfahrungen ganz eigener Art. Bestimmte Erfahrungen macht er nicht, stimmt. Aber wenn's danach ginge, könnte kein Betrieb übergeben werden.

So ganz abwegig ist der Gedanke aber nicht. Schließlich gibt es unglückliche Übernehmer, die nie aus dem Schatten ihres Vorgängers heraustreten konnten. Fürs Selbstbewusstsein könnte es ein Vorteil sein, sich etwas Eigenes aufzubauen.
Beyer: Nein, der übernehmende Sohn oder die übernehmende Tochter stehen vor spannenden neuen Herausforderungen – so herum wird ein Schuh daraus.

Der Horror des Nachfolgers: Er soll die gleichen Fehler begehen wie der Senior.

Ein Bruch muss her

Wie machen Sie dem Seniorchef klar, dass er Veränderungen zulassen muss?
Beyer: Ein Beispiel: In einem Dachdeckerbetrieb haben wir uns zunächst die Büroabläufe angesehen. Die naheliegende Frage: Was können wir optimieren, damit der Sohn nicht die komplette Verantwortung auf seinen Schultern trägt? Was muss passieren, damit der Sohn Verantwortung abgeben kann? Denn normalerweise hätte er die Haltung des Vaters übernommen: Du musst über alles Bescheid wissen. Er hätte den gleichen Fehler noch einmal begehen sollen – um in 3 Jahren in den Seilen zu hängen.

Die Übernahme ist eine Chance, aber es muss einen Bruch geben, etwas Neues muss her?
Beyer: Die alten Strukturen können nicht 1:1 übernommen werden. Die Übernahme ist die Möglichkeit, die Muster, die sich über die Jahre etabliert haben und die zu ihrer Zeit ok waren, zu überdenken. Durch die Übernehmer kommen neue Sichtweisen in den Betrieb, ein anderer Erfahrungsschatz. Ja, daraus ergibt sich eine Chance: Belastendes weglassen!

Und wenn der Senior an „seinem Baby“ hängt und unflexibel bleibt? Er war doch erfolgreich.
Beyer: Dann muss er den Gedanken an die Nachfolge abhaken. Die Überschrift für die Perspektive könnte lauten: Zukunft hat Herkunft. In der Vergangenheit waren viele Dinge notwendig, damit man dort sein kann, wo man heute ist. Aber: Der Stellenwert der Dinge hat sich verändert.

Inwiefern?
Beyer: Beginnen wir mit dem Außenauftritt. Den gehen viele Betriebe nach wie vor konservativ an, sie sind fast nachlässig bei den Online-Möglichkeiten, den Werbemaßnahmen, der Zielgruppenfokussierung. Das haben die älteren Generationen oft nicht im Blickwinkel.

Auf eine Sache haben alle Lust: Mitarbeiter, Kunden – und der Chef selbst.

Der richtige Kunde

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel? 
Beyer: Wie so etwas ausgehen kann, habe ich in einem Malerbetrieb gesehen. Der Vater hatte den Betrieb schon von seinem Vater übernommen, er hatte 20 Mitarbeiter, die Insolvenz drohte. Letztendlich haben der Vater und sein Sohn den Betrieb so umgestellt, dass er heute gar kein klassischer Malerbetrieb mehr ist. Das ist jetzt eine Art Wandkünstlerwerkstatt. Vater und Sohn haben das ganz neu aufgezogen und an der digitalen Welt ausgerichtet.

Die Erkenntnis ist fast banal: Die Notwendigkeiten waren andere als zu den Zeiten der Betriebsgründung. 
Beyer: Es ist tatsächlich so einfach. Wenn ich mich nicht darauf einstelle, wie sich eine Gesellschaft entwickelt, kann ich mittelfristig einpacken.

Wir reden wieder über Haltung? 
Beyer: Wir reden darüber, wie ich nach außen auftrete, ja. Und über die Frage: Welche Haltung habe ich gegenüber meinen Mitarbeitern und meinen Kunden? Wie attraktiv ist mein Unternehmen? Ein Handwerksbetrieb ist in der Regel ein inhabergeführtes Unternehmen, in dem der Chef ganz stark seine Persönlichkeit verkauft. Wenn Du ein guter Typ bist, dann wirst Du attraktiv. Entfaltung und Gestaltung, darauf hast Du Lust, darauf haben Deine Mitarbeiter Lust. Und auch Deine Kunden wollen mit einem Typen reden, der eine gute Ausstrahlung hat.

Ist das die eigentliche Herausforderung für die Übernehmer? Ihnen muss klar sein, dass sie den Betrieb nach außen präsentieren?  
Beyer: Du hast heute als Handwerker sicherlich ausreichend Kunden, da gibt es keine großen Probleme. Aber sind es die richtigen Kunden? Das ist schon die erste Frage, die ein Übernehmer stellen muss. Habe ich die Mitarbeiter, die meine Kunden bedienen können? Liefern meine Mitarbeiter die Qualität ab? Die Väter mussten sich mit solchen Fragen in der Form sicherlich nicht auseinandersetzen. Für die Generation der Übernehmer sind sie grundlegend, denn sie leiden unter Fachkräftemangel.

Insofern ist der Zeitpunkt für den Wechsel gerade jetzt richtig gut. Es ist so viel im Umbruch, da kann man's gleich sofort neu angehen. 
Beyer: Das lass ich mal so stehen. Gut begleitet birgt die Nachfolge extrem viele Chancen.

(sfk)

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