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In einer Liste mit VW und Audi

Plötzlich am Pranger

Ein Handwerksunternehmer hat Subventionen für ein Energiesparprojekt erhalten. Dafür steht er jetzt öffentlich in der Kritik – und bundesweit am Medienpranger.

60 Prozent weniger Stromverbrauch, 30 Prozent weniger Brennstoffbedarf, 35 Prozent Energieeinsparung. Diese Zahlen hat ihm sein Energieberater ausgerechnet, diese Zahlen standen in seinem Fördermittelantrag. Und auf der Basis dieser Zahlen bekam Anton Gürtner vom Bundesumweltministerium Geld.

Jetzt muss sich der Handwerksunternehmer aus dem bayerischen Oberroth anhören, er sei eine Belastung für seine Umwelt – eine finanzielle Belastung. Und plötzlich steht Gürtner am Pranger, der Steuerzahlerbund nennt seinen Namen in einer Reihe mit zweifelhaften Subventionsfällen aus der Großindustrie.

Seltener Fall: Steuerzahlerbund kritisiert Handwerksbetrieb – lesen Sie Seite 2.

Steuergelder nicht notwendig?

Gürtner betreibt eine "Bio-Bäckerei". Man könnte auch Öko-Bäckerei sagen, das erklärt besser, warum er umgerüstet hat. "Wir wollen möglichst umweltfreundlich produzieren und ein CO2-neutraler Betrieb werden", sagt er. Und er wäre ein schlechter Unternehmer, hätte er dabei nicht auch seine Energiekosteneinsparung auf der Rechnung.

Gut eine halbe Million Euro hat Gürtner vom Bundesumweltministerium erhalten. Geld für den Umbau der Backstube, neue Öfen, eine Wärmerückgewinnungsanlage und für ein Leitungssystem, über das Haushalte im Ort mit Abwärme aus der Bäckerei versorgt werden. Ein Mehrfaches dessen, was der Staat gezahlt hat, habe er selber in das Projekt investiert, sagt Gürtner. Zu wenig aus Sicht des Steuerzahlerbundes.

"Jegliche Investition in ein verbesserte Energieeffizienz sollte wirtschaftlich kalkuliert sein. Wäre dies beim Bäcker der Fall, wären Steuergelder doch eigentlich entbehrlich“, sagt Daniel Junker. Der Haushaltsreferent des Bundes der Steuerzahler spricht von einer überflüssigen Staatsausgabe. Junker verweist auf den unausgeglichenen Bundeshaushalt. Es stelle sich die Frage, ob man in Fällen wie dem des Bäckers das Geld nicht hätte sinnvoller verwenden können. Unter den Schlagwörtern Energiewende und Klimaschutz würden unzählige Projekte bezuschusst, Projekte, von denen viele aus Sicht der Steuerzahler "nicht effizient oder zielführend sind".

Kostenexplosion: Die Technik steht, der Ärger geht los – lesen Sie die nächste Seite.

Das Kaninchen und die Kalkulation

Im Fall des Bäckers sei ein "typisches Demonstrationsvorhaben" subventioniert worden, kritisiert Junker. "Solche Vorhaben sind selten wirtschaftlich kalkuliert." Indiz: "Die Kosten in Oberroth sind explodiert, ursprünglich waren Fördergelder in Höhe von 250.000 Euro vorgesehen."

Warum sind die Kosten so gestiegen? "Unser Betrieb war das Versuchskaninchen", sagt Anton Gürtner über das Projekt. Er habe mit der Umsetzung einen der namhaften Ofenbauer als "Generalunternehmer" beauftragt. Der habe ihm ein "Sorglos-Paket" versprochen. Bekommen hat der Bäckermeister offenbar das Gegenteil: Immer wieder habe es Verzögerungen gegeben, immer wieder sei er vertröstet worden.

Und als die Technik dann stand, sei der Ärger erst richtig losgegangen. "Wir hatten Probleme mit der Ware, weil das Ofensystem nicht richtig funktioniert, das hat uns Kunden gekostet", schildert Gürtner. Der Holzhackschnitzel-Ofen, eine zentrale Komponente des Energiekonzeptes sei immer noch nicht betriebstauglich. Der Handwerksunternehmer will, dass der Ofenbauer nachbessert. Weil der sich bisher weigere, ist Gürtner vor Gericht gezogen.

Schräge Liste: Ein Bäcker neben Porsche, Audi, Bayer – lesen Sie die nächste Seite.

Umwelt hui, Bankkonto pfui

Das Projekt bilanziert Gürtner für sich als "Minus-Geschäft" – in wirtschaftlicher Hinsicht. An seinem Ziel, CO2-neutral zu produzieren, aber hält er fest. Den Ansatz mit dem Hackschnitzelofen findet nach wie vor für richtig. Das gilt erst recht für die Idee, die Abwärme aus Betrieben in Haushalte zu leiten. 14 Familien in Oberroth heizen mit Energie, die Gürtner in seiner Backstube über Wärmetauscher zurückgewinnt.

Geplant sei, weitere Haushalte an dieses Netz anzuschließen, eine Brauerei und Metzgerei überlegten, Wärmerückgewinnungstechnik zu installieren. Dass der Staat Anreize für Energiesparprojekt setzt, ist extrem wichtig, sagt der Bio-Bäcker. "Die Technik und das Geld, um viel weniger CO2 auszustoßen, sind in Deutschland doch da. Es fehlt allein am Bewusstsein."

Der Steuerzahlerbund sieht das anders und spricht von "Fehlanreizen". Fehlanreizen, die den Staat viel Geld kosteten. Und die das Handwerk in einem ungewohnten Licht erscheinen lassen: 30 zweifelhafte Subventionsfälle listet die Organisation in ihrer neuen Broschüre als Beispiele, die Bio-Bäckerei taucht in einer Reihe mit Unternehmen wie Porsche, Audi, Bayer oder RWE auf.

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(mfi)

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